Tödlicher Kick
- Grafit
- Erschienen: Januar 2014
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- Dortmund: Grafit, 2014, Seiten: 282, Originalsprache
Das Runde traf ins Eckige
Das Leben kann wie ein Fußballspiel sein: Wurden gerade noch die Hoffnungen des VFL Bochum auf den Aufstieg zu Grabe getragen, sieht sich unvermittelt ein junger talentierter Spieler dieser Mannschaft, der mit seinem vorherigen Fehlschuss deren Versagen besiegelte, genau in die Rolle des zu Grabe getragenen hinein katapultiert. Lila Ziegler und ihr Partner in diversen Lebens- und Liebeslagen Ben Danner sehen sich mit einem mörderischen Spiel konfrontiert, in dem es um mehr geht als um einen möglichen Aufstieg in eine höhere Liga.
"Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht"
In ihrem nunmehr sechsten Krimi um die immer zwanzigjährige Lila Ziegler betritt Lucie Flebbe das Terrain des Fußballs und der damit verbundenen Männer- und Mannbarkeitsregeln. Die Welt des Sports dürfte ihr als Physiotherapeutin nicht fremd sein und so überrascht es auch nicht, dass sich der Auftakt des Buches mit seiner Schilderung eines Kohlenpott-Duells zwischen Bochum und Schalke regelrecht launig ausfällt. Mit dieser heiteren Stimmung ist es aber schlagartig vorbei, als Ben Danner, seines Zeichens Chef der jetzt schon im sechsten Band agierenden Detektiv-Agentur erfährt, dass sein Vater vom Tode gezeichnet im Krankenhaus liegt und ihm die Entscheidung über die Fortsetzung lebenserhaltender Maßnahmen zufällt. Nachdem Lilas konfliktreiches Leben häufig Gegenstand der Betrachtung war, ist es hier sehr interessant, auch einmal Einblick in Danners Historie zu erhalten, die auch nicht nur von Kohlenpott-Romantik geprägt war. Wie die Geschichte der jugendlichen Heldin Lila reichen auch Danners Schatten der Vergangenheit bis in die Gegenwart und bilden so einen glaubhaften Rahmen für erneutes Konfliktpotential, das die Luft zwischen den beiden Partnern erneut zum Kochen bringt und beim Leser wieder die bange Frage aufwirft, ob sich Lila und Ben wieder zusammenraufen können. Grundsätzlich dürfte diese Privatangelegenheiten zwischen den beiden Ermittlern nur schmückendes Beiwerk zu dem Krimi bilden, doch dürfte dieses grundsätzlich verschiedene Paar jedem Leser mittlerweile so ans Herz gewachsen sein, dass sich dieser Nebenstrang genauso spannend liest wie der eigentliche Krimi ist.
Die Schattenseiten des Ruhms
Dennoch verfasst Lucie Flebbe keine Liebesromane sondern verdient sich ihre Brötchen bzw. einen mittlerweile hoffentlich sehr ordentlichen Belag dazu als Krimiautorin und so kommt auch dieses Sujet natürlich nicht zu kurz. In flottem Tempo wird der Leser hier in die Welt des Fußballs mitsamt seiner Männer und Mannbarkeitsregeln geführt. Die Sportlerwelt, der oft und gerne ein Vorbildcharakter unterstellt und die natürlich generell von der Öffentlichkeit aufs genaueste beäugt wird, stellt indes nicht nur Lichtblicke dar, sondern berührt auch Schattenwelten, wie hier die der Prostitution mitsamt den damit verbundenen Schicksalen und Tragödien. Ob sich diese nun auf der Straße oder in der Luxus-Adresse abspielen, ändert grundsätzlich nichts an deren Problematik. Dennoch entscheidet die Straße oder die Nobelausstattung darüber, wer sich mit wie viel eine goldene Nase verdient oder wer sich hier mit welchem Einfluss Verbindungen oder "Gefühle" erkaufen kann.
Lucie Flebbe gelingt es hier allein durch die Person des Opfers den Leser auf diverse Fährten zu locken, die hier aber aus "krimitaktischen" Gründen weder als falsch noch als richtig bewertet werden sollen. Im Laufe der Ermittlungen offenbart der junge Mann nicht nur die glänzende Rolle als Sportler, sondern stand auch offensichtlich in Kontakt mit der Rotlicht-Szene. Offenbar gefiel ihm dieser Bereich sogar so gut, dass er seine Freundin aus diesem Milieu wählte – oder war es vielmehr so, dass er sich eine Dauer-Privat-Nutte zulegte? Wie stand die Familie des jungen Mannes mit nahöstlichem Migrationshintergrund zu dessen offenbar recht saloppem Lebensstil? Kann ein verschossener Elfmeter, der letztendlich den so dringend benötigten Aufstieg verhindert, tatsächlich Rechtfertigung für einen Mord sein? Sieht sich ein Patchwork-Vater tatsächlich durch das pressemäßige Ausschlachten des aus gesellschaftlicher Sicht immer noch anrüchigen Jobs seiner Tochter so in seiner Ehre gekränkt, dass er zur ultimativen Lösung greift? Alle diese Fragen werden sukzessive aufgegriffen und bis zum spannenden Showdown abgearbeitet. Als einziges Manko einer ansonsten runden und spannenden Geschichte kann hier nur die etwas zu oberflächliche Auflösung im Hinblick auf die Freundin des Opfers bemängelt werden, die ohnehin als Spielball zwischen verschiedenen Interessen zermahlen wird und der man sicherlich eine optimistischere Zukunft gewünscht hätte.
Optimistisch dürfen dagegen Lila und ihr Ben in die Zukunft blicken, haben sie doch auch in diesem Buch wieder weitere Entwicklungen aufgezeigt, die in dem Leser langsam doch die Hoffnung auf ein mögliches gemeinsame Leben der beiden wecken. Lila hat erfahren, dass sie nicht nur mit einer harten Seite überleben kann, Danner hat begonnen sich seinen Schatten und damit auch seinen möglichen Süchten zu stellen. Wie weit dieser Weg sie noch führen wird, bleibt abzuwarten und immerhin bleiben dafür noch vier Bände Zeit, sind die Krimis um das Gespann Ziegler-Danner doch laut Autorin doch auf zehn Bände angelegt. Aber sicher bleibt eins, der weitere Weg dürfte spannend bleiben und nachdem Lila in diesem Buch ein kleine "Gretchen-in-der-Kirche-Hommage" erlebte, konstruierte Flebbe sogar einen weiteren Spannungsbogen zwischen zwei Büchern. Es bleibt also wirklich spannend!
Lucie Flebbe, Grafit
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