Seelen im Eis

  • Argon
  • Erschienen: Januar 2013
  • 6
  • Reykjavík: Veröld, 2012, Titel: 'Kuldi', Seiten: 296, Originalsprache
  • Berlin: Argon, 2013, Seiten: 6, Übersetzt: Irina Wrona
Seelen im Eis
Seelen im Eis
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Jörg Kijanski
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2013

Großartige Cliffhanger, aber arg konstruiert

Ódinn soll die Arbeit seiner verstorbenen Kollegin Roberta fortsetzen und die Frage klären, ob die in den 1970er Jahren im Erziehungsheim Krókur untergebrachten Jungen durch schlechte Behandlung bleibende Schäden davon getragen haben und somit ein Anrecht auf Entschädigung haben. Damals starben zwei Jugendliche in der Erziehungsanstalt bei einem Unfall. So steht es zumindest in den offiziellen Berichten, doch Ódinn findet schnell heraus, dass die Unterlagen seiner Kollegin nicht vollständig sind. Je tiefer er in die über 35 Jahre zurückliegenden Ereignisse in Krókur einsteigt desto mehr beschleicht ihn der Verdacht, dass es damals alles andere als mit rechten Dingen zuging.

Seit dem Unfalltod seiner von ihm getrennt lebenden Frau Lara muss sich Ódinn zudem um seine elfjährige Tochter Rún kümmern, die sehr unter dem Tod ihrer Mutter leidet. Beide haben mit Angstzuständen, Alpträumen und Sinnestäuschungen zu kämpfen und so ist die Beschäftigung mit den damaligen Ereignissen alles andere als geeignet für Ódinn. Hat bei dem Tod der Jugendlichen damals jemand nachgeholfen? Starb Lara wirklich einen Unfalltod? Und was wurde aus dem frisch geborenen Säugling der damaligen Heimleiter, dass nie wieder gesehen wurde?

 

"Es konnte jedenfalls nicht mehr getauft werden, und diese Superchristen brachten es deshalb nicht über sich, es anständig zu beerdigen, auf einem Friedhof, oder es zu einer anderen Leiche in den Sarg zu legen. Sie haben es einfach irgendwo verbuddelt. Sie glauben mir nicht, aber so war es wirklich. Und zwei Jungen mussten die Konsequenzen tragen."
"Moment mal, inwiefern?"
"Sie starben. Zwei. Dachten Sie vielleicht, das wäre ein Unfall gewesen?"

 

Seelen im Eis ist ein weiterer Stand-Alone-Thriller der isländischen Bestsellerautorin, der folglich ohne die Serienfigur Rechtsanwältin Dora auskommen muss. Der Roman teilt sich in zwei Erzählstränge. Ódinn versucht in der Gegenwart herauszufinden, was sich damals in dem Erziehungsheim ereignet hat und gleichzeitig mit dem Unfalltod seiner Frau zu kämpfen. Er sieht und hört Dinge, die seiner Fantasie entspringen, fühlt sich mitunter verfolgt und leidet unter den seelischen Störungen seiner Tochter, die er in seiner Not zu einer Psychotherapeutin schickt.

Parallel dazu erleben wir das Leben der jungen Aldis, die als "Mädchen für alles" vornehmlich die Hausarbeiten in Krókur zu erledigen hat und zunehmend unter den tyrannischen Ehepaar, welche s das Heim leitet, verzweifelt. Auch Aldis hat reichlich Probleme mit sich herum zu schleppen, denn sie verließ die Wohnung ihrer Mutter, da sie mit dessen neuen Lebensgefährten nicht klar kam. Jetzt stellt sie mehr und mehr fest, dass die Situation in Krókur zunehmend bedrohlich wird, ohne freilich zu erahnen, dass sie selbst in die Schusslinie gerät.

Yrsa Sigurdardottir setzt in Seelen im Eis grandiose Cliffhanger

Mehr oder wenig gekonnt (konstruiert trifft es besser) verbindet die Autorin die beiden Erzählstränge, wobei sie mit exzellenten Cliffhangern ihre Leser voran treibt. Dennoch ist die Geschichte anfangs etwas sperrig, was sich erst auf den letzten rund 150 Seiten ändert. Dann aber geht es mit hohem Tempo voran, wobei sich die "Geschehnisse" überschlagen. Nach und nach werden Verdächtige aufgebaut und nach allen Regeln der Kunst wieder vom Spielbrett entfernt. Der ein oder andere Looping erscheint ein Stück zu viel des Guten, doch woran die Geschichte wirklich "krankt" ist, dass die Protagonisten Ódinn und Aldis (wie alle weiteren Figuren auch) aufgrund ihrer zahlreichen Probleme und Unfähigkeiten mit ihrer Situation umzugehen, gänzlich "unsympathisch" rüberkommen. So gibt es keinen tragischen Helden und kein bedauernswertes Opfer, mit dem sich der Leser identifizieren kann und mitfiebert. Am Ende erlebt man stattdessen eine familiäre Apokalypse, der sogar die Hauptfigur zum Opfer fällt. Dies wiederum erfährt man jedoch bereits auf den ersten Seiten dieses insgesamt durchaus lesenswerten Thrillers.

Seelen im Eis

Yrsa Sigurðardóttir, Argon

Seelen im Eis

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