Inspector Ghote zerbricht ein Ei
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 1973
- 4
- London: Collins, 1970, Titel: 'Inspector Ghote breaks an egg', Seiten: 221, Originalsprache
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1973, Titel: 'Finger weg von heiligen Kühen', Seiten: 188, Übersetzt: Marianne Lipcowitz
- Zürich: Unionsverlag, 2004, Seiten: 220
Exotische Ermittlungen
Inspector Ghote von der indischen Kriminalpolizei in Bombay wird von einem einflussreichen Politiker in die Provinz geschickt. Hier soll ein anderer Politiker, ein Chairman, geschasst werden, der den Mächtigen in Bombay zuviel Macht angehäuft, aber glücklicherweise einen sehr wunden Punkt in seiner Vergangenheit aufzuweisen hat. Vor rund 15 Jahren nämlich ist seine schöne Frau unter mysteriösen Umständen eines plötzlichen Todes gestorben. Kurz darauf heiratete er die hässliche Tochter des damaligen Chairmans, um nach dessen Tod sein Erbe in Amt und Würden anzutreten. Der Inspektor hat den speziellen Geheimauftrag, die damaligen Geschehnisse zu untersuchen.
Ghote stellt nach seiner Ankunft schnell zwei Sachen fest: Der Chairman ist ein äußerst einflussreicher Mann, der alle strategisch wichtigen Ämter in der Stadt mit seinen Leuten besetzt hält. Zum anderen ist seine Ankunft keineswegs geheim, sondern hat bereits zu einigem Aufruhr geführt. Ein heiliger Mann ist aus Protest in einen Hungerstreik getreten, was in der lokalen Presse täglich zu Schlagzeilen führt und täglich schärfere Demonstrationszüge erboster Gläubiger auslöst.
"GHOTE GO!"
Gegen solch massiven Widerstand zu kämpfen ist nicht einfach und Ghote kann von Glück reden, dass sein Gesicht in der Stadt nicht bekannt ist und auch noch niemand hinter sein Kostüm als Hühnerfuttervertreter gekommen ist. Als solcher balanciert er tagein, tagaus einen Karton mit Eiern auf seinem von der örtlichen Polizei zur Verfügung gestellten Fahrrad durch die schlammigen Straßen der Provinzstadt. Die 15 Jahre alten Akten verraten sehr deutlich, dass bei den Untersuchungen des Todes der jungen Frau damals vieles nicht mit rechten Dingen gelaufen ist. Zudem ist das Verhalten des Chairmans gegenüber Ghote sehr verdächtig. Aber wann immer Ghote einem neuen Hinweis nachgeht, hat der Chairman dafür gesorgt, dass sich Spuren im Sande verlaufen.
Die große Frage in diesem äußerst unterhaltsamen Kriminalroman ist, ob Ghote den Kampf gegen den übermächtigen Gegner in dessen Revier gewinnen kann und mit welcher List er gegen ihn ankommt. Die Fragen Verbrechen, ja oder nein, und nach dem Täter sind jedenfalls schon nach wenigen Seiten beantwortet. Ghotes Vorgehen wirkt dabei eigentlich herrlich naiv und direkt, ist aber in der Tat intelligent, tiefgründig und vor allem hartnäckig. Er weiß zwar, dass er von Leuten des Chairman überwacht und ausspioniert wird, versucht aber immer wieder aufs Neue, ihm einen Schritt voraus zu sein.
Ein Ausflug in die indische Provinz
Was dem Briten Keating mit seinen Romanen um den indischen Ermittler immer wieder eindrucksvoll gelingt, ist die Schilderung eines indischen Alltags und das besondere Gesellschaftsmodell des hinduistischen Kastenwesens auf eine anschauliche und authentische Art. Es sei dahingestellt, ob er seinen Inspector Ghote durch ein idealtypisches Indien oder ein der Realität nahe kommendes schickt, seine Schilderungen wirken glaubhaft. Das exotische Flair und die mit durchaus spitzer Feder eingefangene indische Mentalität verleihen dieser Reihe einen besonderen Reiz.
Der Roman ist alt, stammt aus dem Jahre 1970 und auch das kann man ihm anmerken. Tradition und Hierarchiedenken spielen zwar im Hinduismus weiterhin eine große Rolle, aber Indien hat sich in den letzten 35 Jahren stark weiter entwickelt und dem Westen gegenüber geöffnet. Aber auch zu der Zeit, in der der Roman spielt, gab es wohl schon einen deutlichen Unterschied zwischen dem Leben auf dem Land und dem Leben in der Stadt, denn darauf wird vermehrt hingewiesen.
Es ist schön, dass in der Metro-Reihe des Schweizer Unions-Verlags mit Inspector Ghote zerbricht ein Ei ein Titel aus der umfangreichen Ghote-Reihe in neuer Übersetzung vorliegt. In Antiquariaten sind weitere Titel auf Deutsch verfügbar, da die Reihe bis 1980 auch in Deutschland verlegt, danach aber eingestellt wurde. Wünschenswert wäre es, wenn sich der Unions-Verlag zur Übersetzung von weiteren, vielleicht auch neueren Romanen Keatings hinreißen ließe.
H.R.F. Keating, Rowohlt
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