Die letzte Sünde

  • Aufbau
  • Erschienen: Januar 2012
  • 1
  • Berlin: Aufbau, 2012, Seiten: 287, Originalsprache
Die letzte Sünde
Die letzte Sünde
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Jörg Kijanski
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2014

Sünde im Heiligen Land.

Lange Zeit hat Assaf Rosenthal als kommandierender Offizier an der Grenze gearbeitet. Sein ehemaliger Chef Chaim Wieler holte ihn als Kommissar in die Mordkommission von Tel Aviv, wo er nun seinen ersten Mordfall aufklären soll. Eine auffallend hübsche, junge Frau wird nahe der Sprachenschule erdrosselt aufgefunden. Der Fall scheint schnell geklärt, denn die Ermordete, Marina Koslovsky aus der Ukraine, wurde zuletzt mit dem Afrikaner Moses Okoye, einem ihrer Mitschüler, gesehen. Die beiden sollen sich laut einer Zeugin gestritten haben. Moses bestreitet vehement Marina etwas angetan zu haben, vielmehr war er in diese unsterblich verliebt. Als Kommissar Rosenthal erfährt, dass Marina mit ihrem zweiten Vornamen Sulamith hieß, wird er hellhörig. Die "schönste aller Frauen" hatte offenbar sehr viel Geld und schon bald führt eine weitere Spur  in ein Edelbordell, in der Marina gearbeitet hat. Sollte deren Besitzer, der neuerdings auch im Drogengeschäft mitmischt, den großen Chefs der Branche auf die Füße getreten sein?

 

"Wir haben die Beweismittel, Zeugenaussagen, Motiv und ein fehlendes Alibi – es ist doch eigentlich alles sonnenklar, oder?"

 

Tel Aviv ist ein Schmelztiegel, das sich durch seine unterschiedlichen Viertel auszeichnet. Verschiedene (religiöse wie kulturelle) Welten liegen eng beisammen und so trifft man nicht nur auf die Vertreter zahlreiche jüdischer Glaubensrichtungen, sondern auch vor allem auf Afrikaner, die zunehmend in Israel einwandern. Hier finden sie häufig keine Arbeit und so werden sie von den Einheimischen zunehmend mit Argwohn bedacht und für eine steigende Kriminalität verantwortlich gemacht. Daher liegt ein Durchsuchungsbefehl für die Wohnung von Moses Okoye auffällig schnell vor, bei einem späteren Verdächtigen lässt dieser hingegen lange auf sich warten. Interessante Einblicke vermittelt die deutsche Autorin Katharina Höftmann, die zeitweise selbst in Tel Aviv lebt, und die Stadt, nicht zuletzt aufgrund ihrer zahlreichen Widersprüche, offenbar lieben gelernt hat.

 

Die Einzigen, die den Rassismus zwischen aschkenasischen und orientalischen Juden weiterhin intensiv pflegten, waren die Orthodoxen. Erst vor kurzem hatte Assaf gelesen, dass in Jerusalem eine Gruppe hassidischer Juden europäischer Herkunft dagegen demonstriert hatten, dass Kinder von orientalisch-orthodoxen Familien auf dieselben Schulen gingen wie ihre. Zwar waren beide Gruppen orthodox, aber die weißen Orthodoxen sahen sich seit jeher als die besseren Juden. Sephardische und mizrachische Juden erkannten sie kaum an, von äthiopischen oder jereminitischen Juden ganz zu schweigen.

 

Die letzte Sünde würde man bei uns womöglich in die Schublade eines Regio-Krimis stecken, damit der Autorin jedoch weitgehend Unrecht antun. Es stimmt zwar, dass zahlreiche Straßennamen erwähnt und viele Stadtviertel vorgestellt werden, wodurch der eigentliche Krimiplot kurzzeitig zur Ruhe kommt. Aber dies macht ja gerade den Reiz dieses speziellen Handlungsortes aus und zudem verliert die Autorin nie den Überblick über ihren Fall, der die Ermittler schnell in die hohen Kreise der Drogenbosse führt.

Assaf Rosenthal, dessen Mutter aus dem Irak und dessen Vater aus Rumänien stammt, ist ein interessanter Protagonist. Aufgrund seiner bisherigen Laufbahn kann er mit den Palästinensern nicht viel anfangen und gerät als Zionist wie Patriot ein ums andere Mal mit seinem fortschrittlich-linksliberal eingestellten Partner Yossi Hag aneinander. Und auch die Umstellung von Militärzeit auf die polizeiliche Ermittlungsarbeit macht ihm manchmal zu schaffen. Nahm man es einst mit den Vorschriften nicht immer ganz genau, so dauern manche Arbeitsschritte jetzt zu lange.

 

"Habt ihr nicht die Angehörigen benachrichtigt? Die müssen sie doch identifizieren, nur um auf Nummer sicher zu gehen, dass wir hier wirklich den richtigen Namen in den Büchern haben. Bisher haben wir ja nur die Aussage von der Sekretärin."
"Walla, stimmt. Da muss ich mich dringend drum kümmern."
"Mit solchen Sachen hattest du da an der Grenze nichts zu tun, was? Terroristen haben wohl keine Eltern?"

 

Trotz allem ist Assaf Rosenthal eine sympathische Figur. Ein junger, eifriger Kommissar der demnächst 35 Jahre alt wird, was seine Mutter zu der Ansicht treibt, dass er bald eine Familie gründen müsste. Doch seine Freundin lebt seit geraumer Zeit im weit entfernten Berlin und zwischen den zahlreichen Frauen, die in Tel Aviv täglich seinen Weg kreuzen, mag er sich nicht recht festlegen wollen.

Die letzte Sünde ist eine informative und spannende Mischung aus Stadtgeschichte, Kultur, Religion sowie einer Prise "Sex and Crime" im Holy Land.

Die letzte Sünde

Katharina Höftmann, Aufbau

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