Bluteis

  • Audible
  • Erschienen: Januar 2013
  • 11
  • Berlin: Audible, 2013, Übersetzt: Robert Frank, Bemerkung: Ungekürzte Ausgabe, Hörbuch-Download
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Andreas Kurth
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2013

Kampf um die Weltherrschaft

Im mondänen Schweizer Skiort St. Moritz versammeln sich in der Wintersportsaison die Schönen und die Reichen, um sich gegenseitig zu bestaunen und bei extremen Sportarten zu übertrumpfen. Ein geradezu ideales Ziel für Terroristen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass nach einer Mordserie – die allerdings nicht als solche erkannt wird – auch noch das Eis des Moritzersees gesprengt wird, und etliche Promis und Zuschauer eines Pferderennens darin versinken. Der Bankier Albert Sonndobler, Vorstandsvorsitzender der größten Schweizer Bank, wundert sich nicht über die Ereignisse, denn sie wurden ihm angekündigt. Seit geraumer Zeit wird er erpresst, kurz bevor er eingeladen wurde, erstmals an einer Versammlung des so genannten harten Kerns der "Osterbach-Organisation" (der Zusammenschluss der einflussreichsten Bankiers und Finanziers der Welt). Involviert in den Terroranschlag ist auch Thien Hung Baumgartner, durchtrainierter Skitourer und gefragter Sport-Fotograf, denn seine Freundin Sandra war mit auf dem Sees, wurde von einem Hubschrauber gerettet – und ist seither verschollen.  Sonndoblers und Baumgartners Wege kreuzen sich bald – aber bis zur Auflösung des verzwickten Falles ist es für die beiden Protagonisten und die Leser noch ein weiter Weg.

Mit Bluteis legt Marc Ritter seinen zweiten Roman um den Deutsch-Vietnamesen Thien Hung Baumgartner vor. Während der erste Band ein wirklich guter Thriller war, leistet sich der Autor hier einige – für den Leser ärgerliche – Schlampigkeiten. Und das Lektorat hat auch geschlafen, denn es gibt mehrere logische Fehler im Buch, die Jahreszahlen und Zeitabstände passen zuweilen nicht. Ritter hat in seinem zweiten Band der Reihe noch dicker aufgetragen als beim Auftakt. Ich neige gerne dazu, den Realitätsgehalt solcher Thriller als eher nebensächlich einzustufen. Aber in Bluteis ist das dicke Auftragen und Herumschwadronieren zuweilen lästig, weil der gute Grundansatz der Geschichte so etwas verwässert, genauer gesagt simplifiziert wird. Und das hat der im Kern hervorragende Plot eigentlich nicht verdient.

Denn dass es Kriege um Nahrungsmittel, Wasser und fruchtbares Land geben wird, ist ja nicht aus der Luft gegriffen. Fraglich ist nur, wie diese Auseinandersetzungen ausgetragen werden.  Dabei eine Figur wie Sonndobler ins Rennen zu schicken, ist schon mal durchaus passend. Die Rolle der Schweizer Banken im Finanz- und Wirtschaftssystem Europas, ja der Welt, ist ein Stoff, der geradezu zum Fabulieren reizt. Und dann noch Terroranschläge im schönen St. Moritz – dieser Part wird von Marc Ritter auch im neuen Buch wirklich gekonnt ausgearbeitet, es macht Spaß, das erste Drittel des Romans zu verschlingen.

Nun wird Sonndobler allerdings erpresst, von offenbar dezentral organisierten Aktivisten. Hier gibt es schon einige Ungereimtheiten, die man aber der Spannung zuliebe durchaus  noch tolerieren kann. Es geht letztlich darum, die sich immer mehr beschleunigenden Landkäufe reicher Investoren oder Spekulanten in Afrika zu stoppen. Durch die immer noch ansteigende Bevölkerungszahl auf der ganzen Welt sind die Kornkammern des Kontinents nämlich ein Wechsel auf absolute Macht in der nahen Zukunft.

In diesem Punkt hat Marc Ritter hervorragend recherchiert,  die Landkäufe insbesondere asiatischer Staaten und Interessengruppen in Afrika sind bereits heute Realität. Ein Aspekt, den er noch etwas vernachlässigt, aber das wäre vielleicht schon ein eigenes Romanthema, ist die Saatgut-Kontrolle durch große amerikanische Multis. Im Roman werden einzelne Investoren bei den VIP-Veranstaltungen in St. Moritz gezielt getötet, um vor allem Sonndobler die Ernsthaftigkeit der Kampagne klar zu machen. Das ist keineswegs übertrieben,  in diesem Punkt finde ich es unsinnig, dem Autor mangelnden Realitätsgehalt vorzuwerfen. Terroristen haben solche gezielten Morde schon immer eingesetzt. So weit – so gut.

Danach wird es doch etwas futuristisch, die speziell veränderten und durch iPhone-Befehle steuerbaren Kämpfer sind schon starker Tobak. Wie schon im ersten Roman der Baumgartner-Reihe verliert Marc Ritter hier etwas den Faden und das Maß. Bei Kreuzzug fand ich das noch verzeihlich, Bluteis hätte gerne deutlich kürzer und straffer sein können. Dennoch hat Marc Ritter hier wieder einen lesbaren und trotz aller Schwächen guten Thriller vorgelegt. Wenn man den realitätsgehalt ausblendet und einige Stolperer verzeiht, kann man sich von dem spannenden Buch gut unterhalten lassen.

Bluteis

Marc Ritter, Audible

Bluteis

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