Crime Machine
- Knaur
- Erschienen: Januar 2012
- 3
- Harpenden: No Exit, 2011, Titel: 'The drop', Seiten: 320, Originalsprache
- München: Knaur, 2012, Seiten: 377, Übersetzt: Conny Lösch
War, children, it's just a shot away
Im Original heißt Howard Linskeys Debüt keineswegs wie sein "deutscher" Titel Crime Machine, sondern vielschichtiger The Drop. "Der Tropfen", "Fall" oder auch "Absprung". Von allem enthält der Roman Anteile.
Der Tropfen, der ein Fass zum Überlaufen bringt, ist eine missglückte Geldübergabe. Verantwortlich dafür ist David Blake, der so findige wie windige Berater des Gangsterbosses Bob Mahoney, der Newcastle mit fester Hand regiert. Noch.
72 Stunden Zeit hat David, seine Unschuld zu beweisen, sonst heißt es Abschied nehmen. Vom gefährlichen, aber gut bezahlten Alltag, von Freundin Laura, vom Leben. David ist begreiflicherweise not amused. Vor allem, da er sich zum Zeitpunkt der Übergabe im Urlaub aufhielt und Stellvertreter Geordie Cartwright an seiner statt für die monatliche Standardaktion verantwortlich war. Doch der ist wie das Geld spurlos verschwunden. Mit dem fiesen Finney, Killer und Bodyguard zu gleichen Teilen, im Schlepptau begibt sich David Blake auf die Suche. Und nicht erst als er Cartwright findet, wird ihm klar, dass es ganz böse enden wird. Es herrscht Krieg in Newcastle und der fordert seine Opfer. Etliche Menschen werden fallen und nicht wieder aufstehen. Andere wiederum schon. Die verstanden haben, worauf es bei Verbrechen im großen Stil ankommt: Zu denken und zu handeln wie ein Geschäftsmann. Zielgerichtet und skrupellos.
Fazit vorweg: Howard Linskeys Crime Machine ist tatsächlich was die Werbung behauptet - ein großer Wurf.
Das beginnt mit der Hauptfigur: David Blake ist alles andere als der typische "Held" eines Kriminalromans. Er sieht sich selbst als eine Art Kreativdirektor des Verbrechens; ein intellektuell wendiger Geschäftsmann, dessen Talente rein zufällig im Bereich der organisierten Kriminalität liegen. Linskey lässt seinen Protagonisten mehr als einmal kluge und schlüssige Affinitäten zwischen Verbrechens- und Geschäftswelt ziehen. Dabei hat David all den gehypten und später abgestürzten Blendern der New Economy mindestens eins voraus: Er weiß um den Wert von Loyalität.
Die braucht er auch, denn ein ungewöhnlicher Typ wie er, hat in der muskelbepackten Macho-Welt des Straßengangstertums kein besonders tolles Standing. Und genau dorthin muss er sich begeben, um den Pfad des verschwundenen Geldes zu finden. Gangsterboss Bobby Mahoney weiß zwar intuitiv um Davids Verdiente und seine Verbundenheit, aber als Gangster alter Schule muss er den Standards gehrochen und Versagen ahnden. Entschuldigungen und offensichtliche Nichtbeteiligung werden nicht akzeptiert.
David weiß um die Rituale und Regeln und gräbt sich zunächst wie ein Maulwurf blind dem Licht entgegen. Schwer genug in einer Welt voller undurchsichtiger und gewaltbereiter Charaktere, die außerdem von Verrätern durchsetzt ist. Als er die Hintergründe erkennt, ist es allerdings mit Blindheit und Passivität vorbei, und David versteht es zu handeln.
Linskey schafft es scheinbar mühelos, einen harten Gangsterroman zu schreiben, der mit Dramatik, Witz und Gewalt nicht geizt und gleichzeitig in der Lage ist, über sich selbst zu reflektieren. Ohne, dass es aufgesetzt oder platt wirkt. Linskey vermeidet tarantinoesque Plaudereien um ihrer selbst willen, ist damit Guy Ritchies Filmen, die als Vergleich zu Crime Machine gerne zitiert werden, um einiges überlegen. So kann er Formeln abhaken und ihnen gleichzeitig neue Bedeutung zuweisen. Vielleicht das schwierigste Unterfangen in einem Genre, dessen Standards schon vielfach gesetzt und wieder gebrochen wurden.
Zu sehen an den Beziehungsgeschichten, die Linskey nebenbei und doch prägnant einflechtet. Denn Crime Machine beginnt nicht mit einem Verbrechen und schon gar nicht einer Gewalttat, sondern einer Lobpreisung von Davids Freundin Laura.
Seht sie euch lange und genau an. Schön, oder? Wie sie da am Swimming Pool steht; eine schlanke, sonnengebräunte, knackige, gesunde, junge Frau auf ein Meter achtundsechzig. Ich meine, was an Laura sollte man nicht mögen?
David stellt diese Frage nicht nur dem Leser, sondern auch sich selbst. Er wird sie im Laufe des Textes beantworten. Sarah, Bobby Mahoneys Tochter wird ihm die Antwort erleichtern. Das "No Go" und gleichzeitig eigentlich ein Todesurteil: Lass dich nie mit der Tochter des Chefs ein. Ein bisschen Vertrauen in diesem Fall, Linskey und David wissen was sie tun. Und so muss im Fall der unglaublichen Laura gespoilert werden, was das Zeug hält. Wer also nicht wissen möchte, wie es mit David Blake und seiner Rechtsanwältin weitergeht, jetzt weglesen:
Als sie endlich aufgehört hatte zu schluchzen, um etwas sagen zu können, drehte sie sich noch einmal zu mir um und jaulte: "Liebst du mich denn nicht mehr?"
"Dich lieben?" fragte ich, als wäre sie völlig irre. "Ich kann dich nicht mal leiden!"
Das Ende einer Liebesgeschichte, die Linskey immer wieder mit Leichtigkeit und später absurder Komik aufgreift, ohne dass sie störend auf den Handlungsverlauf einwirkt. Alleine dafür ein dickes Dankeschön!
So überzeugt Crime Machine auf ganzer Linie, ist bei allen flapsigen Untertönen und gesellschaftskritischen Momenten, eine höchst ökonomisch und ohne überflüssige Redseligkeit erzählte Geschichte aus dem Schattenreich. Und wenn Davids Wandlung – während einer Zugfahrt(!) – dem ein oder anderen aufgesetzt vorkommen sollte, so ist dies ein Widerhaken, den Linskey gekonnt setzt. Denn so verstörend wie sie auch sein mag, willkürlich und aufgesetzt ist Davids Entwicklung/Veränderung nicht.
Er ist ein Geschäftsmann, der Erfolg haben will und erfolgreich bleiben möchte. Deshalb muss in seiner Arbeitswelt zu bestimmten Zeiten Kugelschreiber, Rechner oder Mobiltelefon mit der Machete getauscht werden. Blutige Gesten können in entsprechenden Momenten und Kreisen für Nachdruck sorgen. David Blake weiß das und setzt es spielerisch um, sogar im Wissen um die folgende Paranoia. Er ist ideenreicher Profi in (fast) jeder Lebenslage.
Crime Machine endet wie es begann. Ähnliche Lokalität, nahezu identische Sätze. Und doch ist alles anders. Dazwischen ist Howard Linskey ein ungemein vergnügliches, spannendes und in seiner bitterbösen Konsequenz durchdachtes Buch zum erfolgsorientierten Überleben im 21. Jahrhundert gelungen.
Howard Linskey, Knaur
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