Schwarzes Blut
- Heyne
- Erschienen: Januar 2013
- 3
- : Tin town, 2012, Titel: 'Vile blood', Originalsprache
- München: Heyne, 2013, Seiten: 320, Übersetzt: Kristof Kurz
Der wilde Max macht keine Gefangenen
Kann man einen Roman empfehlen, in dem aufgeschlitzte Bäuche und andere zerfetzte Körperteile in der Landschaft herumliegen, Gedärme in den Ästen der Bäume hängen, Kannibalen sich an Herz und Leber ahnungsloser Mitmenschen delektieren? Wem sollte man es auch empfehlen?
Schwarzes Blut, in der Heyne Hardcore-Reihe erschienen, ist ein Horror-Thriller, der wohl nur Freunde des Genres ansprechen wird. Selbst für aufgeschlossene Krimi-Fans, zu denen sich der Rezensent zählt, ist der Ekelfaktor meist zu hoch. Vor dem Kauf empfiehlt es sich, die Leseprobe, die die Krimi-Couch anbietet, wahrzunehmen. Horror-Fans sollten die Einschätzung des Rezensenten mit Vorsicht betrachten. Mit dem aktuellen State of the Art des Genres ist der Rezensent nicht vertraut, kennt nur die Altmeister wie Peter Straub, Dean R. Koontz oder Stephen King.
So ist die Rezension auch mehr an die Krimi-Leserschaft gerichtet, denen der Name Roger Smith von seinen Südafrika-Thrillern bekannt sein dürfte.
Roger Smith debütierte in 2009 mit Mixed Blood (Kap der Finsternis) und konnte damit gleich einen internationalen Erfolg verbuchen. Wie seine südafrikanischen Kollegen profitierte auch er von dem gesteigerten öffentlichen Interesse, das ihr Land als Ausrichter der Fußball-WM 2010 erfuhr. Drei Folgeromane untermauerten Smith` Status als Autor kompromissloser Thriller mit realem Hintergrund. Die Romane spielen in der Unterwelt seiner Heimatstadt Kapstadt und erzählen von den tiefsten Abgründen der menschlichen Existenz. Seine Figuren sind derart böse, dass man sie nicht allein als Produkt ihrer verderbten Umwelt ansehen kann, sondern beginnt, an das Böse im Menschen glauben. Smith` Schritt, Romane über das Ur-Böse, das so alt ist wie der Ursprung der Menschheit, zu schreiben, war ihm wohl eine Herausforderung.
Um sich namentlich von seinen Südafrika-Thrillern abzusetzen, schreibt Roger Smith hier unter dem Pseudonym Max Wilde. Auch den Schauplatz der Handlung hat er in die USA verlegt und im äußersten Zipfel von Texas angesiedelt.
Das Grenzgebiet von Texas zu Mexiko, unweit der Doppelstadt El Paso/Cuidad Juarez, ist eine Wüstenei – trocken, felsig, menschenfeindlich. Die wenigen kleinen Städte sind durch Landflucht und Wirtschaftskrisen fast verwaist. Mehr verrammelte Geschäfte als offene, hier und da mal ein Diner oder eine Tankstelle am Rande des Existenzminimums. In dieser Ödnis versieht Chief Deputy Gene Martindale wacker und einigermaßen rechtschaffen seinen Dienst. Der Kollege aus dem Nachbar-County, mit dem Gene des öfteren im Clinch liegt, hat sich längst mit den grenzüberschreitenden Drogendealern arrangiert, ein Meth-Kocher ist sein bester Kumpel. Gene hält sich möglichst aus Allem heraus. Seit der Ermordung seiner Frau und seines ungeborenen Kindes gilt seine ganze Sorge dem Wohle seines erstgeborenen Sohnes Timmy und seiner Stiefschwester Skye. Skye war als Säugling (Findelkind) von den Martindales adoptiert worden und ist zu einem liebreizenden Teenie herangereift. Doch der äußere Schein, ihre Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft trügen. In ihrem Innern haust eine unbezähmbare Macht. Schon einmal, als sie gerade mal zwei war, ist dieses innere Wesen aus ihr herausgebrochen und hat ein Blutbad angerichtet. Der ältere Bruder konnte alles vertuschen. Nun ist es wieder passiert. Eines Abends auf dem Nachhauseweg von der Arbeit im Diner wird Skye von vier Männern brutal bedrängt. Das Wesen in ihr richtet ein Massaker an. Am nächsten Morgen muss Gene retten, was zu retten ist. Doch diesmal macht eine verlorengegangene Brille ihn erpressbar.
Schwarzes Blut ist ein Horror-Thriller, der mehr Grusel und Ekel erzeugt, der den Leser eher schockt, als dass er ihn spannend unterhält. Betrachtet man den Roman oberflächlich, so zeigt er wenig Raffinesse im Handlungsablauf. Auch das Bühnenbild – sieht man von den üppigen Beschreibungen der Abscheulichkeiten einmal ab – ist minimalistisch. Der Fokus ist ganz auf die handelnden Personen ausgerichtet, die einerseits idealtypisch gezeichnet sind wie zum Beispiel der korrupte Bulle, der todsündige Prediger oder die in jeder Beziehung offenherzige Kellnerin. Auf der anderen Seite haben wir Zwei, die, obwohl sie am besten gezeichnet sind, unberechenbar bleiben. Das sind die Heldin Skye Martindale und ihr sadistischer Kontrahent Junior Cotton, der in der Außenwelt Skyes inneren Dämon widerspiegelt.
Da nicht nur das Ende, sondern auch viele Fragen offen bleiben, ist mit einer oder mehreren Fortsetzungen zu rechnen. Ob man bei Schwarzes Blut einsteigen sollte, kann der Rezensent nicht abschließend beurteilen, da ihm die Intentionen des Autors verborgen geblieben sind. Geht es Max Wilde bloß um die Zurschaustellung blutrünstiger Details oder hat er den Anspruch, die inneren Konflikte seiner Heldin zu vertiefen. Das deutsche Cover lässt eher eine Teenie-Horror-Show vermuten, was aber dem seriösen Eindruck widerspräche, den Roger Smith z. B: auch beim Krimi-Couch-Interview hinterlassen hat.
Roger Smith, Heyne
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