Alle müssen sterben

  • Selbstverlag
  • Erschienen: Januar 2013
  • 2
  • --: Selbstverlag, 2013, Seiten: 384, Originalsprache
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Lars Schafft
45°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2013

Überdreht bis überzogen

Alle müssen sterben ist bereits der dritte Thriller um den Linzer Chefinspektor Tony Braun, der erste Töten ist ganz einfach und der zweite Freunde müssen töten gehörten zu den erfolgreichsten Top-20-E-Book-Krimi/Thrillern 2012 bei Amazon. Was ist dran an dieser Serie, die sich als reines E-Book so munter verkauft? Potenzial. Doch auch leider ärgerliche Mängel.

An schockierenden Szenen mangelt es dem Roman hingegen ganz bestimmt nicht. Da wird ein junger Mann an den Mast einer Yacht gebunden und nächtens bei lebendigem Leib verbrannt. Der Mörder hat schnell den Namen "Flammenkiller" weg, gleichwohl bleibt er ein reines Phantom.

Den Fall übernimmt Kommissar Tony Braun aus dem benachbarten Linz. Seine Vorgesetzte, Elena Kafka, hat privates Interesse an einem effizienten wie stillen Vorgehen, weswegen Braun im kleinen Team arbeitet. Zur Seite stehen ihm lediglich Kollege Gruber, Gerichtsmediziner Berger und die junge Polizistin Chiara xxx. Und die Ermittlungen gestalten sich äußerst knifflig: Ein "Waldmädchen" hetzt ihren Wolf auf Braun, sein Auto wird von einem gestörten Sprayer mit einem Graf­fi­to verunziert - zu allem Überfluss stellt es den Mord dar - und dubiose Geschäftsmänner betreiben Modefabriken am äußersten Rande der Legalität in Moldawien.

Das Autorenpaar B.C. Schiller erzählt dies alles in winzigen Kapiteln, die selten aufeinander aufbauen. Sie springen wild in Handlungssträngen und Erzählperspektiven. Mit dem Effekt, dass der Leser am Ball bleibt, um endlich herauszufinden, wo der Rote Faden verläuft. Leider wird dies auch nach der Hälfte des Romans kaum klar.

Dazu ist Alle müssen sterben auch noch recht plakativ erzählt. Wer sich nicht vorstellen mag, was passiert, wenn ein Mensch verbrennt, sollte zu anderer Lektüre greifen. Denn diesen Vorgang schildern die Autoren ebenso minutiös und en detail wie einen Vorfall in Osteuropa, wo ein ehemaliger Stadtrat im Wodka-Suff wie wild auf Straßenhunde schießt. Äußerst unappetitlich.

 

"Der brennende Mann am Mast rührte sich nicht vom Fleck, sondern bewegte nur den Kopf, während Flammen mit stummer Beharrlichkeit seinen Körper entlang nach oben kletterten und ihn mit ihren Feuerzungen leckten, bis die Haut Blasen warf, die zerplatzten, und das darunterliegende Fleisch verschmort wurde."

 

Auch bei der Figurenzeichnung bleibt hängen: überdreht bis überzogen. Tony Braun verbringt seine Freizeit am liebsten mit Dosenbier, nächtlichen "Long-Distance-Calls" und Joggingtouren um drei Uhr morgens (natürlich betrunken). Dazu beherbergt er seinen 14-jährigen Sohn, den er so wenig unter Kontrolle hat, dass er ihn sogar für einen Einbrecher hält. Kollege Gruber hat seine Mitbewohnerin deutlich besser im Griff: Die Prostituierte Lenka hält er in einem kleinen Zimmer gefangen, um sie clean zu kriegen. Polizeipräsidentin Elena Kafka kämpft hingegen mit einem Trauma aus ihrer Zeit bei der Polizei in New York.

Dieses Zuviel von allem können die Autoren auch sprachlich nicht relativieren. Selbst Schimanski würde sich schämen, so oft wird von Scheiße geschrieben. Zwar könnte man meinen, Text und Inhalt korrespondieren im Sinne von Härte, wofür schließlich aber Konsequenz und Stringenz fehlen. Sätze wie "Tony Braun war total mies drauf" und hölzerne Dialoge erinnern eher an Aufsatz denn an Kriminalroman. Namen der Figuren wie Zoran Zorn, Bruno Berger oder Polina Porzikova sind in dieser Anhäufung unfreiwillig komisch.

 

"Meine Mission ist es, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen und einen Mord zu sühnen, indem der Täter bestraft wird."

 

Das lassen B.C. Schiller ihren Protagonisten tatsächlich im Dialog mit seiner Chefin so sagen...

Unterm Strich: ein durchaus interessanter Plot, spannend erzählt mit Figuren, die man ausarbeiten kann. In der Form von Alle müssen sterben aber auch muss. Als ernstzunehmender Thriller kann der Roman leider nicht überzeugen - B.C. Schiller haben noch einige Baustellen vor sich.

Alle müssen sterben

B.C. Schiller, Selbstverlag

Alle müssen sterben

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