Spademan
- Random House Audio
- Erschienen: Januar 2014
- 4
- Köln: Random House Audio, 2014, Seiten: 1, Übersetzt: Christoph Maria Herbst, Bemerkung: MP3
Müllmänner morden moralisch
Neben dem Bürgerkrieg, Pearl Harbor und der Atombombe auf Hiroshima, ist 9/11 das einschneidende Ereignis in der amerikanischen Geschichte. Genau das greift Adam Sternbergh in Spademan auf. Sein Roman – Noir, Hard-boiled, Dystopie, Science-Fiction? - spielt am Big Apple in nicht allzu ferner Zukunft. Eine schmutzige Bombe am Time Square hat der Metropole ihre Wurzeln entrissen. Mittendrin ein Auftragskiller, der zum Beschützer eines jungen Teenagers wird.
Dieser Auftragskiller ist namenlos, hier Spademan genannt und hauptberuflich Müllmann. Auf eine äußerst sarkastische Art bringt er emotionslos Männer wie Frauen gegen Bezahlung um, aber keine Kinder. Da ist er rigoros und genau deswegen beschert ihm sein jüngster Auftrag einige Probleme. Die Tochter eines Fernsehpredigers mit immensen Zulauf soll sein nächstes Ziel werden. Doch wie gesagt: Spademan tötet keine Kinder – und schon gar nicht schwangere Teenager - und überhaupt, die Hintergründe dieses Jobs machen ihn mehr als stutzig.
Spademan ist, obwohl scheinbar Science-Fiction, ein reinrassiger Hard-boiled in der Tradition eines Raymond Chandler oder Dashiel Hammett - Namensübereinstimmungen zwischen Hammetts Sam Spade und Sternberghs titelgebendem Protagonisten sind sicherlich nicht zufällig. Auch sonst hält sich der Autor an die Regeln des Genres, in diesem Fall an die des Hard-boiled und nicht der Science-Fiction. Es gibt weder Gut noch Böse, alles verschwimmt in einer Melange aus Dreck, Aufrichtigkeit, Mut, Verzweiflung und Überlebenswillen. Mit dem Setting eines New Yorks, in dem alles vor die Hunde geht bis auf die Penthäuser der Wohlbetuchten, schafft er eine ähnlich düstere Atmosphäre wie man sie fast nur aus Schilderung europäischer Großstädte zu Zeiten der Industrialisierung kennt.
Adam Sternbergh spart hier nicht an Brutalität und Emotions- wie Auswegslosigkeit. Doch, eine gibt es: Die Limnosphäre, eine Virtual Reality, die er sich hat einfallen lassen, in die die Bürger New Yorks fliehen um dem Alltagsgrauen zu entkommen. Diese virtuelle Realität, wie auch das erfundene zukünftige New York, sind die einzigen Anknüpfpunkte an Science-Fiction. Leser, die dieser Gattung eher skeptisch gegenüber stehen, müssen trotzdem zu Spademan greifen. Durch dessen Hybridität – böse Kritiker mögen Zwitter sagen – erfährt der Roman einen ganz besonderen Nervenkitzel. Das, was Sternbergh so lakonisch in kurzen wie harten Sätzen beschreibt, ist ungemein einschüchternd, bedrohlich, bedrückend und leider gar nicht so weit hergeholt, wie man sich wünschen würde. Nur selten kommt die Frage auf, ob dies alles wirklich so sein könnte.
Natürlich wirft Spademan viele Fragen auf. Nicht nur die nach dem "Was wäre wenn?", sondern auch die nach der Bedeutung von Religion und Moral sowie vor allem dem Selbstverständnis der Bewohner des Big Apples. Wenn es um Letztere wirklich so schlecht bestellt ist: Na dann gute Nacht. Spademan ist die passende Lektüre, wenn sie eine ebensolche nicht verbringen möchten, denn es wird eine lange und schlaflose.
Adam Sternbergh, Random House Audio
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