Tote schreien nicht
- Erschienen: Januar 2002
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"Tot? Ach, Scheiße!"
Superintendent Andy Dalziel passt der Tod des Calliope-Club-Besitzers Dr. Gilbert Haggard gar nicht in den Kram. Nur zu verständlich, haben sich doch so einige Anwohner dazu entschlossen, den "Calli", in dem hin und wieder auch ein Männer-Filmchen der härteren Sorte gezeigt wird, nicht mehr länger dulden zu wollen. Und dann das! Und noch nichtmals ein Mord. Zwar wurde der "Calli" von Unbekannten rigoros auf den Kopf gestellt, doch ist Haggard im Krankenhaus schlicht und einfach an Herzversagen gestorben.
Eigenartig ist die ganze Sache dann aber doch: Sollte der Überfall etwa mit dem im Club aufgeführten B-Movie "Droit de Seigneur" zu tun haben? Auf diesen hat nämlich Inspector Peter Pascoes Zahnarzt den Polizisten erst kürzlich aufmerksam gemacht. Eine Sado-Szene, in der ein Edelmann seine ganze perverse Wut durch einen Faustschlag ins Gesicht einer angeketteten Entführten zum Ausdruck bringt, schien dem Dentisten Jack Shorter eigenartig realistisch zu sein. Snuff-Movies im "Calli"? Pascoe folgt der Spur, doch versiegt die schon sehr bald, als er die gepeinigte Darstellerin putzmunter auftreiben kann. Viel Trubel um nichts? Pascoe gibt zum Widerwillen seines Vorgesetzten Dalziel nicht so schnell auf und als dann auch noch sein Zahnarzt der Misshandlung an einer 13-Jährigen beschuldigt wird, ergeben sich bemerkenswerte Verbindungen zwischen all den Opfern...
Trotz eines Vierteljahrhunderts auf dem Buckel top aktuell
Obwohl Reginald Hills "Calliope-Club" mittlerweile schon ein gutes Vierteljahrhundert auf dem Buckel hat, ist die Story topaktuell. Und Hill damit ein zeitlos guter Schreiber. Auf keiner der etwa 250 Seiten wirkt dieser Kriminalfall antiquiert, allenfalls das damals etwas reißerische Buchcover (der Schein trügt, so schlüpfrig ist der Krimi trotz der Thematik nun auch nicht) und die Bezeichnung "Action-Krimi" (was man damals als "Action" bezeichnete, bekommt heute das Prädikat "klassisch") führt den Leser mindestens ebenso in die Irre wie die zahlreichen Wendungen, Querverbindungen und falschen Fährten, die Reginald Hill legt.
Dies gelingt ihm allerdings dermaßen gut, dass nicht nur Inspector Pascoe mit seinem Latein schnell am Ende ist. Es ist eine Kunst, einen solch verzwickten Plot zu entwickeln, und ihn schlussendlich meisterhaft aufzulösen.
Hill zelebriert den britischen Humor
Dazu zelebriert Reginald Hill auf eine formidable Weise den britischen Humor, der bestens zur Geltung kommt, wenn Dalziel ("der kleine dicke Mann", gerne ziemlich griesgrämig und besserwisserisch, aber hoch clever und wenn´s sein muss auch charmant) und Pascoe (Akademiker, in den Augen seiner Frau aber besser Priester) aufeinander treffen. Da sprühen Hills Sätze nur vor feinster Komik englischer Art, da werden fiese, kleine Seitenhiebe ausgeteilt, da lebt der Sarkasmus auf. Überhaupt die Figuren: Nicht nur die Serien-Protagonisten Dalziel und Pascoe sind Beispiele für Hills meisterhafte Feder. Der undurchsichtige Filmvorführer Maurice Arany, die Hyper-Feministin (und Zahnarzthelferin) Ms Lacewing, die beiden alten, aber nicht unbescholtenen "Schachteln" Alice und Annabelle Andover, die Porno-Produzentin Penny Latimer - sie alle sind wunderbar gezeichnet, farbig und lebendig.
Auch wenn es nahezu unmöglich ist, den "Calliope-Club" ohne gelegentliche Lacher zu lesen, gelingt es Hill dennoch die Balance zwischen Komödie und Tragödie zu halten. Trotz allen Humors fällt zum Glück das Traurige, das Brutale, das Perverse an der Story - Snuff-Movies und Kinder-Pornographie sind nun mal keine weichen Themen - nicht unter den Tisch. Einfühlsam prangert Hill dies an, aber eben nicht so hochmoralisch wie seine skandinavischen Kollegen 20 Jahre später oder auf die desillusionierte Mentalität der französischen Noir-Autoren - sondern überaus menschlich.
Ein Kriminalroman at its best
"Der Calliope-Club" ist somit ein britischer Kriminalroman at its best. Viel unterhaltsamer, intelligenter, spannender, gewiefter und gewitzter ist ein Krimi mit so brisanten Themen nicht zu schreiben. Reginald Hill ist ohne Zweifel ein Meister seines Fachs.
"Der Gedanke machte Keith krank, natürlich, aber er wusste, dass es keinen anderen Weg gab. Er musste sie töten." Der kommende Drogenbaron Keith Vine schätzt die Arbeit seiner besten Dealerin sehr, aber als diese einem anderen Großhändler schöne Augen macht, bringt er sie um- und setzt damit einen tödlichen Revierkampf in Gang. Im Zentrum von Kriminellen und Polizei steht der "Lovely Mover", ein bedrohlicher Fremder aus einem Londoner Syndikat, von dem die Lokalheroen fürchten, er wolle den Markt übernehmen. Chefinspektor Colin Harpur, der undercover als scheinbarer Partner von Keith Vine arbeitet, ist plötzlich in großer Gefahr. Bevor die Sache ihr aufregendes Ende findet, muss er verdammt noch mal heil hier rauskommen.
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