Tod eines Mathematikers
- Grafit
- Erschienen: Januar 2013
- 3
- Dortmund: Grafit, 2013, Seiten: 352, Originalsprache
Die typische Hamburger Schnöseligkeit
Alexandra Katzenstein hat sich bei einer Bremer Boulevardzeitung von der Praktikantin zur Polizeireporterin hochgearbeitet. Und das gegen den Willen ihrer Eltern, denn vor allem ihr Vater, ein für seine Wissenschaft lebender Mathe-Professor, ist mit der Diskalkulie seiner Tochter überhaupt nicht zurecht gekommen. Alexandras schlechtes Verhältnis zu ihrem Vater mündet sogar in dem spontanen Gedanken, ihn umzubringen. Doch dann wird der Professor kurz nach Neujahr tot in seinem Haus aufgefunden. Es soll sich um eine Kohlenmonoxid-Vergiftung handeln, der auch noch seine Haushälterin zum Opfer fällt. Die Polizei geht von Selbstmord aus. Aber das kann Alexandra absolut nicht glauben. Ihr Vater hätte niemals seine Angestellte gefährdet. Die erfahrene Reporterin wird misstrauisch, als sie erfährt, dass ihr Vater sein Vermögen einer Stiftung zur Förderung der Mathematik vererbt hat. Mit Hilfe ihres Kollegen Matze – später stößt noch der Streifen- Polizist Harry Tenge zum Team – stellt Alexandra eigene Recherchen an, und gerät schließlich selbst in höchste Gefahr.
Eine starke Frauen-Figur
Tod eines Mathematikers vom Autoren-Duo Kerstin Herrnkind und Walter K. Ludwig ist aus verschiedenen Gründen ein wirklich lesenswertes Buch. Zunächst ist mir die Protagonistin überaus sympathisch. Nicht nur weil sie eine Journalistin - also eine Kollegin - ist. Denn "Witwenschüttler" sind mir eher suspekt. Aber ihre Abneigung gegen die mathematischen Künste und den Fanatismus ihres Vaters machen sie zu für mich einer wirklich "Romanheldin". Und sie wehrt sich auch gegen die Fremdbestimmung durch ihre Familie, kämpft sich in den Beruf hinein, arbeitet sich gegen alle Widerstände von der Kaffee-kochenden Praktikantin zur angesehenen Spezialistin für Kriminalfälle hoch. Alexandra Katzenstein ist eine starke Frauen-Figur. Von den Autoren wird sie als knallharte Polizeireporterin beschrieben, die allerdings im Kern ihre seelischen Probleme hat. Diese Sorgen und Nöte werden dem Leser scheibchenweise offenbart, und auch das macht die Faszination der Geschichte aus.
Teilen kann ich auch die Abneigung von Alexandra und Matze gegen die arroganten und selbstverliebten Mitglieder des Stiftungsvorstandes in Hamburg. Da kommt nicht nur die Hochnäsigkeit der von sich und der eigenen Arbeit absolut überzeugten Wissenschaftler durch, sondern auch die typische Hamburger Schnöseligkeit. Eines der Grundthemen des Romans – die jeweilige persönliche Haltung zur Mathematik – wird in vielen Variationen dargeboten, und das trägt enorm zum Unterhaltungswert des Romans bei. Dabei ist das Werk keineswegs ein Anti-Mathe-Buch, aber die Auseinandersetzung mit dem Thema finde ich schon sehr gelungen.
Harter Alltag in den Printmedien
Getoppt wird das noch von der Beschreibung der aktuellen Medienlandschaft. Das ist angesichts der beruflichen Vita des Autoren-Duos nicht verwunderlich, aber keineswegs selbstverständlich. Hier wird nicht glorifiziert, sondern der harten Alltag in den Printmedien gezeigt. Das ist nicht nur für Journalisten und solche die es werden wollen spannend, sondern auch für den am Thema Medien interessierten Leser.
Bremen wird als eher wenig gemütlich oder gar beschaulich beschrieben. Das widerspricht meinen Erfahrungen mit der Bremer Provinzialität, aber sei den Autoren angesichts ihrer Herkunft verziehen. Es ist schon mutig, im betulichen Bremen so eine Mordserie anzusiedeln. Was allerdings absolut zutrifft, ist die Beschreibung des allgegenwärtigen Filzes, also der Verbindungen zwischen Wirtschaft, Politik und weiten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens.
Insgesamt ist Kerstin Herrnkind und Walter K. Ludwig ein gutes Buch gelungen. Sie haben interessante Figuren kreiert, schildern spannende Schicksale, und führen ihre Leser mit falschen Fährten so einige Male in die Irre. Die Auflösung des Falles hat dann auch noch richtige Verblüffung ausgelöst, und auf jeden Fall Lust auf weitere Geschichten mit dieser vortrefflichen Protagonistin gemacht. Wir werden also hoffentlich noch mehr über Alexandra Katzenstein lesen.
Kerstin Herrnkind, Grafit
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