Schweigend steht der Wald
- Argon
- Erschienen: Januar 2013
- 11
- Berlin: Argon, 2013, Seiten: 5, Übersetzt: Detlef Bierstedt
Das meint Krimi-Couch.de: Der Wald vergisst nichts
Anja Grimm hat während eines Ferienaufenthaltes in einem bayrischen Provinzdorf ihren Vater verloren. Viele Jahre später kehrt sie als Forststudentin zurück, um während eines Praktikums die Wälder um Faunried zu kartieren. Als eine Bodenprobe auf einer Waldwiese plötzlich Auffälligkeiten zeigt, wird die junge Frau nachdenklich. Dort muss es große Erdbewegungen gegeben haben. Und dann wird sie auch noch von dem geistig gestörten Xaver, den sie von damals kennt, mit einem Jagdgewehr bedroht. Als dann Xaver erhängt an einem Hochsitz gefunden wird – nachdem er zuvor offenbar seine betagte Mutter erschlagen hat – überschlagen sich die Ereignisse. Anja Grimm beginnt mit intensiven Nachforschungen, aber sie stößt auf eine eisige Mauer des Schweigens, und die Polizei ist ihr auch weder Freund noch Helfer. Erst das schlechte Gewissen einiger Insider führt zu neuen Erkenntnissen und schließlich zu einem überaus dramatischen Finale.
Ablehnung beflügelt die Nachforschungen
Wolfram Fleischhauer hat mit Schweigend steht der Wald einen Roman vorgelegt, der den Leser nach einer kurzen Anlaufphase förmlich ansaugt. Der Autor setzt dabei nicht auf Action oder viele Leichen, sondern einfach auf überaus komplexe Sachverhalte und Beziehungsgeflechte. So baut Wolfram Fleischhauer eine permanent zunehmende Spannung auf, die dazu führt, dass man als Leser unbedingt wissen will, wie die Lösung der komplizierten Fragen aussehen könnte. Die Protagonistin ist eine sensible, aber auch hartnäckige junge Frau, die sich von ihren Vorgesetzten, der Polizei oder der abweisenden Haltung der Menschen im Dorf nicht abschrecken oder aufhalten lässt. Die eisige Ablehnung, und die später immer mehr zunehmende Feindseligkeit führen bei ihr vielmehr zu einer Trotzhaltung, die im Hinblick auf ihre Nachforschungen beflügelnd wirkt. Anja Grimm ist eine toughe, junge Frau – und scheut weder Probleme noch Gefahr, um ihr Ziel zu verfolgen.
Oberthema mit der Geschichte verwoben
Das übergeordnete Thema des Romans erschließt sich dem Leser nur in ganz kleinen Schritten. Schon früh keimt ein Verdacht auf, der aber noch unterschwellig bleibt. Verblüffend ist dabei, wie die Forststudentin Hinweise und Spuren im Wald findet. Das hat ein wenig von den Indianern bei Karl May, die anhand des herunter gedrückten Grases bestimmen konnten, wie lange es her war, dass Tiere oder Menschen einen bestimmten Ort verlassen hatten. Bei Wolfram Fleischhauer ist das ganze wissenschaftlich geprägt und untermauert – dadurch aber nicht minder faszinierend. Aus dramaturgischen Gründen kann und will ich hier den Gesamtzusammenhang nicht enthüllen. Aber ich kann gefahrlos feststellen, dass der Autor offensichtlich gut recherchiert hat, und sein Oberthema mehr als geschickt in die Kriminalgeschichte verpackt, genauer gesagt, es mit ihr verwoben hat.
Erinnerungen sind eher nebulös
Neben Anja Grimm gibt es noch weitere interessante Figuren, die fast alle den beiden Familien Leybach und Gollas angehören. Die meisten kennt die junge Studentin von ihren zwei Jahrzehnte zurück liegenden Ferienaufenthalten im Dorf, aber viele der Erinnerungen sind eher nebulös. An den jetzt toten Xaver hat sie harmlose Erinnerungen, er galt als liebevoller Spinner. Wichtige Rollen spielen die inzwischen erwachsenen Söhne Lukas und Rupert der Familie Gollas. Rupert gibt sich unnahbar, Lucas sucht dagegen auffällig Anjas Nähe. Beide Verhaltensweisen kann sie zunächst nicht so richtig einordnen. Als die Zusammenhänge dann etwas klarer werden, ist sie in mancherlei Hinsicht hin- und hergerissen. Aber auch die Eltern der Brüder - Waltraud und Franz Gollas – kann Anja nicht so recht durchschauen. Sie scheinen ebenfalls mehr zu wissen, als sie preisgeben wollen. Was aber für viele andere Figuren auch gilt. Die personelle Gemengelage wird noch komplizierter, wobei der Leser stets etwas mehr weiß als die Protagonistin. Was ihm jedoch nichts hilft, denn er wird vom Autor auf zahlreiche Fährten geführt, die vermeintlich hilfreich sind, sich aber als Blindgänger erweisen. Zuweilen glaubt man die Lösung des Falles sicher zu kennen, um dann wieder auf den Anfang zurückgeworfen zu werden.
Anja muss einige dicke Bretter bohren, was sie mit viel Biss und Zähigkeit auch in Angriff nimmt. Die merkwürdige Rolle der Polizei in dem ganzen Verwirrspiel wird dem Leser auch erst langsam deutlicher. Bei all den Kumpaneien geht es übrigens nicht originär um bayrische Spezl-Wirtschaft, sondern diese Verhältnisse von zusammen haltenden Familien-Clans und Dorfgemeinschaften lassen sich in ähnlicher Form wohl in ganz Deutschland finden.
Wolfram Fleischhauer schreibt sehr bildhaft, er geht bei vielen Beschreibungen enorm ins Detail, was bei der Waldanalyse zuweilen leicht langatmig wirkt, aber gerade noch an der Grenze des Erträglichen bleibt. Neue Dynamik entwickelt sich dann durch überraschende Handlungen und lebendige Dialoge. Das dramatische Finale ist insgesamt mit einigen Überraschungen garniert. Schweigend steht der Wald ist ein mehr als lesenswertes Buch. Wenn man erst einmal davon gefesselt ist, mag man kaum Lesepausen machen. Die Geschichte ist der eigentliche Star – aber auch die Protagonistin hat es in sich. Absolut empfehlenswert.
Wolfram Fleischhauer, Argon
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