Der Schlaf und der Tod

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2013
  • 5
  • Kopenhagen: Politiken, 2012, Titel: 'Søvnen og døden', Seiten: 490, Originalsprache
  • München: Heyne, 2013, Seiten: 600, Übersetzt: Günther Frauenlob
Der Schlaf und der Tod
Der Schlaf und der Tod
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Andreas Kurth
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2013

Besuche auf der anderen Seite

Niels Bentzon ist ein ausgesuchter Spezialist der Kopenhagener Polizei. Er wird immer bei Selbstmordversuchen alarmiert. Aktuell müsste er sich um seine Frau und seine Ehe kümmern, obwohl er sich nicht sicher ist, ob das wirklich noch Sinn macht. Und daher zögert er nicht lange, als er nachts in die Innenstadt der dänischen Hauptstadt gerufen wird, weil sich eine junge Frau von einer Brücke stürzen will. Später wird Bentzon erfahren, dass es sich bei der nackten und unter Drogen stehenden Frau um Dicte van Hauen handelte, die Primaballerina des Königlichen Balletts. Er bekommt keinen Zugang zu ihr und kann den Selbstmord trotz ungewöhnlichen Einsatzes nicht verhindern. Im Gegensatz zu seinen Kollegen und Vorgesetzten glaubt Bentzon nicht daran, dass es ein Selbstmord war. Die Obduktion der Leiche zeigt Spuren eines Defibrillators auf ihrem Oberkörper, und einen Cocktail aus Ketamin, Amphetamin, Kokain und Ritalin im Blut. Die junge Frau wurde ertränkt und wiederbelebt, möglicherweise mehrfach. Bentzon und seine Kollegen stehen vor einem Rätsel – und am Anfang eines Wettlaufs mit einem irren Mörder.

Das Autorenduo Anders Rønnow Klarlund und Jacob Weinreich hat unter dem Pseudonym A.J. Kazinski bereits seinen zweiten Roman vorgelegt. In "Der Schlaf und der Tod" muten die beiden Autoren ihren Lesern ziemlich schweren Stoff zu. Das gilt für die Länge des Romans, der gut und gerne 100 Seiten kürzer hätte sein dürfen. Das gilt für die Methoden und Motive des Mörders, die zumindest für mich reichlich ungewöhnlich und völlig neu waren. Das gilt nicht zuletzt für das Hintergrundthema, bei dem es um komplizierte Fragen und Elemente der Philosophie des Sokrates geht. Schon dieser Aspekt macht den Roman nicht gerade zu einer Einschlaflektüre. Wer aber mehr auf Action und atemlose Spannung statt auf angestrengtes Nachdenken setzt, dürfte an diesem Buch nicht viel Freude haben.

Kommissar Niels Bentzon ist ein recht spezieller Ermittler. Und nun hat er es mit Menschen zu tun, die aus freiwillig herbei geführten Nahtod-Erlebnissen neue Erkenntnisse gewinnen wollen. Und dieser Personenkreis gerät offenbar in das Visier des Mörders – warum das so ist, erfährt der Leser in kleinen Häppchen, denn die Perspektive des zunächst noch unbekannten Killers wird neben der Haupthandlung ebenfalls immer wieder geschildert. Bentzon droht mehrfach aus der Bahn zu geraten, seine private Situation ist ziemlich kompliziert. Aber seine Frau spielt für den Fall eine wichtige Rolle, denn auch sie war schon tot und wurde wiederbelebt. Und damit gehört sie auch in das Beuteschema des Killers. Bentzon braucht – mit Unterstützung seiner Kollegen – lange, bis er erste Zusammenhänge erkennt. Hier hätten die Autoren gerne etwas straffer erzählen können.

Die Einblicke in das Innenleben des Ballett-Ensembles sind schon recht interessant. Dicte van Hauen tanzte als Primaballerina – und benahm sich offenbar auch so. Aber auch ihre exzentrische Familie passt da gut ins Bild. Ihre Nahtod-Erfahrung war offenbar prägend, vielleicht kann sie deshalb im Ballett "Giselle" so hervorragend die Hauptrolle tanzen. Mehr als verstörend ist ihr Mitwirken in einer Art Selbsterfahrungsgruppe – das sind Passagen des Romans, die einiges an Gänsehaut produzieren.

Der Mörder ist dann noch mal eine ganz spezielle Figur, über seine ganz persönlichen Motive darf hier nicht mehr verraten werden, aber seine Konsequenz und Gnadenlosigkeit erklären sich im Laufe der Handlung von alleine. Welche Bedeutung das immer wieder geschilderte Mädchen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie hat, wird dem Leser erst scheibchenweise deutlich.

Klarlund und Weinreich widmen sich mit "Der Schlaf und der Tod" einem philosophischen Thema, dem schon Sokrates intensiv nachgespürt hat. Hier wird – wie bereits erwähnt – dem Leser schwerer Stoff geboten. Ungewöhnlich für einen Kriminalroman, aber eben auch viel Material zum Nachdenken. Das Buch ist jedenfalls keine Lektüre, die man mal so nebenbei konsumieren kann. Aber in der Kombination der geschilderten Elemente und Facetten liegt die ganz besondere Faszination des Romans. Dennoch hätte das für meinen Geschmack in etwas komprimierterer Form geschildert werden können – es ist aber dennoch in der Gesamtbeurteilung ein überdurchschnittlicher Roman.

Der Schlaf und der Tod

A. J. Kazinski, Heyne

Der Schlaf und der Tod

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