Mords-Nachlass
- éditions trèves
- Erschienen: Januar 2013
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- Trier: éditions trèves, 2013, Seiten: 208, Originalsprache
Trotz Mord und Totschlag: Es kriselt im Blätterwald
Robert Garcia ist Lokalredakteur des Münchener Boulevardblatts HOT. Die Möglichkeit als ernsthafter Journalist Karriere zu machen, ist im langjährigen Suff verschütt gegangen. Halbwegs trocken vergeudet er sein Talent bei einer halbseidenen Illustrierten, hält sich an seine Kollegen vom alten Schlag und liefert sich verbale Plänkeleien mit der begabten und attraktiven jüngeren Kollegin Pia.
Garcia berichtet auf lokaler Ebene über Blindgänger aus dem zweiten Weltkrieg, kleine und größere Verbrechen und alles, was sich als halbwegs spektakulär entpuppen könnte. Nachdem die letzte Bombe ohne Probleme entschärft wurde, heftet er sich mangels Alternativen an die Fersen zweier Ausbrecher, von denen einer längere Zeit in München heimisch war, und zumindest eine Minimalchance existiert, dass er sich auf dem Weg zurück in die bajuwarische Metropole befindet.
Gleichzeitig beschäftigt sich Garcia, erst widerwillig, dann immer interessierter, mit einem zwei Jahre zurückliegenden Doppelmord, der nicht aufgeklärt wurde. Dank seiner Hartnäckigkeit, seinem aus engagierteren Zeiten beibehaltenem, tiefer gehenden Interesse und seiner guten Polizeikontakte bleibt Garcia bis zum bitteren Ende involviert.
Mords-Nachlass, mit dem Untertitel Garcias zweiter Fall versehen, ist immer dann gut, wenn Peter Wark die journalistische Arbeit seines Protagonisten beschreibt, ihn über all die Irrungen, Wirrungen und Veränderungen im Journalismus räsonieren lässt, desillusioniert und betrübt, immer um die eigenen Schattenseiten wissend. Gleichzeitig ist Garcia mit einem letzten Derivat Idealismus infiziert und leidet an berufsbedingter Neugier, die zu beharrlichem Forschen führt, abgemildert durch ein – gut verstecktes – mitfühlendes Wesen. Hier merkt man Wark an, dass er weiß, wovon er schreibt und spürt die Wut darüber, Zeitungsjournalismus jenem Schicksal entgegentaumeln zu sehen, das die anderen Medien ebenfalls durchleben oder bereits hinter sich haben: Zu einem reinen Geschäftszweig zu werden, der von gesichts- und charakterlosen Optimierern geprägt ist, die vom Fach keine Ahnung haben, dafür vom Blenden umso mehr. Hauptsache, die mögliche Gewinnmaximierung wird als mögliches Versprechen (ohne Anspruch auf Gewähr) mit jeder hohlen Geste und Phrase vermittelt.
Das schildert Wark anschaulich und von Galgenhumor durchzogen, lässt auf erfreulich lakonische Art kaum Zweifel daran, dass die Grundlagen von Garcias Berichterstattung eher banale Langeweiler sind. Bloß verlässt sich Wark nicht darauf und baut aus diesen Alltäglichkeiten einen Fall (oder gar mehrere Fälle) auf, sondern kreiert ein kleines Gaunersymposium, garniert mit vergangenen, äußerst brutalen Vorgehensweisen. Garcia recherchiert, nicht immer besonders klug und konsequent, bringt ein paar Sachverhalte ans Licht, die seiner und unserer Erkenntnis dienen (vieles ahnt man bereits, bevor Garcia selbst es herausfindet), aber beide Begebenheiten in Garcias Augenmerk (Gefängnisausbruch, Doppelmord) regeln sich fast von selbst, der Journalist bleibt berichterstattender Zeuge, der nur selten investigativ oder gar deduktiv in die Handlung eingreift. Dem relativ realitätsnahen Geschehen folgt man gerne und interessiert, ohne in Gefahr zu geraten vor atemloser Spannung das Luftholen zu vergessen.
Leider schwächelt der Roman an anderer Stelle. Dass Robert Garcia kein durchweg sympathischer Zeitgenosse ist, schlägt positiv zu Buche, erdet es die Figur ganz pragmatisch und verhindert so die Verklärung des aufrechten Journalisten. Doch Wark übertreibt mit der Wehleidigkeit Garcias und seinem Hadern mit dem Altern. Anstatt seinen Lesern die Schlussfolgerungen über Garcias Wesen zu überlassen, darf dieser lamentieren und jammern, über graue Haare, verpasste Gelegenheiten, Falten und die Schande, dass die jungen, attraktiven weiblichen Wesen um ihn herum, sich kaum noch für das bedauernswerte Schlachtross interessieren. Zu viel, zu oft und nicht besonders witzig.
Gleiches gilt für die immer ähnlich ablaufenden verbalen Schlagabtäusche zwischen Robert und seiner jüngeren Kollegin Pia, die weit von Screwball-Qualität entfernt sind. Immerhin wird Pia nicht als biestige, unfähige Standard-Schnepfe diskriminiert, sondern wird als durchaus kompetent, mitfühlend und lernfähig etabliertt. Dass Wark seine Personenzeichnungen eigentlich beherrscht, und in der Lage ist, tiefergehende Gefühlsregungen darzustellen und zu erzeugen, zeigt der Nebenstrang um Garcias geschätzten und sterbenskranken Kollegen. Hier genügen wenige Worte und beiläufige Betrachtungen, um sowohl Garcias egozentrierte Weltsicht zu entlarven wie ihn gleichzeitig als mitfühlenden Freund trauern zu lassen.
So bleibt ein lesenswerter, unterhaltsamer Roman, der etwas mitzuteilen hat, dessen gefühliges Mitteilungsbedürfnis aber passagenweise aus dem Ruder läuft. Dann hilft nur schnelles Weiterblättern…
PS.: Garcia, wie sollte es anders sein, als ausgesprochener Fan weiß es besser, und auch sein Schöpfer und der Lektor machen bis kurz vor Schluss alles richtig. Doch dann passiert, was (gerade in Krimis gerne? - und nicht zum ersten Mal) passieren muss: Die Band heißt auf einmal "Greatful Dead". Das hat natürlich was und liest sich gut, ist aber trotzdem falsch …
Peter Wark, éditions trèves
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