Der Knochenbrecher
- Argon
- Erschienen: Januar 2012
- 28
- London: Simon & Schuster, 2011, Titel: 'The night stalker', Originalsprache
- Berlin: Argon, 2012, Seiten: 4, Übersetzt: Uve Teschner
Von diesem Gynäkologen würde ich abraten
Wenn es einen Preis für den unsinnigsten deutschen Titel gäbe, Der Knochenbrecher hätte die Chance auf eine Pole Position. Was beim riesigen Teilnehmerfeld schon einiges heißen will. Denn obwohl es in Chris Carters Roman nicht gerade zimperlich zugeht, liegt das hauptsächliche Augenmerk des vorgeführten Parade-Psychopathen nicht darin, explizit Knochen zu brechen. Ergibt sich halt so nebenbei. The Night Stalker, so der Originaltitel, trifft es ein wenig besser, aber auch nicht so wirklich, denn der perfide Serienkiller hinter dem der hyperintelligente, durchtrainierte, gutaussehende und überhaupt atemberaubende Robert Hunter, seinem Nachnamen entsprechend, herjagt, stalkt rund um die Uhr.
Der Knochenbrecher ist ein Serienkiller-Thriller von der Stange, der eine weitere bekloppte, äh, ausgefallene Idee zu Markte trägt, die offene Münder und wohliges Schauern provozieren soll. Ein kleiner Schneidermeister, der ein traumatisches Erlebnis in seiner Vergangenheit völlig falsch interpretiert, näht jungen Frauen nicht nur Mund und Vagina zu, sondern hinterlässt auch böse Fallen, mit denen sich die Opfer unwissend und zwangsläufig selbst umbringen. Wer jetzt SAW sagt ist ein ungehöriger Schelm, denn die tödlichen Selbstzerstörungsmechanismen sind inwendig angebracht, was natürlich ganz klar und weit weg vom mittlerweile siebenteiligen filmischen Konkurrenten weist. Wobei positiv anzumerken ist, dass Carter die unappetitliche Chose einigermaßen dezent in Szene setzt, und sich sogar den Luxus erlaubt, seinen Opfern Gesichter und zumindest rudimentäre, individuelle Biographien zu verleihen. Da sind andere Autoren weit ignoranter und/oder expliziter im Gebrauch von graphischen Splatter-Effekten. Letzteres kann man natürlich auch negativ auslegen: Denn warum eine hirnrissige Prämisse erschaffen, wenn man deren Folgen nicht exzessiv ausleuchtet? Warum nicht ein großes "wie ekelhaft" provozieren, statt ein kleines "igittigitt" hinter vorgehaltener Hand?
Ähnlich inkonsequent geht Carter mit seinem Helden des L.A.P.D. um. Darf er über mehr als 350 Seiten der unangefochtene, reaktionsschnelle, kluge Meister aller Klassen sein, verliert Robert Hunter im finalen Zweikampf die meisten seiner sensorischen und kampfkünstlerischen Fähigkeiten wie Samson seine Haare.
Doch keine Bange, Hilfe naht. Wer daran zweifelt und die vorherigen Sätze gar für Spoiler hält, glaubt vermutlich auch, dass der Weihnachtsmann alle Geschenke alleine verteilt. Im Vertrauen: Tut er nicht.
… sondern verschenkt sogar manchmal Sachen, die man sich gar nicht gewünscht hat. Das kann einem bei Chris Carter nicht passieren. Hier bekommt jeder, was er erwartet. Toughe Helden, kluge Helfer, undurchsichtige Nebenfiguren und einen Bösewicht, der so egal ist, dass ihm sein Autor fast jeden Namen hätte geben können, von jemand, der irgendwo am Rande auftaucht und sei es als Pizzaverkäufer.
Das ist auf schlichte Weise spannend, man wartet halt drauf, dass das Erwartete eintrifft und ist froh, wenn es passiert. Leider erliegt Carter allzu oft dem Faszinosum "Cliffhanger" und so endet jedes gefühlte zweite Kapitel mit einer Tür, die geöffnet wird und hinter der …
Was weiß denn ich, außer dass die brüchige Bindung das Taschenbuch schon beim Lesen auseinander fallen lässt. Was fast als Kommentar durchgeht.
"Nothing to write home about", würde der Auslandsreisende sagen. Ohne große Langeweile gelesen, wenn auch nicht aus unbedingt beabsichtigten Gründen, ist Der Knochenbrecher nicht ganz so plakativ brutal wie Werbung und Klappentext erwarten lassen. Mehr aber auch nicht. Danach vergessen und entsorgt - zwischen Papierkorb und einem Zug, der nach Nirgendwo fährt.
Chris Carter, Argon
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