Alex Cross - Cold
- Weltbild
- Erschienen: Januar 2012
- 2
- New York: Little, Brown and Co., 2011, Titel: 'Kill Alex Cross', Seiten: 364, Originalsprache
- Augsburg: Weltbild, 2012, Seiten: 381, Übersetzt: Leo Strohm
- München: Blanvalet, 2013, Seiten: 384
Rohrkrepierer
Ach ja, der James Patterson! Er gehört zu den wenigen Autoren, die mit ihrer Schriftstellerei so richtig reich geworden sind. Das Forbes-Magazine zählt ihn seit Jahren zu den Top-Ten-Verdienern im künstlerischen Bereich. Er schreibt und schreibt, lässt schreiben, vermutlich auch unter seinem Namen, schreibt mit diversen Co-Autoren. Sein Erfolgsgeheimnis ist nicht nur der hohe Output, der zu einer unübersehbaren Präsenz in allen Buchhandlungen führt, sondern Patterson profitiert immer noch von seinem guten Namen, den er sich in der Frühzeit seines Schaffens erworben hat. Er war zwar nicht der Erfinder der szenischen Plotentwicklung in Kurzkapiteln, aber er hat diese Form des Erzählens für den Krimi-Thriller-Bereich populär gemacht. Gerade in der jungen Generation der Thrillerautoren hat diese auf hohes Tempo und Cliffhanger zugeschnittene Darstellung viele Nachahmer gefunden. Leider besteht die Gefahr, dass diese erfolgreiche Inszenierung zur Farce verkommt, wenn die Form den Inhalt dominiert. Cold, Pattersons 17. Alex-Cross-Thriller, ist ein gutes (schlechtes) Beispiel dafür.
Sarin und Semtex in Washingtons U-Bahn-Zügen, tödliches Gift im Trinkwasser, Bombenattentate und Feuerüberfälle auf hochrangige Politiker – jeder Gewaltakt allein bietet genügend Stoff, um einen ganzen Roman mit Action und Spannung zu füllen. Leider scheint James Patterson das Pulver nass geworden zu sein, denn seine Munition zündet nicht. Ein kleines Terrornetzwerk, das sich selbst "Familie" nennt und von Saudi-Arabien aus gesteuert wird, versucht, in Washington DC Angst und Schrecken zu verbreiten. Es sind keine religiösen Fanatiker, sondern ganz normale Bürger, die nur eins verbindet: ihr unbändiger Hass auf Amerika und die Amerikaner. Woher er kommt, weiß nur der Autor und er lässt es einfach unter den Tisch fallen. Was weiter nicht verwunderlich ist, denn alle Terror-Szenarien werden ziemlich schludrig auf ein paar Seiten abhandelt. Sie dienen nur als Ablenkungsmanöver, um die Schwäche des Haupthandlungsstranges zu kaschieren.
Denn neben den erwähnten Terroraktivitäten versetzt die Entführung der Präsidentenkinder die Kürzel-Truppen CIA, FBI, NSA, DHS in helle Aufregung. Ihre Experten sind überzeugt, dass alle Verbrechen auf einen gemeinsamen Nenner zurückzuführen sind. Nur der gute alte Alex Cross, der den Sondereinheiten als psychologischer Berater zur Seite steht, verfolgt einen anderen Ansatz und er wird, wie der Leser (leider) längst schon weiß, Recht behalten. Der Entführer bedroht nicht nur die Kinder des Präsidenten, sondern hat es auch auf Alex Cross abgesehen. Das lässt der amerikanische Titel "Kill Alex Cross" zwar vermuten, aber der Leser wird auf eine harte Geduldsprobe gestellt, ob sich diese Drohung überhaupt bewahrheitet. Wo wir gerade beim Titel sind: der amerikanische haut ja irgendwie noch hin, über den sinnfreien "deutschen" Titel Cold hüllen wir lieber das Mäntelchen des Schweigens.
Gut zwanzig Jahre sind seit dem ersten Auftritt von Alex Cross, Detective und Psychologe beim Washington Police Departement, in "Along came a spider" (dt: Morgen Kinder wird’s was geben), Band 1 der nach ihm benannten Serie, vergangen. Während unsere Realzeit munter voranschritt, scheint sie in den Cross-Romanen nahezu stillgestanden zu haben. Im hier vorliegenden Band 17 Cold begegnen uns die selben Protagonisten wie im ersten Band, Cross´ Großmutter Nana Mama, seine Kinder und sein unverwüstlicher Kollege John Sampson vom Washington Police Department. Nur bei seinen Lebensabschnittsgefährtinnen (so muss man sie wohl bezeichnen) scheint die gute Seele auf Abwechslung zu setzen. Zur Zeit ist er mit der Polizistin Bree verheiratet. Nichts prickelnd Neues im Privatleben der Familie Cross also, was leider genau zum vorliegenden Thriller-Plot passt.
Eigentlich ist es doch immer die gleiche Leier, nicht nur bei Patterson, sondern auch bei vielen seiner Kollegen: der allmächtige Super-Serienheld gegen den vermeintlich perfekten Super-Verbrecher. Da der Bösewicht in Cold nicht das richtige Kaliber besitzt, sah sich der Autor bemüßigt, den Haupthandlungsstrang mit allerlei Terror-Gedöns zu garnieren. Ist man gnädig, ergibt das allenfalls den Anschein von Action. Action, die zum Selbstzweck degeneriert? Nein, danke!
Was für eine Entwicklung. Die Alex-Cross-Reihe ist einmal mit wirklich guten, ausgeklügelten Krimi-Plots gestartet und jetzt will sie mit dumpfer Action unterhalten. Ist das ein Zeichen der Zeit oder ist der Autor so erfolgsverwöhnt, dass er sicher sein kann, dass jedes Elaborat aus seiner Schreib-Maschinerie auch ein Käufer findet? Qualität sieht anders aus, deshalb rät der Rezensent dringlich vom Erwerb des Buches ab.
James Patterson, Weltbild
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