Vergessen

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 2014
  • 5
  • Berlin: Ullstein, 2014, Seiten: 304, Originalsprache
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Andreas Kurth
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2014

Lysergsäurediethylamid verleiht Flügel

Ein Mädchen spielt auf dem Weg nach Hause mit ihrer Freundin Verstecken – und wird von starken Händen in ein Gebüsch gezogen, betäubt und entführt. Ein im Grunde insolventer Kneipenwirt lässt seine Zahnprobleme bei einem befreundeten Arzt untersuchen. Urplötzlich beginnt der Zahnmediziner wirr zu reden und den Patienten mit dem Bohrer zu foltern. Und dann rennt er zu einem Fenster und springt in den Tod. Eine todkranke Tier-Präparatorin springt kurz darauf vom Flachdach ihres Hauses. In den Briefkästen der beiden Toten finden die Ermittler um Kommissarin Verena Irlenbusch jeweils das gleiche, über vier Jahrzehnte alte Foto einer Gruppe von Menschen, zu denen der Wirt und der Mediziner gehört haben. Die Kommissarin geht davon aus, dass auch die anderen Personen auf dem Bild in Gefahr seien könnten. Die Ermittlungen gestalten sich nicht leicht für Irlenbusch, den einerseits muss sie sich neben dem harten Dienst um ihre an der Alzheimer-Krankheit leidende Großmutter kümmern. Andererseits wurde ihr der Kollege Christoph Todt neu zugeteilt – und die Zusammenarbeit mit ihm ist nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig.

Professionelle Partnerschaft

Seit gut fünf Jahren schreibt die Wahl-Kölnerin Elke Pistor nun Kriminalromane – und mit ihrem neuen Titel ist sie bei einem Großverlag gelandet. Mit der jungen Kommissarin Verena Irlenbusch hat sie eine ambivalente Protagonistin geschaffen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit schaut die Polizistin auch während der Dienstzeit nach ihrer dementen Großmutter – was ohne die Hilfe ihrer Kollegin Leo überhaupt nicht möglich wäre. Weitere Reizpunkte setzt die Autorin mit der Wahl des Partners von Irlenbusch. Christoph Todt wirkt ungemein arrogant und gibt sich unnahbar – für den Erfolg der gemeinsamen Ermittlungen nicht gerade die besten Voraussetzungen. Im Laufe der Handlung sorgt die Autorin dann aber dafür, dass die beiden Polizisten von den gegenseitigen Schwächen erfahren, und so zu einer professionellen Partnerschaft finden.

Vieles bleibt lange offen

Hohe Konzentration ist für die Ermittler bei diesem Fall besonders wichtig, denn den Zusammenhang der zwei Morde mit der Kindesentführung müssen sie erst einmal erkennen. Dem Leser werden die Zusammenhänge zuweilen etwas schneller enthüllt, was aber der Spannung bei dieser gut erzählten Geschichte überhaupt keinen Abbruch tut. Denn es geht hier um psychologische Feinheiten, um Rache und andere starke Gefühle. Der Leser hat zwar zuweilen einen Informationsvorsprung vor den Ermittlern, aber bis zum Schluss bleiben wichtige Fragen offen. Immerhin erledigen die Polizisten ihre Nachforschungen schließlich doch in Teamarbeit, aber die Spannungen zwischen Irlenbusch und Todt werden immer wieder deutlich. Die Polizisten stützen sich übrigens erfreulich wenig auf moderne Technik, vielmehr spielen hier akribische Ermittlungsarbeit und gute Schlussfolgerungen eine zentrale Rolle.

Protagonisten mit vielen Reibungspunkten

Vergessen ist hier nicht nur der Titel des Romans, sondern ein wichtiges Oberthema. Das Vergessen spielt in dem Kriminalfall eine wichtige Rolle, aber eben auch bei der Krankheit von Irlenbuschs Großmutter. Ihr Umgang mit der kranken Oma ist zunächst von Ratlosigkeit geprägt, später kommen besondere Umstände hinzu, die hier allerdings aus dramaturgischen Gründen nicht verraten werden können. Insgesamt fand ich diesen Teil der gut erzählten Geschichte mehr als gelungen, und die Aspekte zum Thema Demenz wirken auch gut recherchiert. Elke Pistor hat in ihrem neuen Buch einige interessante Protagonisten mit vielen Reibungspunkten für die Leser geschaffen, die Beurteilung der einzelnen Figuren dürfte allerdings durchaus unterschiedlich ausfallen. Das Duo Irlenbusch und Todt hat sich dabei ordentlich aneinander abgearbeitet, für künftige Geschichten ist hier also noch reichlich Potenzial vorhanden.

Vergessen

Elke Pistor, Ullstein

Vergessen

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