Das Monster
- Ars vivendi
- Erschienen: Januar 2013
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- Cadolzburg: Ars vivendi, 2013, Seiten: 100, Originalsprache
Eine durchaus ansehnliche Zwischenmahlzeit
Unter dem Format des „Krimisnacks" aus dem ars vivendi Verlag präsentiert nun auch Lucie Flebbe ein kurzes Appetithäppchen – nämlich eine kleine, handliche Lektüre – dessen Handlung weit über den einer Kurzgeschichte hinaus geht, sich aber auch nicht die Zeit eines Romans nimmt, um eine komplexe Geschichte aufzurollen. Für Krimi-Autoren die spannende Herausforderung auch in einer kurzen Geschichte und auf einer kurzen Bandbreite eine fesselnde Atmosphäre aufzubauen und aufzulösen.
Um es vorweg zu nehmen – und den Spannungsbogen hier schon einmal zu zerstören – dieser Anspruch ist Lucie Flebbe gelungen. Auf knapp 116 kurzen Seiten erzählt sie die Geschichte um Tessa Schwarz, die aus dem Erziehungsurlaub in den Polizeidienst zurückkehrt und sich in ihren Erwartungen enttäuscht sieht. Die einstige Nachwuchshoffnung bekommt nun nicht mehr wie früher die spannenden und anspruchsvollen Fälle zugewiesen, sondern muss nun mit alternden und unfähigen Kollegen, die Anzeigen um Anzeigen aus dem Umfeld der „häuslichen Gewalt" beackern. Als wenn die berufliche Unzufriedenheit nicht allein ausreichen würde, um Tessas Leben zu vergiften, muss sie auch in ihrem Privatleben feststellen, dass das was sich vormals als goldglänzend präsentierte durchaus seine schwarzen Seiten hat und zu allem Überfluss wirft die Vergangenheit schwarze Schatten in Tessas ohnehin angeschlagene Psyche. Helfen könnte bei dieser ganzen Verstrickung nur ein beruflicher Erfolg und so stürzt sich die Beamtin mit Wucht auf einen ihrer Ermittlungsfälle und tritt so eine Lawine los, die auch ihr eigenes Leben für immer verändert.
Vielen Lesern ist die Autorin Lucie Flebbe bereits aus den Krimis um die eigenwillige Lila Ziegler (Hämatom, Fliege machen, Das fünfte Foto u.a) bestens bekannt. Auch hier war ihre Protagonistin eine junge Frau, die an den Schatten aus ihrer Vergangenheit und an einem nur vordergründig liebevollen Elternhaus zu scheitern drohte. Was aber Lila Ziegler von der jetzigen Heldin Tessa Schwarz unterscheidet ist ihr Können und Wollen sich der eigenen Geschichte zu stellen bzw. dazu schon eine abgeklärte Haltung entwickelt zu haben.
Diese wichtigen Faktoren fehlen dagegen im Leben der hier geschilderten Kriminalbeamtin. Durch den alltäglichen persönlichen Druck und private Konflikte wird ihre Entwicklung zwar nur schrittweise aber konstant in eine Erkrankung gedrückt, die nur noch Katastrophen nach sich ziehen kann. Dieser Weg wird von der Autorin spannend und regelrecht bedrückend geschildert, wenn auch die Ausweichmanöver von Familienmitgliedern auf Fragen der Heldin hin teilweise als nicht nachvollziehbar bewertet werden und in erster Linie dem Aufbau der Handlung geschuldet sein dürften. Tatsächlich überraschen dürfte damit nur der Ausgang des Nebenschauplatzes im beruflichen Umfeld der Ich-Erzählerin sein. Hier hätte man sich dann doch etwas mehr Raum gewünscht, um eine glaubhafte Krise zu entwickeln und darzustellen. Der persönliche Showdown von Tessa Schwarz wird durch Lucie Flebbe jedoch so überzeugend vorbereitet, dass dieses Ende als unausweichlich empfunden wird. Dennoch muss auch hier die Frage gestattet sein, ob es nachvollziehbar ist, dass eine grundsätzlich fest im Leben stehende Frau das Phänomen von Wahnvorstellungen tatsächlich ohne jede medizinische Konsultation hinnehmen würde.
Als Manko muss auch festgehalten werden, dass es immer störend ist, wenn Krimihandlungen auf falschen Informationen aufgebaut werden. Der Großteil der Bevölkerung mag sich zwar nicht mit dem deutschen Kindschaftsrecht auskennen, diejenigen, die es aber dennoch tun, werden sich mit Sicherheit daran stören, dass die Ursachen wichtiger Stressoren – nämlich die Namensgebung und das Sorgerecht für ein nichteheliches Kind – so wie von Flebbe geschildert – in dieser Form schon lange nicht mehr existieren.
Diese kleinen Ungereimtheiten sowie der Umstand, dass die Kürze des Formats vermutlich nicht eine vollkommen stringente Fassung eines Krimis zulässt, trüben dennoch nicht das mehr als spannende Gesamtereignis dieses Krimi-Snacks. Dennoch hat dieser Snack damit nicht die volle Drei-Sterne-Wertung erreicht. Aber ein Snack kann sich mit 85° ja auch durchaus sehen lassen.
Lucie Flebbe, Ars vivendi
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