Black Mandel

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2012
  • 2
  • München: Heyne, 2012, Seiten: 356, Originalsprache
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Jochen König
66°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2012

Besucht Norwegen, das Land der brennenden Kirchen

Mandel und Singer sind wieder zurück. Diesmal nicht im Clinch mit Neonazis, sondern tief eintauchend in die Welt des norwegischen Black Metals. Obwohl alles mit "Kraftblues" beginnt.

In der ererbten Detektei herrscht Flaute, also folgen Sigfried Singer und sein Kollege "der Mandel" aus Langeweile und lindem Interesse einer Konzert-Einladung, die sie ihrer Vergangenheit als Musikjournalisten zu verdanken haben. Die legendäre Black-Metal-Band "Dark Reich" hat sich reformiert und plant ein Comeback-Konzert. Eine willkommene Abwechslung zur "Büro-Agonie" wie Singer feststellt. Mit einem Ruch von Gefahr; denn der wiedererwachende "Swarte Sirkel" war in der Vergangenheit berüchtigt. Abseits von brutaler Musik, kruder Ideologie zwischen Naturmystik, Heidentum, nordischer Götterbeschwörung und Satanismus existierten Todessehnsucht und interne Feindschaften, die mitunter tödlich endeten. Und brennende Kirchen. Als Symbol für das Ende einer verhassten, repressiven Religion.

Eigentlich längst Geschichte, blühen die alten Verhaltensweisen, Animositäten und Gewalttätigkeiten wieder auf, just als unsere beiden Antihelden in Bergen eintreffen. Sie verpassen zwar das "Dark Reich"-Konzert, sind aber bald mitten im Zentrum des Chaos. Der Sänger von "Dark Reich" ist spurlos verschwunden, der Hauptverdächtige möchte eine neue Band protegieren, die augenscheinlich mit dem Verschwinden Cristian "Baalberith" Hallbergs zu tun hat. Die beiden deutschen Detektive sollen Chronisten werden. Doch Anhänger des "Gonzo-Journalismus" á la Hunter S. Thompson berichten nicht bloß über das Geschehen um sie herum, sondern sind involviert. Und wie. Mandel blickt einem nassen Tod ins Auge und der unermüdliche Sigi darf am Ende seinen Sinnen nicht trauen.

Kenntnisreich erzählt Berni Mayer die Geschichte des norwegischen Black Metals nach. Fast jede der handelnden Personen hat ein Äquivalent in der Realität. Der "Svarte Sirkel" wird nicht einmal umbenannt, das Gleiche gilt für die Stabkirche Fantoft, die tatsächlich abgefackelt wurde. "Mayhem" und "Burzum", Varg Vikernes (aka "Count Grishnackh"), seine Brandstiftung(en) und sein Mord an Øystein "Euronymous" Aarseth finden in Black Mandel eine literarische Interpretation, die sich eng an die reellen Geschehnisse hält, vom Zeitraum, in dem der Roman spielt, abgesehen. Hier fabuliert Mayer und erledigt das ganz ordentlich. Wie ihm immer wieder komische wie spannende und stimmungsvolle Passagen gelingen. Manchmal ein bisschen zu beflissen im Abspulen des erworbenen Wissens, schafft es Mayer doch den Wahnwitz, der seine Protagonisten umgibt, auf den Leser zu übertragen. Sprachenwirrwarr, ein scheinbar unendlicher Namensfundus, neben ihren Alltagsnamen besitzen sämtliche Bandmitglieder mindestens ein Pseudonym aus der nordischen Götterwelt, manch einer sogar zwei oder drei. Das dient immer wieder für mehr oder weniger gelungene humorige Possen, ist aber bis zum beinahe klassischen Ende, bei dem sich alle Verdächtigen – soweit nicht bereits verhaftet – um die schlussfolgernden Detektive versammeln, eine unterhaltsame Lektüre. Solange man dem ausführlich behandelten Black-Metal-Sujet etwas abgewinnen kann.

Leider hat Mayer ein paar stilistische Marotten, die das Lesen vielfach zur Qual werden lassen. Der betont naive Tonfall des Erzählers Sigi Singer lässt das Buch oft klingen wie den verzweifelten Aufsatz eines Oberstufenschülers, der gerne besonders witzig sein möchte, dabei aber verkennt, dass (absurde) Komik nicht kurzweiliger wird, je mehr man darauf hinweist wie doppelbödig alles gemeint ist. Dass Mayer anscheinend ein Fan von "rettet dem Dativ" ist und deshalb dem Genitiv gerne den Laufpass gibt, nervt ebenso sehr wie die Angewohnt Namen mit einem Artikel zu versehen. Auch wenn er es im Buch ironisch paraphrasiert, hat es mich mehrfach in Versuchung geführt, den Roman schon nach wenigen Seiten durchs Fenster zu entsorgen.

 

Es war bereits Nachmittag, als ich dort mein zweites Bier vom Mandel seinem Geld bestellte.

 

Wenn es das ist, was sprachlich nach der Arbeit für MTV und VIVA (kennt die noch jemand?) übrig bleibt oder nötig scheint um Gefallen zu finden – permanente Unterforderung ist öde. Merke ebenso: Es ist nicht witzig, erst mit Wissen anzugeben und dann so zu tun, als wüsste man gar nichts (Der Regisseur von "Wenn die Gondeln Trauer tragen" heißt Nicolas Roeg).

Dieses Übertreiben durch scheinbares Understatement vergällt einem den Spaß an der erzählten Geschichte und den vielen klugen und tatsächlich witzigen Beobachtungen, zu denen Mayer fähig ist. Das ist schade, denn er hat sich eines recht unverbrauchten Themas angenommen, dem er eigene Aspekte abgewinnen kann, und in dem sich seine Protagonisten (Jörg Juretzka schaut und liest kurz weg) mit Genuss und Gewinn ausbreiten könnten. Wenn ihr Autor sie denn ließe.

Wer den zugrundeliegenden Fakten noch ein wenig nachspüren möchte, Varg Vikernes Taten und Ansichten, die Geschichte der Band "Mayhem" und ihrer Musiker, sind selbst bei Wikipedia schon ausführlich dokumentiert. Umfassender noch informieren die filmischen Dokumentationen "True Norwegian Black Metal", "Dunkelheit - The Story Of Varg Vikernes", "Once Upon A Time In Norway - The History of Mayhem" und etliche mehr, die sich bei den einschlägigen Videoportalen unter Verwendung entsprechender Suchwörter leicht finden lassen. Kritischer Geist beim Anschauen natürlich vorausgesetzt.

Ganz besonders empfehlenswert ist das kanadische Film-Tagebuch "Metal – A Headbanger’s Journey", in dem es zwar nur eine kurze (aber erhellende) Passage über Black Metal gibt, dessen Macher Sam Dunn sich aber mit viel Charme, Engagement und Interesse dem gesamten Komplex "Metal" nähert.

Black Mandel

Berni Mayer, Heyne

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