Manhattan Fever

  • Suhrkamp
  • Erschienen: Januar 2013
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  • New York: Riverhead, 2012, Titel: 'All I did was shoot my man', Seiten: 326, Originalsprache
  • Berlin: Suhrkamp, 2013, Seiten: 380, Übersetzt: Kristian Lutze
Manhattan Fever
Manhattan Fever
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Matthias Kühn
84°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2012

Ich hab doch bloß auf meinen Mann geschossen!

Immer wieder muss Leonid Trotter McGill dafür bezahlen, dass er in einem früheren, längst vergangenen Leben üble Dinge getan hat. Er fälschte im Auftrag skrupelloser Strippenzieher ebenso skrupellos Beweise; er schob Unschuldigen Indizien unter, die für eine Anklage samt Verurteilung ausreichten. Und jetzt, als Privatdetektiv, – jetzt würde er gern zu den Guten gehören, was ihm meistens auch recht ordentlich gelingt. Aber eben nicht immer. Oder wie er selbst sagt, nur wenige Seiten vor Ende dieses vierten Romans einer tollen Serie:

 

"Ich habe ein paar schreckliche Dinge getan. Dem kann man nicht entkommen. Und selbst, wenn ich versuche, es wieder gutzumachen schaffe ich nur noch mehr Probleme."

 

Damit ist die Grundidee der Figur Leonid McGill kurz umrissen. LT, wie er auch genannt wird, ist eine starke, interessante Erfindung von Walter Mosley, der vor allem mit seinen Romanen um Easy Rawlins berühmt wurde. LT ist manchmal liebenswert, manchmal bescheuert, manchmal fast schon naiv; er hält oft an Bestehendem fest, weil es ihm Halt gibt; er kann knallhart sein, wofür er im Boxstudio und in Treppenhäusern regelmäßig Kondition und Kraft trainiert; und er ist, bei Manhattan Fever in erträglicherem Rahmen als zuletzt, moralisch. Mosley hat die Kurve gekriegt und kommt zum Glück wieder mit weniger Pathos aus.

Straßenbildung und väterliche Kaderschulung

McGill kann sich furchtbar aufregen, wenn er nur den Anflug eines Gefühls hat, ungerecht behandelt zu werden oder klischeehaft abgekanzelt zu werden. Ein Beispiel: Natürlich geht eine erfolgreiche Businesslady davon aus, dass ein Schwarzer, der sich hauptsächlich auf der Straße auskennt, kein Wort Französisch spricht und plaudert also einfach drauf los. Und ebenso natürlich hält McGill die Klappe und gibt erst viel später zu erkennen, dass er jedes Wort verstanden hat. Er kann sogar im Literaturkreis mit seiner theoretischen Bildung punkten, was er vor allem seinem kommunistischen Vater zu verdanken hat. Das ist Attitüde – klar. Aber es macht Spaß. Eben auch weil das Maß stimmt.

Der nette Herr Killer als Umzugshelfer

Nun hat McGill in seinem früheren Leben mit bloßen Händen Menschen erwürgt, was er, so viel will ich verraten, als alternder Privatdetektiv auch noch kann. Einer der Menschen, die ihm am nächsten stehen, ist ein ehemaliger Profikiller, der sich zwar zur Ruhe gesetzt hat, aber selbst in McGills Augen eine ständige Gefahr darstellt. Hier wird dieser Hush sogar als Umzugshelfer engagiert, aber man weiß: Wenn's hart auf hart kommt, würde Hush sofort töten. Gelernt ist gelernt:

 

"Willst du, dass ich in der Sache was unternehme?"
"Ich komme vielleicht darauf zurück."

 

Der Schatten aus der Vergangenheit heißt in diesem Roman Zella Grisham. Die landete hinter Gittern, weil McGill den Auftrag hatte, falsche Spuren zu legen. Vielleicht wäre sie eh in den Knast gekommen, aber sicher nicht so lange – schließlich hatte sie "nur auf ihren Mann geschossen", wie der Originaltitel bereits sagt.

Auftragsmörder im Wohnzimmer

Jetzt will McGill Zellas Unschuld beweisen, natürlich ohne sich selbst zu outen, aber schon beim kleinsten Versuch explodiert seine Welt – er sticht in ein Wespennest und wird selbst zum Gejagten. Dabei hat er, wie der deutsche Titel etwas kryptisch andeutet, heftiges Fieber und steht unter starken Medikamenten. Nicht nur er selbst wird bedroht, die Gewalt macht vor seiner Wohnung und damit vor seiner Familie keinen Halt.

Überhaupt die Familie – das ist ja eine der Stärken der McGill-Romane, dass Mosley dieser ungewöhnlichen Familie viel Raum gibt. Es geht nur oberflächlich um Alltagsgeschichten, in Wirklichkeit schildert der Autor den schmalen Grat zwischen bürgerlichem Leben in angenehmer Sicherheit und tödlicher Bedrohung durch Verbrechen und Gewalt. Dazu kommt, dass die Familie erstklassig zusammengestellt ist – mit Kindern von anderen Männern, mit Geliebten, mit einem totgeglaubten Vater, der schon im Vorgängerroman zumindest als Phantom auftauchte. Genau das ist die Kunst, die Mosley absolut beherrscht: Scheinbar belanglose Alltäglichkeiten erscheinen aufregend und spannend, weil sie immer in die vielschichtigen Plots integriert werden und diese manchmal sogar bedingen.

Alle Figuren haben ihren Ursprung in Manhattan Karma und werden über Falscher Ort, falsche Zeit und Bis dass der Tod uns scheidet weitergeführt. Die etwas komplexen Familienverhältnisse werden natürlich immer wieder erklärt, aber die Entwicklung der einzelnen Stränge findet langsam und von Buch zu Buch statt. Die Kinder werden älter, manche Figuren, die in früheren Romanen tragende Rollen spielten, blieben hängen und bekamen neue Rollen zugeteilt – etwa als Sekretärin oder als Schwiegertochter.

Wie alle diese Bücher hat auch Manhattan Fever eine eigene, in sich geschlossene Geschichte, die wieder über eine starke Architektur verfügt. Die Stränge sitzen, das Fundament steht ja sowieso, die Statik ist bestens berechnet. Insofern kann man diesen Roman wohl auch lesen, ohne die Vorläufer zu kennen. So genau weiß ich das gar nicht – für mich ist das Wiedererkennen und Erinnern ein Teil des Vergnügens, das ich mit Manhattan Fever hatte. Und das hatte ich, was auch an der sauberen Übersetzung von Kristian Lutze lag.

Manhattan Fever

Walter Mosley, Suhrkamp

Manhattan Fever

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