Die falsche Spur

  • Pendragon
  • Erschienen: Januar 2013
  • 2
  • Bielefeld: Pendragon, 2013, Seiten: 320, Originalsprache
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Jochen König
76°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2013

Vergangen, aber nicht vorbei

In einem früheren Stadium stand für Stefanie Vierecks Roman der Titel "Oliver" zur Disposition. Leider wenig Kriminalroman affin und zudem an das, auf Charles Dickens´ "Oliver Twist" basierende, Musical "Oliver!" erinnernd, wäre die schlichte Namensgebung dem endgültig gewählten Die falsche Spur überlegen. Denn Oliver beherrscht die Handlung, ist Antrieb, Motor und schicksalhafter Geist im Leben der Journalistin Lena Vogel, auch wenn er realiter nur eine kurze, aber prägende Zeitspanne in ihrer Erinnerung darstellt.

Selbst das wird Lena Vogel erst klar, als sie in einer heruntergekommenen Pension den Ziehvater Oliver Schmidts und dessen verschrobene Halbschwester Adele Jahrzehnte nach Olivers Verschwinden wiedertrifft. Sie begibt sich auf die Suche nach Olivers Verbleib und den missing links in ihrer Erinnerung, vor allem an die Begebenheiten jener Sommerwochen, die sie mit Oliver verlebte und an deren Ende sich Olivers Spur sowie die seiner Zieheltern verliert und Lena schwer (psychisch?) erkrankt.

Es ist ein zögerlicher, indifferenter und erst später hartnäckiger und zielgerichteter Marsch, den die Journalistin in die eigene Vergangenheit antritt. Stefanie Viereck gelingt es, die Verunsicherung ihrer Protagonistin auf den Leser zu übertragen, verursacht durch Verdrängung, Verschweigen und sanfte Lügen. Fast beiläufig entwirft die Autorin das stille Grauen einer von Konformismus, strebsamer Scheinredlichkeit und Unverständnis gegenüber Ausnahmesituationen geprägten Gesellschaft.

Sie entwickelt ihre Geschichte konsequent, bar jeder Hektik, allerdings auch ohne großartige Überraschungen. Das Ende steckt bereits im Anfang, und auch wenn Lena Vogel sich gelegentlich verläuft, kann sie den klärenden Enthüllungen gar nicht entkommen, dafür sorgt schon ihre Schöpferin. Doch mag das Erwartete eintreten, so bleiben die eigenen Entscheidungen und Empfindungen das Unerwartete, jenes Moment des Mysteriösen, das den ganzen Roman begleitet, ohne dass er je eine mystische oder gar esoterische Ebene entwirft und betritt. Viereck entwickelt ihre Erzählung auf angenehm unspektakuläre Weise. Gewalt ist zwar präsent, findet aber bestenfalls latent im Hintergrund statt, Blut fließt kaum, prägender ist die Sehnsucht nach einem auf gegenseitigem Respekt ruhenden Zusammenleben. Birst nicht gerade über vor dramaturgischer Wucht und hoher Spannung, ist in seiner Reduktion und Alltagsnähe, dennoch ein so hinterlistig unscheinbares wie mutiges Buch. Verweigert es sich doch vehement dem Trend, sich in grellen Sensatiönchen stetig selbst übertreffen zu müssen, um der oberflächlichen Faszination des profanen Bösen zu huldigen.

Die falsche Spur

Stefanie Viereck, Pendragon

Die falsche Spur

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