Und nachts die Angst

  • audio media
  • Erschienen: Januar 2013
  • 4
  • München: audio media, 2013, Seiten: 6, Übersetzt: Nicole Engeln, Bemerkung: gekürzt
Und nachts die Angst
Und nachts die Angst
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Andreas Kurth
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2013

Das Böse sitzt im eigenen Lager

Seit sechs Jahren ist Reeve LeClaire in San Francisco nun schon in psychiatrischer Behandlung. Die 22-Jährige wurde zehn Jahre zuvor entführt. Ein sadistischer Vergewaltiger hielt sie vier Jahre unter unvorstellbaren Bedingungen gefangen, und sie entkam ihm nur durch einen glücklichen Zufall. Der Mann sitzt im Gefängnis, aber Reeve hat immer noch Angst und ist überaus menschenscheu. In Jefferson City wird die ebenfalls entführte 13-jährige Tilly Cavanaugh durch einen Zufall in einem Keller gefunden und befreit. Dr. Lerner, der auch Reeves Therapeut ist, soll auch diesem völlig traumatisierten Mädchen helfen. Tillys Eltern wollen aber, dass ihre Tochter auch mit einem anderen Entführungsopfer redet, um auch die Reputation von Lerner zu überprüfen. Der vermeintliche Entführer von Tilly wird auf dem Weg zum Gericht erschossen, der Fall ist scheinbar gelöst. Als es einen weiteren Mord gibt, keim bei Reeve die Überzeugung, dass Tillys Entführer kein Einzeltäter gewesen sein kann. Auf eigene Faust startet sie trotz ihrer Ängste eigene Ermittlungen – und gerät prompt in große Gefahr.

In ihrem ersten Thriller finden Carla Norton eine beeindruckende Balance zwischen Action und psychologischen Spannungsmomenten. Es geht hier um die Situation der Entführungsopfer, ihre tiefgreifende Traumatisierung. Und um die Verarbeitung dieser psychischen Schäden im Kreise der ebenfalls verstörten Familienmitglieder. Aber es geht auch um die raffinierten Methoden des Entführers von Tilly, den der Leser fast von Beginn an begleitet, ohne ihn allerdings mit seinem echten Namen zu kennen.

Eindrucksvoll ist Reeves Fahrt nach Jefferson, für die sie einige Ängste überwinden muss. Die Autorin hat hier eine interessante Figur geschaffen. Die junge Frau hat selbst mehr als genug Probleme, mit denen sie noch nachhaltig zu kämpfen hat. Und dennoch kümmert sie sich intensiv um die kleine Tilly, für die sie schnell zur guten Freundin wird. Reeve gerät in einen schweren Gewissenkonflikt, den der Leser hautnah miterlebt, als ihr Tilly einige Einzelheiten ihrer Entführung berichtet, die sie der Polizei verschwiegen hat. Der innere Kampf, den Reeve daraufhin auszufechten hat, wird bewegend geschildert. Sie hat Tilly versprochen, das Geheimnis für sich zu behalten, und so sieht Reeve schließlich keinen anderen Ausweg, als selbst zu ermitteln. Sie muss dabei ständig innere Kämpfe mit sich selbst ausfechten, und der Leser ist hautnah dabei. Carla Norton gewährt dem Leser hier beeindruckende Einblicke in die gequälte Psyche des Mädchens.

Der perfide Drahtzieher der Entführungsfälle und mehrfache Mörder wird frühzeitig enthüllt. Anders als bei vielen Autoren derzeit in Mode gibt es jedoch keine Ich-Perspektive des Killers, sondern es wird nur ein zweiter Erzählstrang geschaffen. Dadurch ist der Leser ständig besser informiert als die Protagonisten des Romans. Die Autorin versteht es hervorragend, durch diese Perspektivwechsel die Handlung enorm zu dynamisieren, die Spannung lässt nicht nach, wird im Gegenteil noch ständig gesteigert. Der Entführer und Mörder ist überaus clever, aber er wird keineswegs sympathisch dargestellt, sondern als eiskalte, brutale und skrupellose Persönlichkeit.

Die Schicksale der entführten Mädchen und die Morde des Ober-Schurken sind nichts für zartbesaitete Gemüter, auch wenn Carla Norton allzu blutrünstige Details auslässt. Insgesamt bleibt sie in ihrem Erzählstil eher sachlich, psychologische Aspekte sind ihr offenbar wichtiger als die harte und ungeschminkte Action. Und nachts die Angst ist ein gut erzählter Roman, mit verhalten beginnender Spannungskurve, die jedoch später rasant ansteigt. Plot, Erzählstil und Figuren machen das Buch in meinen Augen lesenswert – und man ist gespannt auf weitere Werke, die diesem beachtenswerten Debüt folgen werden.

Und nachts die Angst

Carla Norton, audio media

Und nachts die Angst

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