Vergeltung
- Argon
- Erschienen: Januar 2012
- 12
- London: Little, Brown, 1011, Titel: 'The retribution', Seiten: 402, Originalsprache
- Berlin: Argon, 2012, Übersetzt: Johannes Steck
Der böseste Verbrecher der Welt?
Um die Ermittlertruppe um Carol Jordan sieht es nicht gut aus. Aus Kostengründen soll das Team aufgelöst und dessen Mitglieder in alle Winde verstreut werden. Daran ändern auch die Prostituiertenmorde nichts, die plötzlich die Stadt Bradford erschüttern und sich alle in einer gemeinsamen Einzelheit gleichen. Carols Team nimmt dennoch die Ermittlungen bei diesem Fall auf, auch um einen krönenden Abschluss für die bisherige Arbeit zu finden.
Dieser Abschluss wird allerdings durch den Ausbruch des verurteilten Mörders Jacko Vance mehr als nur in Frage gestellt. Der psychotische Killer war seinerzeit durch das Ermittlerteam Jordan und Hill hinter die wohlverdienten schwedischen Gardinen gebracht worden und sinnt nun auf erbarmungs- und gnadenlose Rache.
In dem Kinderbuch Die böseste Hexe der Welt schildert die Autorin Beverley Nichols die boshaften Pläne der Titelheldin. Diese beschränken sich aber in erster Linie darauf, dass ein Wäscheservice gekauft und die ahnungslosen Kunden durch juckende Bettwäsche, sich plötzlich selbst verschmutzende Hemden und ähnlichen Schabernack gefoppt werden sollen. Also ein böse Hexe, die weit hinter ihrem Potential zurück bleibt. Was dieses Kinderbuch mit dem Fall Nr. 7 für das Ermittlerduo Carol Jordan und Tony Hill zu tun hat? Nun, auch hier wird der offensichtlich böseste Verbrecher der Welt – namentlich Jacko Vance (Schlussblende) – wieder ins Rampenlicht geholt, der auf namenlose und abrundtiefe Rache sinnt. Diese Rache ist so fürchterlich, dass sie schon auf den ersten Seiten des Romans angekündigt und dann nach diversen düsteren Prophezeiungen ("Morgen würde Blut fließen") tatsächlich umgehend auf Seite 245 in einem ersten Doppelmord umgesetzt wird. Vance ist nämlich so böse und gemein, dass er nicht nur seine Kontrahenten selbst schädigen will, sondern sie durch den Verlust ihres Liebsten und ihrer Lieben im Mark treffen will. Diese Planung trifft im Hinblick auf die ohnehin gebeutelte Carol Jordan sicherlich zu. Im Falle von zwei weiteren Opfern seiner Rache werden allerdings schon lediglich Versicherungsschäden mit einem ungewollten und unbeteiligten Todesopfer herbeigeführt. Als sich Vance endlich auf seine alten Vorzüge – nämlich Mord und Totschlag - besinnt, gipfelt sein Rachefeldzug in einem sicherlich überraschenden Showdown, der allerdings zum lieblosesten aller jemals geschilderten Abschlüsse einer Killerserie gehören dürfte.
Generell fragt man sich bei der Lektüre dieses Buches, was mit Val McDermid los ist. Der titelgebende Hauptstrang beruht auf einer Konstruktion, die den Leser nicht nur gelegentlich die Augenbraue heben lässt, sondern fasst schon dazu geeignet ist einen Tick herbeizuführen. So ist der Übeltäter nicht nur mit Unmengen von Geld ausgestattet, die es ihm ermöglichen, die Anwesen seiner potentiellen Opfer mit den Mitteln modernster Technik überwachen zu lassen, nein er kann auch körperliche Gebrechen eben durch diese modernste Technik überspielen. Aus dem Gefängnis entkommt er dagegen mit Hilfe eines so simplen Tricks, dass – sofern diese Konstruktion der Realität entsprechen würde – sich die britische Justiz in einem bedenklichen Zustand befinden würde. Fragwürdig bleiben auch die anderen Protagonisten dieses Thrillers. Carol Jordan scheint mittlerweile ein Alkohol-Problem entwickelt zu haben, allerdings scheint dieses nur gelegentlich zu Tage zu treten, so dass diese Charakteristik nicht dazu geeignet ist, weitere Glaubwürdigkeit zu schaffen. Der Nebenstrang wird als eben solcher abgefeiert. Opfer, Täter und Motiv werden nur blass und konturlos dargestellt, so dass auch hier die Auflösung – neben einigen Spannungsbögen bei den eigentlichen Ermittlungen – schon fast nicht mehr interessiert. Klar und deutlich dargestellt sind einzig die neuen Konflikte zwischen den beiden Ermittlern. Hier muss sich aber regelmäßig der Eindruck aufdrängen, dass der Fall schon längst gelöst wäre, könnten sich die beiden einmal von gegenseitigen Schuldzuweisungen lösen.
Dennoch wäre es ungerecht, Vergeltung als langweilige Lektüre abzustrafen. Im Gegenzug können die Ungereimtheiten in der Handlung und in bei der Beschreibung der Akteure nicht zu einem runden und gelungenen Bild beitragen, der einen "Treffer" ausmacht. Val McDermid wird somit sicherlich in einem gewissen Maße zum Opfer ihres vorherigen Erfolges. Denn eben von dieser Autorin hätte man einen Treffer erwartet. Abschließend bleibt nur zu sagen: "Was war denn da los, Frau McDermid?".
Val McDermid, Argon
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