Täuscher

  • Hoffmann & Campe
  • Erschienen: Januar 2013
  • 3
  • Hamburg: Hoffmann & Campe, 2013, Seiten: 240, Originalsprache
Wertung wird geladen
Jörg Kijanski
60°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2013

Gekonnt verschachtelt, aber nur bedingt spannend

Landshut, 1922: Bertha Beer hat sich bei Clara Ganslmeier eine kleine Kammer gemietet, doch als Bertha mit ihrer Schwester noch ein weiteres Gespräch mit Clara führen will, öffnet niemand die Tür. Nach drei Tagen suchen die Schwestern die Polizei auf, welche auf einen spektakulären Doppelmord stößt. Clara Ganslmeier wurde erstochen, ihre pflegebedürftige Mutter erstickt. Zudem wurde wertvoller Schmuck entwendet. Tatverdächtig wird sehr schnell Hubert Täuscher, der seit längerer Zeit ein Verhältnis mit Clara hatte und gemeinsam mit einem Bekannten zur Tatzeit in der Nähe von Claras Wohnung gesehen wurde. Zahlreiche Zeugen melden sich bei der Polizei, die sich recht bald ein klares Bild von Täuscher machen kann. Alles spricht gegen ihn und seinen vermeintlichen Komplizen, doch vor Gericht bestreitet er vehement, den Mord verübt zu haben …

Ein "langer" Roman mit einigen Längen

Mit ihrem Debüt Tannöd sorgte Andrea Maria Schenkel 2006 für Furore und gewann auf Anhieb den Deutschen Krimipreis sowie weitere Auszeichnungen. Mit Täuscher greift sie nun einen Fall auf, bei dem Mutter und Tochter ermordet werden. Mit dem Sohn eines angesehenen Bürstenfabrikanten scheint der Mörder schnell gefunden, aber dieser bestreitet die Tat. Selbst für die ermittelnden Polizisten kommt es überraschend schnell zu einem Prozess vor dem Landshuter Volksgericht, doch für den Staatsanwalt ist die Sache klar. Zumal der beschuldigte Täuscher kaum etwas unternimmt, um seine Unschuld zu beweisen. Es werde sich am Ende schon alles richtig darstellen.

 

"Sie war noch am Leben!"
"Hören Sie mir doch auf, jeder der Anwesenden hier im Saal, der auch nur einen Funken Verstand besitzt, erkennt doch sofort: Sie haben die beiden wehrlosen Frauen umgebracht. Gestehen Sie doch endlich."
"Herr Kollege, mit Verlaub, noch ist nichts bewiesen, und so lange ist mein Mandant unschuldig."

 

Täuscher ist mit seinen knapp 240 Seiten für die Autorin ein recht langer Roman, in dem Tathergang, polizeiliche Ermittlungen und der Prozess abwechselnd vorstellt werden. So springt die Handlung dann auch immer wieder zwischen den Tagen vor dem Mord, den Tagen nach dem Mord und dem wenige Monate später beginnenden Prozess hin und her, da nicht chronologisch erzählt wird. Dies ist zunächst gewöhnungsbedürftig, wobei der eigentliche Erzählstil der Autorin aus den Vorgängern bekannt sein dürfte. Mitunter "minutiös" berichtet sie, was einzelne Figuren getan haben (wenngleich hier oft banale Dinge erzählt werden) und so erschließt sich langsam aber sicher, wie die Dinge zusammen hängen.

 

"Das ist mir alles zu einfach. Der Täuscher geht hin, bringt die beiden Frauen um und nimmt den ganzen Schmuck mit. Das alles macht er so offensichtlich, dass wirklich keiner in der ganzen Stadt daran zweifelt, dass er der Täter ist. Ganz so, als würde er ein großes Schild vor sich hertragen, wo draufsteht: "Ich war's." Der hätte doch wissen müssen, dass er der Erste ist, der in Verdacht kommt. Selbst wenn er ein Spinner ist, so dumm kann doch keiner sein, oder?"

 

Interessant verschachtelt ist die Geschichte auf jeden Fall, spannend ist sie aber nur bedingt. Zu oft werden gleiche Dinge aus verschiedenen Perspektiven erzählt (sprich wiederholt) und so richtig voran geht es eher selten. Schade, da lesen sich die vergleichbaren Romane eines Robert Hültner doch schon ganz anders.

Immerhin ein bemerkenswertes Psychogramm

Mehr und mehr wird im Verlauf der Story erkennbar, welch´ tragische Figur der Protagonist ist. Dieser stürzte sich als  junger Mann begeistert in den Ersten Weltkrieg, aus dem er verletzt und verstört zurückkehrte. Mit dem "echten Leben" hatte er so seine Mühe, denn die Arbeit in der väterlichen Fabrik entsprach nicht seinen Lebensvorstellungen und mit dem Vater verstand er sich auch nicht besonders. Täuscher versucht daher in eine eigene Welt abzutauchen und so besucht er häufig das neue Lichtspielhaus. Immerhin entsteht ein lesenswertes Psychogramm und – leider nur bedingt – ein Einblick in die damalige Zeit.

Täuscher

Andrea Maria Schenkel, Hoffmann & Campe

Täuscher

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Täuscher«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Dr. Drewnioks
mörderische Schattenseiten

Krimi-Couch Redakteur Dr. Michael Drewniok öffnet sein privates Bücherarchiv, das mittlerweile 11.000 Bände umfasst. Kommen Sie mit auf eine spannende und amüsante kleine Zeitreise, die mit viel nostalgischem Charme, skurrilen und amüsanten Anekdoten aufwartet. Willkommen bei „Dr. Drewnioks mörderische Schattenseiten“.

mehr erfahren