Raylan

  • Suhrkamp
  • Erschienen: Januar 2012
  • 2
  • Berlin: Suhrkamp, 2012, Seiten: 270, Übersetzt: Kirsten Riesselmann
Raylan
Raylan
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Jörg Kijanski
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2012

Ein sehr amerikanischer Roman

Wenn zwei unerfahrene Drogendealer mit einer geldgierigen Transplantationsschwester zusammen kommen, so muss dies nicht unbedingt etwas Gutes bedeuten, denn die besagte Schwester hat eine ebenso brillante wie gewagte Geschäftsidee. Wenn man den Kunden ihre Drogen verkauft, kann man ihnen doch bei dieser Gelegenheit auch gleich ihre Nieren entfernen. Natürlich nur, um sie schnellstens an die Opfer zurück zu verkaufen, da andernfalls deren Lebenserwartung drastisch gegen null tendiert. US Marshall Raylan Givens soll dem Treiben Einhalt gebieten, doch dabei überschlagen sich die Ereignisse. Die beiden trotteligen Dealer wollen entsorgt werden und zudem befindet sich Raylan schneller als erwartet in der Rolle des unfreiwilligen Nierenspenders wieder…

In Harlan County betreibt eine Minengesellschaft Bergbau im ganz großen Stil; sehr zum Leidwesen der dortigen Bevölkerung. Nur der größte und vermeintlich ertragreichste Berg befindet sich noch in Privatbesitz, doch da der Eigentümer partout nicht verkaufen will, müssen rabiatere Methoden eingesetzt werden…

Drei junge Frauen finanzieren ihren Drogenkonsum durch den Überfall von Banken. Allerdings drohen sie aufzufliegen und so sieht sich ihr Zuhälter gezwungen, die Mädels von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Derweil sorgt eine andere junge Frau für mächtig Furore, denn sie nimmt gleich reihenweise die Männer beim Pokerspiel aus …

Raylan heißt der neue Roman des amerikanischen Altmeisters Elmore Leonard, der in Europa noch immer auf den ganz großen Durchbuch wartet. Sein neues Werk Raylan zeigt, warum sich dieser Wunsch wohl nicht mehr erfüllen wird. Raylan ist ein durch und durch typisch amerikanisches Werk, eine Mischung aus klassischem Western mit ständigem Shootout und episodenhaftem Roadmovie. In drei aufeinander folgenden Geschichten, die durch einzelne Nebenfiguren dann doch irgendwie zusammen hängen, wird der eingangs aufgezeigte Plot erzählt. US Marshall Raylan kämpft also an verschiedenen Fronten und hat es im Vergleich zum Leser schwer, denn dieser weis zu jedem Zeitpunkt, wer warum wann was macht. So entsteht leider kein Spannungsbogen und daher überrascht es umso mehr, wie schnell Raylan immer wieder auf die richtigen Spuren kommt. Dann verläuft es meist nach dem gleichen Muster: Man versucht miteinander zu reden und da es hierzu einigen Figuren an der nötigen Geduld fehlt, wird schneller zur Waffe gegriffen als man den Text lesen kann. Es lebe die Selbstjustiz. Yes, that’s the american way of Life - Stay your Ground!

Doch genau hier liegt ein erster Schwachpunkt, denn bei uns käme wohl kaum einer auf die Idee, grundlos alles wegzuballern, was sich einem in den Weg stellt. Da hilft es wenig, dass Elmore Leonard das Ganze völlig überzogen und mit einem gewissen Augenzwinkern erzählt. Genauso wenig funktionieren die letzten (gefühlten) siebzig Seiten, in denen endlos über Texas Hold’Em schwadroniert wird, so dass sich selbst renommierte Pokerveteranen mit Grausen abwenden dürften. Wie, Sie können nicht Pokern? Tja, dann verstehen sie vermutlich ähnlich wenig wie Raylan von dem Spiel. Macht aber nichts, ist ja ein Krimi. Wie jetzt?

Einen großen Pluspunkt bietet Raylan dann aber doch, denn Leonard wäre nicht er selbst, würde er nicht dem Establishment mit Freude in die Parade fahren. Skurril-famose Dialoge bilden ein ums andere Mal einen fulminanten Tritt in den Allerwertesten all jener Menschen, die besonderen Wert auf "political correctness" legen. Während hierzulande ernsthaft darüber diskutiert wird, Jahrzehnte alte Kinderbücher sprachlich "zu bereinigen", da kommt Leonard ganz ungeniert mit Bimbos und Maisfressern um die Ecke. Nein, politisch korrekt ist das alles ganz sicher nicht, aber in seiner völlig überzogen dargestellten Art und Weise wiederum so schräg, dass man zumindest hierüber ein wenig schmunzeln kann. Immerhin ein Lichtblick bei all den schrägen Gewaltexzessen!

Raylan

Elmore Leonard, Suhrkamp

Raylan

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