Der fünfte Zeuge

  • Droemer Knaur
  • Erschienen: Januar 2013
  • 6
  • New York: Little, Brown, 2011, Titel: 'The fifth witness', Seiten: 421, Originalsprache
  • München: Droemer Knaur, 2013, Seiten: 640, Übersetzt: Sepp Leeb
Der fünfte Zeuge
Der fünfte Zeuge
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Marcel Feige
74°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2012

Das schlechte Gewissen

Die gute Nachricht zuerst: Michael Connelly ist besser geworden. Nachdem die beiden vorangegangenen Harry Bosch-Thriller Neun Drachen und Spur der toten Mädchen mit unglaubwürdigen Plots und unterirdischen Actionszenen nur mäßig zu überzeugen vermochten, ist dem US-Autor mit Der fünfte Zeuge endlich wieder ein spannender Thriller gelungen, der noch dazu vor brandaktuellem Hintergrund spielt: Bankenkrise, Privatinsolvenzen, Zwangsversteigerungen.

Natürlicht geht Connelly nicht im Detail auf diese komplexen Sachverhalte ein, stattdessen dienen sie ihm nur als Einstieg in die Geschichte um Lisa Trammel.

Trammel ist eines der Opfer des Bankencrashs. Von ihrem Mann verlassen, den Kopf voller Schulden, steht ihr Haus kurz vor der Pfändung, so wie bei Millionen anderer ihrer amerikanischen Mitbürger.

Weshalb sich inzwischen eine ganze Branche um die Abwicklung dieser Zwangsvollstreckungen kümmert nicht immer auf gesetzestreue Weise. Längst lässt sich nämlich auch mit der Pleite anderer Menschen eine Menge Geld verdienen.

Lisa protestiert lautstark gegen das rücksichtslose Gebahren der Finanzinstitute. Sie wird in TV-Shows eingeladen und setzt in tagelangen Sitzblockaden ihrem Bankmanager zu. Der ist derart genervt, dass er vor Gericht eine Verfügung erwirken kann: Lisa darf sich ihm und seiner Bank nicht mehr als 150 Meter nähern.

Doch eines Morgens wird er neben seinem Auto in der Tiefgarage erschlagen aufgefunden und Lisa von Zeugen unweit des Tatorts gesehen. Für die Cops ist Lisa die Hauptverdächtige. Mickey Haller ist ihre letzte Hoffnung.

Mickey Haller ist eingefleischten Connelly-Lesern kein Unbekannter mehr. Der »Lincoln Lawyer« ist der Halbbruder des eingangs erwähnten Mordermittlers Harry Bosch und besitzt anstelle eines Büros nur eine Limousine, mit der er sich von einem seiner säumigen Klienten durch Los Angeles kutschieren lässt.

Auch Haller ist Nutznießer des Finanzcrashs geworden. Er hat die Strafverteidigung an den Nagel gehängt und kümmert sich ausnahmslos um insolvente Hausbesitzer. Geld ist nun mal Geld.

 

»Kommen Sie mir bloß nicht mit so etwas wie Gewissen. Ich kenne das zur Genüge. Dabei ist noch nie was Vernünftiges rausgekommen.«

 

Bis Lisa ihn um Hilfe bittet. Zum ersten Mal meldet sich so etwas wie ein Gewissen bei Haller. Er übernimmt Lisas Verteidigung und kann die Beweise der Anklage entkräften und nebenbei noch die Ostküstenmafia gegen sich aufbringen, die er als fünften Zeugen aufruft.

Von zwei, drei kurzen Actionszenen abgesehen ist Der fünfte Zeuge ein klug inszenierter Justizthriller, der zwar nichts bietet, was man nicht auch schon in früheren Romanen dieser Art gelesen hat, aber dennoch dank spitzer Dialoge, überraschender Wendungen und amüsanter Splitter fesselt.

So finden zum Beispiel auch die Medien Gefallen an dem spektakulären Trammel-Verfahren. Hollywood möchte den Mordprozess für die Kinoleinwand verfilmen mit dem Schauspieler Matthew McConaughey in der Rolle des Mickey Haller.

Connelly-Fans wissen: McConaughey schlüpfte 2011 tatsächlich in die Rolle des Mickey Haller in der Verfilmung von Der Mandant.

Und damit wären wir bei der schlechten Nachricht angelangt. Wer sich die Lesefreude nicht nehmen lassen möchte, der sollte die Lektüre der Rezension an dieser Stelle beenden. Alle anderen lesen weiter, denn ...
... Der fünfte Zeuge ist, so stellt man mit fortschreitender Lektüre fest, nur ein Aufguss von Der Mandant inklusive des finalen Clous, der, je näher man ihm kommt, immer offensichtlicher wird.

So bleibt am Ende, trotz aller Raffinesse, ein fader Nachgeschmack.

Der fünfte Zeuge

Michael Connelly, Droemer Knaur

Der fünfte Zeuge

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