Das Fest der Schlangen

  • Bertelsmann
  • Erschienen: Januar 2013
  • 4
  • München: Bertelsmann, 2013, Seiten: 320, Übersetzt: Rainer Schmidt
Das Fest der Schlangen
Das Fest der Schlangen
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Marcel Feige
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2012

Das Tier im Menschen

Brewster ist eines dieser typischen amerikanischen Nester im Nirgendwo: eine breite Durchgangsstraße, beiderseits des Weges die Fastfood-Riesen und Motels, dahinter Einfamilienhäuser, uniformiert wie Legebatterien, sich rasterförmig in alle Himmelsrichtungen ausbreitend. Aufregung verspricht allenfalls das jährliche Feuerwerk zum 4. Juli oder der Halloweenabend.

Genau der steht Brewster nun bevor, nur dass es diesmal nicht die als Hexen und Vampire kostümierten Kinder sind, die über den Ort herfallen, sondern der Teufel leibhaftig. Zumindest ist dies der Glaube der Leute, nachdem auf der Säuglingsstation des örtlichen Krankenhauses anstatt eines Neugeborenen eine Schlange im Babybett aufgefunden wird.

Eines vorab: Das Fest der Schlangen ist ein mehr als unglücklicher Titel, den der deutsche Verlag für den neuen Thriller von Stephen Dobyns ausgesucht hat. Abgesehen von den ersten 50 Seiten, auf denen das Verschwinden des Babys Mittelpunkt der polizeilichen Ermittlungen ist, hat der Roman rein gar nichts mit Schlangen zu tun.

Im Original heißt der Roman The Burn Palace, was der Sache schon viel näher kommt, denn der so genannte »Ofenpalast« von Brewster ist Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Die im übrigen auch nicht wirklich ein Thriller ist, auch wenn die Verlagsetikettierung es dem Leser Glauben machen möchte.

Aber für den Leser gilt wie für die Bewohner Brewsters: Nichts ist wie es auf den ersten Blick scheint.

Natürlich geht es in Das Fest der Schlangen um das rätselhafte Verschwinden des Säuglings, um einen mysteriösen Hexen- und Satanskult, um eine gefährliche Kojoten-Plage und um eine Reihe seltsamer Morde. Doch das alles rückt in den Hintergrund angesichts der Akribie, mit der Stephen Dobyn sich dem Seelenheil seiner Hauptfiguren widmet, von denen es weiß Gott nicht wenige gibt.

Gerade das aber macht den Reiz von Das Fest der Schlangen aus nämlich zu erleben, wie Dobyns mit geradezu diebischer Freude das kleinstädtische Miteinander Brewsters zerstört, Stunde um Stunde ein bisschen mehr, und wie die Menschen in Angesicht von wachsender Verzweiflung und Angst nicht nur ihre sorgsam gehüteten Werte, sondern auch den guten Glauben in den Wind schießen.

Das ist freilich nichts Neues bei Dobyns: Er schert sich nicht nicht um Thrillerkonventionen, vermengt stattdessen Krimi mit Drama und Tragödie und gibt zu guter Letzt noch einen Schuss Fantastik hinzu. Denn genau dorthin, in die übernatürliche Welt, flüchten sich die Menschen für gewöhnlich, wenn ihnen die Erklärungen ausgehen für den Irrsinn, der ihnen widerfährt: Das kann doch alles nicht wahr sein!

Ist es aber. Es ist nur das Tier im Menschen, das im Ernstfall zum Vorschein kommt. Und auch das ist zuhöchst menschlich.

Das Fest der Schlangen

Stephen Dobyns, Bertelsmann

Das Fest der Schlangen

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