La Nera
- Droemer Knaur
- Erschienen: Januar 2012
- 3
- München: Droemer Knaur, 2012, Seiten: 624, Originalsprache
Vielschichtiges Mafia-Epos
Die bildhübsche Sophia wird als junge Frau von Andrè Fillone, dem Sohn des Mafiapaten von Corleone, mit Hilfe von drei Freunden brutal vergewaltigt. Ihr Bruder Tommaso muss dies hilflos mit ansehen bevor er niedergeschossen wird. Sophia ist durch dieses Ereignis traumatisiert und sinnt auf Rache, doch gegen den einflussreichen Mafiaclan der Fillones ist die aus einfachsten Verhältnissen stammende Sophia machtlos. Fortan studiert sie die Traueranzeigen und besucht zahllose Beerdigungen, immer auf der Suche nach einem einflussreichen Witwer, der ihr bei der Erreichung ihres neuen Lebensziels helfen kann. So stößt sie eines Tages auf Giulio Saviani, der seine junge Gattin zu Grabe trägt und aus einer der reichsten Familien Italiens stammt. Sophia, die von Männern nichts mehr wissen will, ehelicht Giulio und stellt erst nach der Hochzeit fest, dass sie offenbar in die ehrenwerte Gesellschaft eingeheiratet hat.
Sophia musterte ihren Mann kritisch: "Dann ist Signore Saviani ein Pate?"
Giulio sah nachdenklich auf den Boden: "Ihm gefiele es gar nicht, wenn du ihn so nennen würdest. Graue Eminenz träfe es besser."
Sophia will nicht nur schmückendes Beiwerk sein, sondern arbeitet sich mehr und mehr in die Geschäfte ihres Mannes ein, der eigentlich ein landesweit bekannter Schönheitschirurg ist. Zusammen mit dem geldgierigen Staatssekretär De Cortese und dem Bestatter Don Paluzzi (ebenfalls ein einflussreicher Pate) verfolgt Saviani jedoch ganz andere Pläne, denn mit illegalen Organtransplantationen lässt sich das richtig große Geld verdienen. Als Giulio eines Tages vor seiner eigenen Haustür niedergeschossen wird schlägt Sophias Stunde, denn sie soll auf Wunsch von Giulios Vater die Familiengeschäfte weiterführen. Doch wieso musste ihr Mann sterben? Wer vergab den Auftrag zu dessen Ermordung und wer ist Freund und wer Feind? Während Sophia sich behaupten muss und weiterhin auf Rache sinnt, stöbern die Ermittler der Antimafiaeinheit DIA noch im Trüben. Doch so langsam erschließt sich auch ihnen das System mit dem Organhandel…
Claudio Mancini hat mit La Nera einen vielschichtigen Mafia-Roman vorgelegt, der glänzend zu unterhalten weiß. Frauen in der Mafia haben vor allem die Rolle, männliche Nachfahren zu zeugen und ihre Kinder zu erziehen. Doch was passiert, wenn der Ehemann oder gar der geliebte Sohn ermordet wird? Dann kann es sehr schnell passieren, dass aus den oft zurückgezogen lebenden Ehefrauen und Müttern die neuen Patinnen werden, die mit ebenso eisernem Regiment die Geschicke ihres Clans übernehmen. Genau dieses Szenario bildet die Grundlage von La Nera, den man stark vereinfacht als Rache-Thriller abwerten könnte. Damit würde man dem Autor jedoch Unrecht tun, denn Mancini schreibt ausführlich über das Innenleben eines Mafiaclans, die organisatorische Umsetzung eines landesweiten Menschen- bzw. Organhandels und die mitunter ermüdenden Ermittlungsarbeiten der Behörden. Dass dabei die Politiker nicht gut wegkommen, versteht sich fast von selbst, denn einerseits hängen sie mitunter an den Fleischtöpfen der ehrenwerten Gesellschaft und bemühen sich daher kräftig, die Ermittlungen zu behindern, andererseits genießen sie selbst bei der Mafia kaum Anerkennung, sind oftmals nur Mittel zum Zweck.
Hauptsache, die Herren Politiker finden die richtigen Worte. Keine noch so gefährliche chemische Substanz ist in der Lage, das Leben des eigenen Volkes nachhaltiger zu vergiften als das Vokabular starrköpfiger Politiker.
Sicher, La Nera ist (nur) ein Roman und so wirken einige Sequenzen klischeehaft, an anderer Stelle sogar leicht unglaubwürdig, etwa dann, wenn die inzwischen mächtige Mafiapatin Sophia alleine – sprich ohne begleitende Bodyguards – mit ihrem auffälligen Bentley durch die Gegend fährt. Sieht man über derartige kleinere Schwächen hinweg bietet sich ein abwechslungsreiches Epos, welches für kurzweilige Spannung und Unterhaltung sorgt. Dabei stößt die zur Selbstjustiz neigende Sophia naturgemäß nicht nur auf Sympathien, aber einerseits kann man ihre Motivation durchaus nachvollziehen und andererseits gäbe es ohne Rache und Familienfehden womöglich auch nicht die Mafia, zumindest nicht die, die wir aus den Medien kennen. Ähnlich interessant wie der Einblick in das Mafialeben (mitunter etwas zu oberflächlich) ist die ermüdende Arbeit der Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft zu beobachten. Da erstaunt es fast, dass im wahren Leben in den letzten Jahren die Antimafiaeinheit durchaus "Erfolge" im Kampf gegen das organisierte Verbrechen erzielen konnte, auch wenn man für die im Jahr 2006 erfolgte Ergreifung des "capo dei tutti capi", Bernardo Provenzano, Jahrzehnte brauchte.
Claudio M. Mancini, Droemer Knaur
Deine Meinung zu »La Nera«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!