Auf den Schwingen der Hölle
- fhl
- Erschienen: Januar 2012
- 1
- Leipzig: fhl, 2012, Seiten: 182, Originalsprache
Rachetrip in die Finsternis
4000 Einwohner hat Svolvær, der touristische Hauptort der Lofoten und ich genieße gerade den norwegischen Winter mit Tageshöchstwerten minus 10 Grad, während ich mir die Lektüre von Jan Fliegers Norwegen-Krimi Auf den Schwingen der Hölle aus dem fhl-Verlag Leipzig zu Gemüte führe, das allerdings diese schöne, karge Landschaft zu deutlich wärmeren Jahreszeiten beschreibt.
Sie hatten eine gute Ehe bis zu jenem Tag, als man ihn zur toten Manu führte. Bis zu diesem Tag, dem Tag, als ein Mann in weißem Kittel ein Laken zurückschlug und er nur noch nicken konnte, da das Entsetzen ihn stumm machte.
Bachmann hat den Tod seiner Tochter nicht überwunden. Und als der Vergewaltiger und Mörder seines Kindes nach Jahren frei kommt, setzt er sich gemeinsam mit seiner Frau auf die Spur des verhassten Mannes und kennt nur ein Ziel: Emmerlein muss sterben.
Der Detektiv, denn Bachmann auf Emmerlein angesetzt hat, weiß nur eines sicher. Dieser hat sich mit einem roten, japanischen Auto nach Norden abgesetzt und soll zum Fischen auf die Lofoten gefahren sein. Und es kann gar nicht so schwer sein, auf den nur insgesamt 24.000 Einwohner zählenden Inseln den Killer zu finden und zu liquidieren ...
Jan Flieger zeichnet ein bedrückendes Bild eines Vaters, der ob des gewaltsamen Todes seiner Tochter jeglichen Bezug zur Gegenwart verliert und an nichts Anderes mehr als an Rache zu denken vermag. Dieses alles beherrschende Denken eines durch Verbrechen gewaltbereit gewordenen Menschen zeichnet ein düsteres Leben, das in der einsamen Landschaft der norwegischen Inseln perfekt angesiedelt ist, obwohl es speziell im Sommer auf den herrlichen Inseln keine Spur von Düsternis gibt, aber dieser gewisse Hauch von Einsamkeit und Einklang mit der Natur lässt auch während der warmen Jahreszeit genügend Spielraum für individuelle Motive und Lebensformen aufkommen.
Bachmann jedenfalls packt all sein Hab und Gut und auch seine Frau ins Auto und beginnt die Jagd. Bachmann, ein Getriebener und Einzelgänger, wird hier im Kampf gegen seine Frau gezeigt, die in all den Jahren mit dem Schicksal abgeschlossen hat und seine krankhafte Sucht nach Rache nur mehr teilweise akzeptieren kann. Wie ein gesunder Mann im Lauf der Jahre zu einer psychisch kranken Person wird, fehlt zwar als Einleitung zu diesem Roman, aber der Leser hat sofort den Knackpunkt im Leben des bedauernswerten Bachmann erkannt und verfolgt mit ihm die erschreckende Jagd auf den Spuren des Verbrechers von damals. Begleitet von einer Frau, die begierig ist, das alles hinter sich zu lassen und endlich wieder ein freies Leben zu führen und einem Mann, der nicht sieht, wie sehr er sich und seine Partnerschaft aufreibt, trifft er dann auf denjenigen, der an all dem schuld haben muss.
Eine beklemmende Geschichte, auch für den Leser, der eigentlich gemeinsam mit Bachmanns Frau aufschreien will, dass es gut ist und endlich mal aus sein muss mit den Rachegefühlen und auch ein normales Leben wieder möglich sein sollte, kann man sich der engstirnigen und getriebenen Gedankenwelt Bachmanns nicht entziehen. Dieses Buch ist vor allem gefühlsmäßig völlig verquer angelegt und im Endeffekt wird der arme Bachmann vom bedauernswerten Sympathieträger zum tragischen Bösewicht hochstilisiert und dann scheint auch dem Leser die Gerechtigkeit und der Blick auf das Wesentliche zu entgleiten ... ein psychologischer Drahtseilakt, an dessen einem Ende Schuld und am anderen Sühne zu liegen scheinen.
Jan Fliegers Auf den Schwingen der Hölle ist kein Krimi, den man so einfach liest. Spätestens zur Hälfte des Buches fragt man sich, ob das wirklich alles so sein muss. Für die Schönheit der Landschaft fehlt trotz aller Bemühungen des Autors, dies in wunderbares Licht zu rücken, völlig der Blick, so dominant wird die beinharte Selbstzerstörung des unrühmlichen Romanhelden inszeniert. Ein Buch, das den Leser mitnimmt und beschäftigt, aber sicher kein Buch, das man nach dem Lesen einfach aus der Hand legt, ohne ein Mal kräftig durchzuatmen.
Jan Flieger, fhl
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