Lange Sprechstunde
- Leykam
- Erschienen: Januar 2013
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- Graz: Leykam, 2013, Seiten: 412, Originalsprache
Anonymer Fehlgriff
Ich kenne Autoren, die unter einem Pseudonym Bücher schreiben, weil man ihre Ausflüge in andere Literaturgenres nicht unbedingt an die große Glocke hängen will. Wenn etwa eine bekannte Autorin von Jugendbüchern in ihren heißen Nächten hemmungslose Lust zu Papier bringt, dann macht sich das im nächsten Bücherkatalog sicherlich nicht so gut.
Wenn dann eine ältere Dame sich literarisch in die Gänge einer Grazer Schule begibt und dort einen fiesen Professor am Ende der Treppe mit einem Genickbruch liegen hat, dann fragt man sich doch unweigerlich, was daran so schlimm sein könnte, dass man seinen Namen verbergen muss. Oder ist dieses Spielchen nur ein Werbetrick des Leykam Buchverlags, um einen kaum verkaufbaren Regio-Krimi überregional mit ein wenig Geheimniskrämerei zu vermarkten?
Tatsache ist, dass nichts an dieser Geschichte so schlimm wäre, dass man (als Grazer) deswegen nicht erraten könnte, wo sich die Opfer und Mörder näher gekommen sind. Diese verhassten Mitglieder des Lehrkörpers gab es auch schon zu meiner Schulzeit und sie quälten die Schutzbefohlenen mehrerer Generationen bis aufs Blut und der Gedanken, so ein Ekel mal kurz mit einem kräftigen Schubs ins Jenseits zu befördern, ist überhaupt nicht abwegig.
Die Herren von der Mordkommission sind auch in Graz keine Kommissare. Eine kurze Rückfrage bei dem vom Gymnasium nicht weit entfernten Polizeipräsidium hätte solche kleinen, störenden Details sicherlich beheben lassen, wenn schon das Lektorat sich dabei nicht auskennt.
Die (thematisch wichtigen) Ausflüge auf die Südsteirische Weinstraße sind zwar touristisch sicher gut auszuschlachten, dass aber zumindest einer der Ermittler dort stets mit einem Vollrausch abzuholen ist, gibt der Story etwas Lächerliches.
Die Arbeit von Suppan und Macher hat ohnehin nichts Spannendes an sich. Das wäre nicht so schlimm, weil echte Polizeiarbeit selten von Action und Blutbad lebt, aber zumindest einen leicht erhabenen Spannungsbogen sollte man in einem Krimi schon finden. So harmlos, wie Frau Anonymus die Mär abwickelt, könnte sogar das Lesebuch eines Gymnasiasten damit bestückt sein. Dass das Konstrukt einer imaginären Verbindung zwischen steirischer Kirche, steirischem Weinbau und südamerikanisch-schweizerischen Spendenaktionen reichlich an den Haaren herbeigezogen wurde, kann aber die Trivialität dieses Elaborates auch nicht mehr retten.
Der einzige einsichtige Grund, warum jemand für diese 412 Seiten Lange Sprechstunde die Angabe seines Namens verweigert, ist wohl die Tatsache, dass die Autorin nicht mit voller Überzeugung hinter ihrem eigenen Schriftstück steht.
Anonymus, Leykam
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