Rot

  • Aufbau
  • Erschienen: Januar 2012
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  • Helsinki: Otava, 2011, Titel: 'Punainen jättiläinen', Seiten: 432, Originalsprache
  • Berlin: Aufbau, 2012, Seiten: 560, Übersetzt: Peter Uhlmann
Rot
Rot
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Matthias Kühn
91°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2012

Mundus Novus, Teil drei: Der Beginn der Zerstörung

Folgende Situation: Jemand steht in einer (hoffentlich unabhängigen) Buchhandlung (ohne Leiharbeiter) und hat Rot in der einen Hand. In der anderen das Smartphone oder Pad, um nachzuschlagen, ob dieser Krimi lesenswert ist, ob er also gekauft werden soll. Das ist also möglicherweise jemand, der noch nie etwas von Soininvaara gelesen hat. Hui, denkt er oder sie, 91°, das muss richtig gut sein. Also kaufen? Nein! Halt!

Rot ist nicht, wie es auf dem Buchrücken steht, Leo Karas dritter Fall. Es ist, wie dort ebenfalls zu lesen ist, der dritte Teil der Serie über die Geheimorganisation Mundus Novus. Und es ist eine Serie, die man unbedingt von Anfang an lesen sollte. Also: Teil eins bestellen, Schwarz, wenn es nicht daneben steht, und am besten auch noch Teil zwei, Weiß. Und dann natürlich: kaufen!

Wer die beiden vorherigen Teile kennt, konnte die Wartezeit bis zum dritten Teil eh kaum ertragen und wird nach der Lektüre sehnsüchtig auf Band vier warten. Wer jetzt aber mit dem Buch in der Hand im Laden seines Vertrauens steht: Bitte nicht weiterlesen, sondern zur Besprechung von Schwarz wechseln. Danke.

Also: Karas Erinnerung an die Ereignisse vom Herbst 1989 kommen zurück; dafür sorgen natürlich auch die vielen Medikamente, die er nimmt:

 

"Mit gerunzelter Stirn betrachtete Kati Soisalo die Pillendose auf dem Küchentisch. "Wie viele verschiedene Medikamente nimmst du eigentlich?"
"Beruhigungsmittel gegen die Albträume und die Ängste, das Epilepsiemedikament zur Behandlung der Persönlichkeitsveränderung durch die Frontallappenverletzung und das Exelon morgens und abends gegen Gedächtnisstörungen als Folge der Hirnverletzung." Und 0,2 Milliliter Morphium in die Vene, wenn nichts anderes mehr hilft, fügte Kara für sich zu.

 

Trägt Kara die Schuld am Tod seiner Mutter und seiner Schwester? Welche Rolle spielte sein Vater damals – und welche heute? Was ist wirklich passiert mit Katis Tochter? Ist Vilma vielleicht doch in Finnland? Wie hängen das Kabinett und Mundus Novus überhaupt zusammen? Und warum passieren plötzlich in aller Welt Unglücke?

Der Reihe nach: Kara wird von einem Anwalt kontaktiert, der ihm sensationelle Dokumente zuspielt. Diese Dokumente wurden 1992 gestohlen – der Prolog schildert diese Ereignisse. Diese Dokumente zeigen auf, welche Rolle Finnland zur Zeit der UdSSR spielte und wie sich die alten Betonköpfe in beiden Ländern in die neue Zeit hinüberretteten:

 

"Helsinki war ein Labor, ein Versuchsfeld, auf dem die Sowjetunion in aller Ruhe testete, wie die westlichen Länder auf die verschiedenen Formen der indirekten Machtausübung reagierten. Die Sowjetunion hat die finnische Politik in der ganzen Zeit vom Krieg bis zum Zusammenbruch nach Belieben gesteuert. Finnland war wie eine Maus in den Krallen der Katze.

 

Das sagt Anatoli Smirnow, damals Leiter der Verwaltungsabteilung im Außenministerium der Russischen Föderation. Da haben die Sowjets in Finnland also ein Kabinett installiert, das ihre Interessen im Land vertritt, politisch wie wirtschaftlich:

 

"Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion konzentrierte sich das Kabinett mehr und mehr ausschließlich auf die wirtschaftlichen Aktivitäten. Seine Aufgabe wurde es, das in private Hände gelangte Milliardenvermögen der Sowjetunion zu waschen und anzulegen. Das Kabinett war das größte, geheimste und effizienteste aller vom KGB initiierten und vom FSB weitergeführten Komplexprogramme. Der Kreml und die Nachrichtendienste Russlands haben für ihre wichtigste Aufgabe ihrer Geschichte, die Privatisierung des Eigentums der Sowjetunion, gewissermaßen einen ganzen Staat eingespannt – Finnland.

 

Somit steht Finnland im Teil drei der Serie stärker im Mittelpunkt als bisher. Aber natürlich spielt die komplexe Geschichte weiterhin in aller Welt: London, Wien, Atlanta, in Französisch-Guayana und vielen anderen Orten. Viele Figuren sind angenehm vertraut: Da sind Kati Soisalo und ihr Ex-Mann Jukka Ukkola, Karas Freundin Nadine und ihr Sohn Bruno, und nicht zu vergessen Manas, der kirgisische Killer. Und – nein: mehr nicht.

Höchstens zwei Sachen noch: Soininvaara hält weiterhin die Spannung bei hohem Tempo, er wechselt vielleicht ein bisschen zu häufig die Szenen und fällt ein paar Mal mit kleinen Tricks auf, die er gar nicht nötig hätte. Aber das macht kaum etwas: Rot ist so atemberaubend, wie ich es gehofft hatte.

Und zweitens: Ein Untergangsszenario erster Klasse setzt ein. Das reicht – mehr hätte ich vor der Lektüre auch nicht wissen wollen.

Nur den letzten Satz, den möchte ich noch liefern, auch wenn sich das eigentlich nicht gehört:

"Jetzt fing alles erst an."

Rot

Taavi Soininvaara, Aufbau

Rot

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