Leiche in Acryl
- dtv
- Erschienen: Januar 2013
- 0
- Oslo: Aschehoug, 2012, Titel: 'Slakteren', Seiten: 443, Originalsprache
- München: dtv, 2013, Seiten: 528, Übersetzt: Günther Frauenlob & Maike Dörries
Sympathische Schwächen
Drei Jahre nach seinem Erstling Tödlicher Applaus widmet sich der Opernsänger und Schauspieler Øystein Wiik im Deutschen Taschenbuch Verlag wieder dem Schreiben eines Krimis und dem Original Slakteren haben Günther Frauenlob und Maike Dörries die Leiche in Acryl übersetzt, die auf 319 Seiten erneut in die Welt der schönen Künste entführt.
Tom Hartmann, ist nach seiner unfreiwilligen Hauptrolle in den Vorgängen an der Wiener Staatsoper mittlerweile als erfolgloser Kulturjournalist pleite gegangen. Bis der Autor uns das aber erzählt, sind schon zwei Morde in Norwegen passiert, bei der zwei Männer aus der Szene der Bildenden Künste brutal und sehr dekorativ zu Leichen drapiert wurden. Was liegt also näher, als das Hauptkommissarin Catherine Price, die Exfrau von Tom Hartmann, die Ermittlungen übernimmt. Catherine, alleinerziehende Mutter der zwölfjährigen Cecilie, ist neuerdings wieder schwanger und das vom Aktienfuzzie Matthias Marstrander, mit dem Catherine allerdings nicht zusammen lebt und den Tom überhaupt nicht ausstehen kann, was zu so geistreichen Dialogen führt, wie:
"Warum hast du es nicht wegmachen lassen? Wenn du gar nicht mit diesem Kerl zusammen bist?"
"Ich bin bald vierzig. Ich muss die Kinder nehmen, die ich kriegen kann."
Und Hartmann muss die Jobs nehmen, die er kriegen kann. Als ihm der windige Eddie Jones eine Partnerschaft bei einem neuen Projekt anbietet, fliegt er nach Cap Ferrat, um dort wieder mal völlig unschuldig in die kriminellen Machenschaften rund um die Sammler von Gemälden zu geraten, die legal und illegal über große Summen verfügen, die die Gauner anlocken, wie das Licht die Motten. Leider hat Eddie gerade eine Leiche im Kofferraum seines Maserattis und das war die Frau des einflussreichsten und geheimnisvollsten Kunstsammlers Kees van Delden, der sich in einem Anwesen verschanzt hat, das von einem gefräßigen Komodowaran bewacht wird. Und er sucht nicht nur seine Frau, sondern auch ein verschwundenes Gemälde.
Zwischen allen Parteien steht eine wunderschöne Frau, Irene Willum, die Dame ohne Lebenslauf, erfolgreich und milliardenschwer, und begehrt von jedem Mann, der ihr jemals in die Augen oder auf sonstige Körperteile gestarrt hat. Und sie zieht im Hintergrund die Strippen …
Da kommen auf den Leser also reichlich viele zwielichtige Personen zu, die alle einem High Society-Comic entstiegen sein könnten. Und jeder Einzelne hat nur eine Intention, nämlich den Anderen übers Ohr zu hauen. Naivlinge, wie Tom Hartmann, bleiben dabei hängen und kriegen ordentlich ihr Fett weg. Dass die Leiche in Acryl trotzdem über dem Goldenen Blatt-Niveau rangieren kann, liegt in erster Linie an den profunden Kenntnissen des Autors über Kunst und Kultur, sowie den ausreichend eingestreuten Actionszenen, die zum Teil einen reichlich skurrilen Brutalofaktor aufweisen.
Spannung hat der Autor in genügendem Maße eingebaut, allerdings ist die Kurve stellenweise durchhängend und das resultiert aus den teilweise zusammenhanglos eingeflochtenen Rückblenden, die zwar für die Handlung notwendig sind, aber zum Teil eben unpassend plaziert wurden. Der Leser hätte diese Rückblenden in vielen Fällen ohnehin nicht gebraucht, weil es schon nach kurzer Lektüre ganz klar ist, was damals passiert ist und wer der aktuelle Mörder (bzw. Auftraggeber) sein muss. Und es gilt auch, was in meiner Kritik zu Tödlicher Applaus angemerkt wurde, dass Øystein Wiik zu dick aufträgt, dies aber den Lesefluss nicht stört, weil es die Spannung nicht verringert.
Die Leiche in Acryl ist passabel und leicht zu lesen, wenn man sich mal die vielen Charaktere gemerkt hat, die ohnehin im Lauf der Handlung weniger werden. Dass sich immer wieder solche Intelligenzausrutscher, wie der oben angeführte Dialog, finden, kann man dabei als unfreiwillige Humorentgleisungen ignorieren, denn diese finden sich bei den Dialogen in Hülle und Fülle und in jedwede Richtung. Aber vielleicht machen gerade solche Textpassagen den Autor sympathisch und menschlich.
Øystein Wiik, dtv
Deine Meinung zu »Leiche in Acryl«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!