Straße des Todes
- Heyne
- Erschienen: Januar 2013
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- New York: G. P. Putnam’s Sons, 2012, Titel: 'Taken', Seiten: 341, Originalsprache
- München: Heyne, 2013, Seiten: 416, Übersetzt: Jürgen Bürger
Now the shooting starts - vom Leben und Sterben an der Grenze
Straße des Todes (Taken) ist der dreizehnte Roman mit Privatdetektiv Elvis Cole als Hauptfigur. Sein "stiller" Partner Joe Pike (in den frühen Romanen wurde er gerne portraitiert als jemand, für den "Clint Eastwood zu geschwätzig sei") rückt weiter in den Focus als in frühen Büchern, bekommt eine eigene Erzählstimme und ist nicht mehr nur der brandgefährliche Sidekick der Anfangsjahre, dem immer dann eine wichtige Rolle zukommt, wenn es brenzlig wird. Mittlerweile gibt es Romane, die unter Joe Pikes Namen firmieren.
Einen langen Weg haben Cole und Pike seit The Monkey´s Raincoat (Die gefährlichen Wege des Elvis Cole/Kidnapping) 1987 erschien, zurückgelegt. Halb ironisch wurde der erste Auftritt des Duos als "der beste Spenser-Roman seit Looking For Rachel Wallace gefeiert, was die Ausrichtung auf den Punkt bringt, Robert Crais Werk aber nicht gänzlich erfasst. Crais schreibt noch pointierter als Parker, erspart seinem Protagonisten ausführliche Diskussionen auf der Couch mit einer Dauerfreundin, und lässt sein kampfsportgeschultes Duo noch einen Tick härter zuschlagen als das Pendant Spenser/Hawk. Cole und Pike sind bereits auf mehr als halbem Weg Richtung Andrew Vachss' Burke und Max sowie Dennis Lehanes Kenzie/Gennaro plus Bubba unterwegs.
Spielten die ersten Romane vielfach im Umfeld der Filmindustrie, naheliegend, da Crais ein vielbeschäftigter Drehbuchautor ist, sowie den Schattenseiten der Stadt der Engel. Dabei reicht das Spektrum von Gangkriminalität, Polizeikorruption bis hin zu niederträchtigen Verbrechen in gepflegten Vorstadtvillen.
Die Straße des Todes führt hinaus in die Wüste, in den Grenzstreifen zwischen Mexiko und den USA. Das junge Paar Jack Berman und Krista Morales gerät in den Überfall einer Gruppe "bajadores", die Schleuser überfallen und die anwesenden Flüchtlinge entführen, um Lösegeld zu erpressen. Jack und Krista werden ebenfalls gefangen gesetzt. Es dauert sechs Tage, bis Kristas Mutter Elvis Cole engagiert. "Der beste Detektiv der Welt" heftet sich an ihre Fersen, kommt dem Paar näher und wird ebenfalls entführt. Jetzt ist an Joe Pike, seinem Söldner-Kumpel Jon Stone von außen sowie Elvis, Krista und Jack von innen, die gemeingefährliche "Kojoten"-Bande auszuhebeln. So viel sollte klar sein: Blut wird fließen. Nicht zu knapp.
"Straße des Todes" ist kein stringenter, lakonischer und von knapper Präzision verfasster hardboiled-Krimi mehr. Elvis Cole ist zwar über weite Strecken der personale Ich-Erzähler, doch Joe Pike, Jon Stone, Jack und Krista bekommen ebenfalls eigene Kapitel zugeschrieben. Zudem erzählt Crais nicht linear, die einzelnen Kapitel beziehen sich auf den jeweiligen Status einer Entführung, weshalb Cole erst "sechs Tage nach " die Bühne betritt, die Erlebnisse des jungen Paars "neun Stunden" nach ihrer Entführung erst später erzählt werden. Ebenso verändern Coles Überschriften ihren Bezugspunkt. Ist erst der Zeitpunkt von Kristas und Jacks Entführung maßgeblich, wird später seine eigene Zeitleiste relevant.
Die Komplexität von Don Winslows Tage der Toten erreicht Straße des Todes, dafür bleibt aber der Absturz von Vergeltung ebenfalls aus. Crais beschreibt einen kriegsähnlichen Zustand, der im Grenzgebiet zwischen Mexiko und den USA Alltag ist. Flüchtlingsströme, die sich Schleppern anvertrauen, in der Hoffnung durch Hindernisse und an Grenzpatrouillen in die vage Versprechung eines besseren Lebens geführt zu werden. Als wären die Bedingungen, von geldgierigen Schleuserbanden abhängig zu sein, nicht schon schlimm genug, gesellt sich eine weitere tödliche Gefahr. Jene, "Kojoten" genannte, Marodeure, die Schleuser überfallen und töten, die Flüchtlinge einpferchen um bei den hinterlassenen Familien Lösegeld zu erpressen. Da das Geld aber knapp bis gar nicht vorhanden ist, wird Grab um Grab in der Wüste ausgehoben.
Crais erzählt davon ohne Schnörkel, entlarvend und direkt. Es ist immer klar, dass die Ausgebeuteten, die einen verzweifelten Versuch wagen, für sich und ihre Nachkommen ein besseres Leben zu erlangen, die ewigen Verlierer sind.
Lediglich die macht des Kriminalromans schafft auf einem winzigen Fleckchen Erde, an einem einzigen Punkt für ein wenig ausgleichende Gerechtigkeit. Dafür müssen Elvis Cole, Joe Pike und Jon Stone nur die ganz grobe Kelle auspacken. Natürlich sehen die sadistischen Verbrecher genauso aus wie man sich das vorstellt: Stinkend, dreckig, Zahnruinen im Mund, wird der oberste "Kojote" aus gutem Grund nur der "Syrer" genannt. Hier reiht sich Klischee an Klischee, denen man allerdings zugute halten kann, dass die Realität vermutlich über weite Strecken genauso klischiert aussieht.
Dazu gesellt sich, dass nicht mehr Elvis Cole und Joe Pike allein als rächende Engel/Cowboys zum Showdown antreten, sondern der Söldner Jon Stone zur Vollendung der reinigenden Rachefantasien gebraucht wird. Glücklicherweise überhöht Crais diese Konstellation nicht ins messianische wie Winslow in seinem grottigen Loblied auf die Vergeltung durch eine gestählte Bande aufrechter Lohnkiller. Klar bleibt immer: Hier wird ein verzweifelter Befreiungsschlag geprobt, bei dem nicht einmal im nahen Umfeld jeder gerettet werden kann, und der insgesamt von lokaler und fiktionaler Begrenzung bleibt.
In seinen besten Momenten gelingt es Crais nicht nur die Testikel seiner Leser zu befriedigen, sondern auch das Hirn zu beschäftigen. Spannend ist das allemal, und es bleibt die Hoffnung, dass der Autor nicht auf die Idee kommt, seine Protagonisten antreten zu lassen, um islamische Terroristen zu jagen. Lieber wieder ein bisschen Rückbesinnung auf den Samurai-Kodex, inklusive diverser Katas im Sonnenaufgang, die aus Elvis Cole einen so gelassenen wie schlagkräftigen Privatermittler machten.
Robert Crais, Heyne
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