Abbey Road Murder Song
- Jumbo
- Erschienen: Januar 2013
- 9
- Hamburg: Jumbo, 2013, Seiten: 4, Übersetzt: Jäger, Simon
Mr. Paul McCartney, weißt du wie ich leide?
Cry Baby Cry
Unweit der Abbey Road-Studios wird die Leiche einer jungen Frau gefunden. Nackt und notdürftig versteckt. Sergeant Breen ermittelt, teilweise gegen die Widerstände seiner Kollegen und Vorgesetzten, zuerst alleine, später mit Constable Helen Tozer, die sich als wahrer Beatles-Fan entpuppt. Wie das Opfer. So trägt sie entscheidend zur Mordermittlung bei, obwohl ihr, aufgrund des Geschlechts, noch mehr Probleme bereitet werden als ihrem gebeutelten Kollegen Breen.
Carry That Weight
Es dauert, bis das Duo der Lösung des Falls und sich selbst näherkommt. Doch als es dann endlich geschieht, gibt es weitere Opfer. Eines davon ist die Weltpolitik.
Mit dem ungleichen Paar Breen und Tozer hat Shaw auf Anhieb ungewöhnliche – weil eben kaum extravagante – Protagonisten geschaffen. Der zaudernde Sergeant Breen möchte es allen recht machen und moralisch integer bleiben, weswegen er permanent bei seinen Kollegen aneckt. Als Ire in London hat er bereits einen schweren Stand, der durch einen Akt der Feigheit und einen sensiblen Magen, nicht besser wird. Dass der Tod seines Vaters ihn aus der Bahn geworfen hat, interessiert weder Täter, Opfer noch seine Kollegen.
Wild Honey Pie
Die nassforsche Helen Tozer leidet darunter, dass sie eine Frau ist, deren Rolle sich in der englischen Polizei darauf beschränken sollte, Tee und Gebäck zu holen, eventuell noch den lästigen Schreibkram zu erledigen. Wenn es nach großen Teilen der männlichen Polizeibelegschaft geht jedenfalls. Dass Tozer in der Lage ist, einen Spermafleck auf einem, in der Nähe des Tatorts gefundenen, Kleidungsstück zu identifizieren, bringt ihr kein Lob ein (außer vom unbedarften Breen), sondern den Ruf ein schamloses Flittchen zu sein. Kein Wunder nimmt sie doch DIE Pille!
Dass diese Rollenverteilung in den ausgehenden Sechzigern keineswegs dem Ende zuging, zeigt u.a. die "Prime Suspect"-Reihe Lynda La Plantes, deren Hauptfigur Jane Tennison ab 1991 – immerhin als Vorgesetzte - mit ähnlichen Ressentiments zu kämpfen hat wie Helen Tozer.
Come Together
Während in der Außenwelt die Rock- und Popmusik ihren Siegeszug antritt, die freie Liebe propagiert wird, Veränderungen gravierender Art voranschreiten, hängt im (angeblich) staatserhaltenden Teil der Haussegen mächtig schief. Unverständnis für sich ändernde Lebensumstände, Korruption und Dienstvergehen, gerne getarnt als Korpsgeist, machen die Arbeit für redliche Beamte wie Breen und unorthodoxe Geister wie Helen Tozer zum Spießrutenlauf. Nahezu zwangsläufig, dass die beiden Fremdkörper aufeinander zustreben.
Everybody’s Got Something to Hide Except Me and My Monkey
Dieser Part des Romans ist William Shaw sehr gut gelungen. Der verzweifelte Kampf seiner beiden verletzten Hauptfiguren gegen die Betulichkeit des Konformismus und eingeschränkte Denkungsweisen, den jeder auf seine eigene Art führt, lässt eindrücklich auf weitere Folgen hoffen. Die Vergangenheit hält noch offene Fragen bereit, die intendierte Zukunft auch. Tozer und Breen haben vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten vor sich.
Das Spiel mit dem Zeitkolorit gehört nicht zu Shaws Stärken. Zwar gibt es ein paar wissenswerte Auslassungen über die Spätfolgen der Beatlesmania, und auch die Hintergründe zum Biafra-Konflikt sind so gewählt, dass das Interesse des Lesers erhalten bleibt. Doch Beides fast unabhängig von der erzählten Geschichte, bzw. den Geschichten.
The Ballad Of John And Yoko
1968 war das Jahr des "Weißen Albums", die Beatles kaum mehr als ein disparater Haufen Individualisten, die sich noch zwei Jahre gelegentlich ins Studio retteten, bevor die Fab Four endgültig auseinanderfielen. Vom gemeinsamen Geist, den noch die Filme Richard Lesters propagierten, war nichts mehr zu spüren. Hardcore-Fans blieben zwar erhalten, doch das Gros nutzte die Möglichkeit sich vielen anderen Bands zuzuwenden. Shaw betreibt zwar ein wenig Namedropping am Rande, doch weder das wilde Swinging London mit all seiner Vielfalt noch dessen Schattenseiten spielen eine großartige Rolle (Zum Vergleich bietet sich geradezu ein Blick auf Michelangelo Antonionis "Blow Up" an. In dem ebenfalls eine abgelegte Frauenleiche eine Rolle spielt. Ermittler ist allerdings und konsequent ein Fotograf; Polizisten kommen bestenfalls als Streikbrecher vor. Und die Yardbirds ersetzen, als eine Band von vielen Möglichen, die Beatles),
Ob-La-Di, Ob-La-Da
Der Mordfall selbst könnte zu jeder anderen Zeit spielen, und die Beziehung zum Völkermord im Herzen Afrikas wird erst sehr spät und ziemlich willkürlich gezogen. Das ist keineswegs uninteressant, wirkt aber aufgesetzt. Die Plausibilität wird strapaziert, glücklicherweise nicht ganz gebrochen. Was zum Großteil daran liegt, dass William Shaw in der Lage ist, eindrucksvolle und weitgehend nachvollziehbare Figuren zu entwerfen.
Happiness Is A Warm Gun
So bleiben die Einflüsse der Zeitgeschichte recht aseptisch, während die individuellen Geschichten den Roman zu einem lesenswerten Debüt machen.
William Shaw, Jumbo
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