Dünentod
- Knaur
- Erschienen: Januar 2014
- 1
- München: Knaur, 2014, Seiten: 400, Originalsprache
Showdown vor Bensersiel
Die junge Polizistin Femke Folkmers ist in Wilhelmshaven mit ihrer Freundin und Kollegin Ceylan auf einem Volksfest unterwegs. Plötzlich bricht die junge türkisch-stämmige Polizistin zusammen, sie wurde niedergestochen. Die lebensbedrohliche Attacke macht Femke so zu schaffen, dass sie ihren Kollegen Tjark Wolf zu einem Anruf in der Heimat veranlasst, obwohl sich dieser eine Auszeit genommen hatte. Als Wolf von dem Vorfall erfährt, kehrt er kurzentschlossen in die Heimat zurück. Bei ihren Recherchen im Rocker-Milieu – dort war Ceylan zuletzt mit Ermittlungen beschäftigt – stoßen Femke und Tjark eher zufällig auf die Spur eines Menschen ohne Fingerabdrücke, der offenbar bei den Rockern Waffen gekauft hat. Während Ceylan im Krankenhaus um ihr Leben ringt, versuchen ihre Kollegen, die Identität des merkwürdigen Käufers zu ermitteln. Der verfolgt derweil seine brisanten Pläne, und als ihm die Polizei endlich auf die Schliche kommt, scheint es fast zu spät. Der schwer kranke Mann kapert eine Inselfähre, aber vor dem Ablegen des Schiffes gelangt Tjark Wolf an Bord. Die Situation spitzt sich dramatisch zu - und es kommt zu einem dynamischen Finale.
Irreführender Text auf der Rückseite
Sven Koch hat in seinem zweiten Kriminalroman um die norddeutschen Polizisten Femke Folkmers und Tjark Wolf einen hochspannenden Plot entwickelt. Allerdings schafft es der Knaur-Verlag, die Leser mit einem völlig irreführenden Text auf der Buchrückseite zu verärgern. Darin wird auf den Showdown auf der Fähre abgehoben. Tjark Wolf betritt das Schiff aber erst auf Seite 274 – mehr als die erste Hälfte des Romans ist damit vollständig ausgeblendet. Diese Fixierung des Umschlagtextes auf den Entführungsfall ist nicht die Schuld des Autors, deshalb mag ich das nicht in die Wertung einbeziehen. Aber im Verlag sollte man mal überlegen, ob man sich mit dieser unangemessenen Darstellung des Inhalts wirklich Freunde unter den Lesern macht.
Kollegen sind verzweifelt
Die Messerattacke auf ihre beliebte Kollegin stürzt Femke Folkmers in tiefe Verzweiflung, sie zermartert sich voller Selbstvorwürfe das Hirn. Und nimmt schließlich mit einem pfiffigen Trick Kontakt zu Tjark Wolf auf, der sich nach seinem letzten spektakulären Fall komplett zurückgezogen hat und seinerseits in Dänemark vor sich hin grübelt. Die Messerattacke auf Ceylan nimmt er allerdings ziemlich persönlich und bricht seine Auszeit kurzerhand ab. Hier zeigt sich bereits die besondere Verbundenheit der "Fantastic Four", wie Tjark für sich das Kollegenquartett nennt, zu dem auch noch Fred gehört. Die unterschiedlichen Beziehungen der vier Kollegen zueinander machen sie einerseits zu einer besonderen Ermittlergruppe, führen andererseits aber auch zu einer enormen Intensität der Ermittlungen. Wolf bevorzugt effektive, wenn auch zuweilen nicht ganz korrekte Ermittlungsmethoden, Folkmers ist hierüber ziemlich empört. Dazwischen steht Fred, der in aller Regel vermittelnd wirkt. Sven Koch stellt diese Gemengelage unaufgeregt und mit guten Dialogen dar. Ein angenehme Mischung, sehr lesbar, sehr authentisch.
Der Fährmann ist die Krönung
Die Krönung ist allerdings sein Bösewicht, der 29-jährige Maxim, der sich selbst Charon der Fährmann nennt. Der unselige Text auf der Rückseite des Buches führt bedauerlicherweise dazu, dass der Leser von Beginn an weiß, was der schwerkranke Mann vorhat. Das nimmt in gewisser Weise ein wenig die Spannung heraus, aber – ich wiederhole mich – das ist nicht dem Autoren vorzuwerfen. Die Schilderung dieser Krankheit von Maxim, ihrer Symptome und der allgemeinen Auswirkungen fand ich allerdings überaus spannend und interessant. Damit wird mehr als kompensiert, dass bekannt ist, wo die Reise hinführt. Die Ermittlungen, die zu Charon dem Fährmann führen, sind eine Mischung aus Draufgängertum und guter alter Polizeiarbeit. Sven Koch blendet aus der Erzählperspektive aus Sicht der Ermittler immer wieder zu Maxim um, und so bekommt der Leser viel von der faszinierenden Vorgeschichte mit. Wie es dann am Tage der Schiffsentführung so richtig losgeht wird hier nicht verraten – aber das hat es wirklich in sich.
Geschichte und Personen faszinieren
Sven Koch zeigt auch in diesem Roman, dass er ein ausgezeichneter Geschichtenerzähler ist. Die spezielle Beziehung der Ermittler untereinander, Maxim mit seiner Andersartigkeit, und überhaupt die ganze Geschichte – das macht schon richtig Spaß beim Lesen. Der Kriminalfall, genauer gesagt die Kriminalfälle, stehen dabei dennoch im Zentrum. Man muss sich als Leser auf die Erzählung einlassen, und wird dann von der Faszination der Figuren und der Handlung gepackt. Insgesamt ein rasanter und gut erzählter Roman. Die "Fantastic Four" haben noch einiges an Potenzial – ich freue mich schon auf ihren nächsten Fall.
Sven Koch, Knaur
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