Kriegsgebiete

  • Ed. 211
  • Erschienen: Januar 2012
  • 1
  • München: Ed. 211, 2012, Seiten: 211, Originalsprache
Kriegsgebiete
Kriegsgebiete
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Jürgen Priester
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2012

Posttraumatische Belastungsstörung

Gut zehn Jahre hat es dauert, bis ein deutscher Verteidigungsminister es gewagt hat, die "Friedensmission" in Afghanistan so zu bezeichnen, wie die Soldaten vor Ort es immer empfunden haben, als Kriegseinsatz. Deutsche Sicherheit und Freiheit zu verteidigen, ist ein hehres Ziel und per definitionem eine Aufgabe der Bundeswehr. Ob eine Präventivverteidigung am Hindukusch mit genannten Aufgaben einhergeht, wäre eine zu diskutierende Frage. Der humanitäre Aspekt, ein wie auch immer geartetes Staatsgebilde auf Dauer vor den eigenen Leuten zu schützen, hat, wie die Geschichte immer wieder gezeigt hat, keine Perspektive. Andere Motive, gar wirtschaftliche, hinter einem Kriegseinsatz zu vermuten, kann einem Querdenker schon mal das Amt kosten. Schätzungen zufolge kostet der Krieg in Afghanistan jährlich 2500 – 3000 Menschen das Leben. 53 Bundeswehrsoldaten sind bisher in diesem Kriegseinsatz "gefallen", wie es euphemistisch heißt. Die Zahl der Soldaten, die an psychische Folgeschäden des Krieges leiden, ist nicht genau bekannt, da von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden kann. Seriöse Untersuchungen gehen davon aus, dass sechzig Prozent der Soldaten mit psychologischen Belastungen heimkehren. Zwanzig Prozent sind so gefährdet, dass eine Progression des Krankheitsbildes einer PTBS nicht auszuschließen ist. Gewaltausbrüche gegen andere, psychosomatische Erkrankungen, Alkohol- oder Drogenmissbrauch, Persönlichkeitsveränderungen werden in diesem Zusammenhang beobachtet.

Die Hauptperson in Roland Sprangers spannendem Psychothriller Kriegsgebiete ist ein deutscher Soldat, der durch seine Kriegserlebnisse in Afghanistan psychischen Schaden genommen hat. Nach zwei Zeiten in Afghanistan zurück in seiner Heimatstadt Hof kann er sich überhaupt nicht in einen normalen Alltag einfinden. Die einst so vertraute, sichere Umgebung birgt auf einmal Unwägbarkeiten, die ihn zunehmend verunsichern. Sein Zuhause entwickelt sich zu einem weiteren Kriegsgebiet.

Daniel Schramm ist Hauptfeldwebel in der Bundeswehr. Seine Kampfeinsätze am Hindukusch haben ihn zu einem erfahrenen Unteroffizier werden lassen. Auf einer Patrouillenfahrt, an sich ein Routinejob, gerät er mit seinen Kameraden in einen Hinterhalt der Taliban. Das mörderische Feuergefecht endet mit Toten und Verletzten auf beiden Seiten. Die deutschen Soldaten werden samt und sonders repatriiert.

Schramm, körperlich ohne nennenswerte Blessuren davongekommen, kann sich trotz psychotherapeutischer Unterstützung nicht von den traumatisierenden Bildern sterbender Kameraden lösen. Frau und Tochter haben ihn schon verlassen. Kontakte zur Außenwelt werden immer spärlicher. Einzig die Besuche seines alten Kumpels Maik und sporadische Telefonate mit Timo, der gleichfalls den Überfall der Taliban überlebt hat, retten Schramm vor völliger Isolation. Mit straff reglementierten Tagesabläufen, ausgedehntem Jogging und Gewaltmärschen, bei denen er Schmerzen als Lebenszeichen empfindet, versucht er sich ein äußerliches Korsett der Sicherheit zu geben. Am Ende einer seiner Touren stößt er unvermittelt in einem nahegelegenen See auf die Leiche einer jungen Frau. So plötzlich wieder mit dem Tod konfrontiert, macht er bei seiner Meldung auf der Polizeiwache einen verstörten Eindruck und er spürt das Misstrauen der Beamten. Und in der Tat verdächtigen die Ermittler diesen Sonderling, der, wie sie feststellen werden, unter freiem Himmel in seinem eigenen Garten auf einer ramponierten, völlig durchnässten Couch kampiert. Ungünstig für Schramm ist auch, dass sein BW-Kampfmesser verschwunden zu sein scheint, ein Messer, das nach Einschätzung der Forensiker durchaus als Tatwerkzeug infrage kommen könnte.

Daniel Schramm weist alle Anschuldigungen vehement von sich. Anfänglich ist er sich absolut sicher, nichts mit den Morden an jungen Frauen - es werden ihm zwei weitere Morde zur Last gelegt – zu tun zu haben. Seine Selbstsicherheit schwindet, als in seinem Umfeld ihm unerklärliche Dinge geschehen. Er gerät zunehmend in Erklärungsnot. Dem Druck, der seitens der Polizei und seiner Exfrau und deren neuen Lebensgefährten auf ihn ausgeübt wird, kann er kaum noch standhalten. Schlaflosigkeit, Panikattacken und möglicherweise Blackouts sind die Folge. Sollte er in der Zeit dieser Absenzen nun doch..? Ist er im Begriff, schizophren zu werden? Oder treibt jemand ein ganz übles Spiel mit ihm? Das sind die Fragen, die ihn quälen, und deren Beantwortung er selbst in die Hand nehmen muss.

Mit Kriegsgebiete ist Roland Spranger ein beachtenswerter Psychothriller gelungen, der einen Vergleich mit dem "frühen" Fitzek nicht scheuen muss. Flott geschrieben und nach gut 200 Seiten auf den Punkt gebracht, bereitet er mehrere Stunden spannende Unterhaltung. Hervorzuheben ist, dass der Autor seinen Thriller vor einem realistischen Hintergrund spielen lässt. Menschen, die wo und wann auch immer in Kriegshandlungen verwickelt wurden, kehren verändert oder gar traumatisiert zurück. Auch für Romanheld Daniel Schramm ist der Krieg nicht mit seiner Rückkehr in die Heimat beendet. Er findet zuerst in seinem Kopf, dann auf und hinter seinem Rücken statt. Kriegsgebiete – hier wie dort. Lesenswert!

Kriegsgebiete

Roland Spranger, Ed. 211

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