Kreuzzug
- Droemer Knaur
- Erschienen: Januar 2012
- 4
- München: Droemer Knaur, 2012, Seiten: 549, Originalsprache
Gesteuerte Terroristen morden plötzlich auf eigene Rechnung
Tien Hung Baumgartner, vietnamesisches Adoptivkind bayrischer Eltern, will mal wieder auf die Zugspitze. Er hat einen Foto-Auftrag eines großen amerikanischen Magazins, der ihm viel Geld bringen wird. Auf dem höchsten Berg der deutschen Alpen sind auch an diesem Drei-Königs-Tag wieder Massen von Menschen unterwegs, Touristen, Skifahrer, Schaulustige. Doch die Fahrt mit der Zugspitzbahn nimmt ein jähes Ende – vor und hinter dem Zug werden die Felsen gesprengt, und 200 Menschen im Berg eingeschlossen. THW, Bergwacht, Polizei und DRK werden alarmiert, doch es dauert, bis das Ausmaß der Katastrophe deutlich wird. Als klar ist, dass es sich um eine Geiselnahme durch Terroristen handelt, wird auch die Bundeswehr alarmiert. Im Austausch gegen je eine Geisel sollen Gefangene aus amerikanischen Gefängnissen freigepresst werden. Doch die Lage eskaliert, Politik, Geheimdienste und Polizei verlieren schnell den Überblick. Bis zum dramatischen Finale gibt es für alle Beteiligten noch reihenweise unliebsame Überraschungen.
Neben seiner "Gonzo-Hartinger-Reihe" hat Marc Ritter mit Kreuzzug einen rasanten Thriller geschrieben, der mich wirklich überrascht hat. Klappentexte sind oft aus Marketing-Gründen leicht überdreht, aber hier wurde nicht zu viel versprochen. Einzig die Rolle des Tien Hung Baumgartner wird ein wenig überzogen dargestellt – aber das ist eine verzeihliche Sünde. Der Plot sorgt von Beginn an dafür, dass unglaubliche Spannung aufgebaut wird. Eine Geiselnahme durch Terroristen ist an sich nichts ungewöhnliches, aber der Ort des Geschehens ist perfekt gewählt, was sicherlich den Ortskenntnissen des in Garmisch-Partenkirchen geborenen Autors zuzuschreiben ist. Marc Ritter nutzt dieses Wissen für ganz spezielle Schmankerl und Wendungen in seiner Geschichte, was mir ausgezeichnet gefallen hat. Die für Leser und Behörden erst langsam deutlich werdende Situation, dass die Terroristen im Grunde alle 5000 Menschen auf der Zugspitze in ihrer Hand haben, sorgt für eine erhebliche Steigerung der Spannung in diesem Thriller.
Besonders glaubwürdig wirkt auf mich, dass die deutschen Behörden die Dimensionen des Vorfalls zunächst gnadenlos unterschätzen. Und auch die eher unrühmliche Rolle der Politik ist leider allzu realitätsnah. Das bekannte Gerangel um Zuständigkeiten, Befehlsgewalten, die Rolle der Medien und der Politiker – man fühlt sich wie in einem schlechten Film oder wie in der Realität. Der adelige Verteidigungsminister mit seiner Medien-bewussten Gattin gibt dem Journalisten "JFK" von SAT 1 ein Exklusiv-Interview vor der Kulisse der Zugspitze. Klar, dass man dabei an Kerners viel diskutierte und kritisierte Show mit Karl-Theodor zu Gutenberg nebst Ehefrau in Afghanistan denkt. Solche Bezüge zur deutschen Polit- und Medien-Wirklichkeit baut Marc Ritter perfekt in seinen Roman ein, und bei allem Ernst und aller Spannung kann man sich als Leser mehrfach das Grinsen kaum verkneifen, denn auch die entsprechenden Dialoge sind sehr authentisch.
Der Autor arbeitet mit vielen schnellen Szenenwechseln, und auch die Zahl seiner Protagonisten sorgt dafür, dass man als Leser aufmerksam bei der Sache bleiben muss. Aber die zahlreichen höchst überraschenden Wendungen treiben den Spannungspegel immer weiter in die Höhe, Langeweile kommt nun wahrlich nicht auf. Mit seinen Protagonisten geht Marc Ritter übrigens durchaus verschwenderisch um, ich verrate sicher nicht zu viel, aber einige wichtige Personen erleben das Ende der Geschichte nicht.
Durchaus dick aufgetragen hat der Autor bei der Herkunft der Terror-Gruppe. Aber der Plot ist in dieser Hinsicht so durchdacht und verwinkelt in allen seinen Verästelungen, dass es schon wieder durchaus glaubwürdig wirkt. Die Truppe hält sich nicht an den Drehplan, den Geheimdienstlern gehen die Nerven durch, und man muss vor allem im Finale auch zwischen den Zeilen lesen, um als Leser den Durchblick zu behalten. Am Ende ist aber nicht der Realitätsgehalt das Entscheidende, sondern das Buch ist einfach gut lesbar, flüssig erzählt, unglaublich spannend und dadurch hoch unterhaltsam. Die Hartinger-Krimis von Marc Ritter habe ich nicht gelesen, aber nach der Lektüre von Kreuzzug steht für mich fest, dass er ein ausgezeichneter Thriller-Autor ist – und deshalb freue ich mich auf das nächste Werk aus seiner Feder.
Marc Ritter, Droemer Knaur
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