Der Beschützer
- Manhattan
- Erschienen: Januar 2012
- 6
- London: Bantam, 2010, Titel: 'Darkside', Seiten: 359, Originalsprache
- München: Manhattan, 2012, Seiten: 382, Übersetzt: Marie-Luise Bezzenberger
Ruhiger Plot mit ungewohnter Auflösung
Vier Jahre ist es her, dass in dem verschlafenen Dorf Shipcott der damals 12-jährige Steven Lamb einem Serienmörder in die Quere kam (Das Grab im Moor). Nun folgt der zweite Roman der preisgekrönten Autorin Belinda Bauer, auf dessen Buchrücken Val McDermid schwärmt: "Es gibt kein aufregenderes neues Talent als Belinda Bauer." Grund genug für die Krimi-Couch, dieser Behauptung nachzugehen…
Margaret Priddy lebt in ihrem bescheidenen Haus und ist auf intensive Pflege angewiesen. Sie ist an ihr Bett gefesselt, kann nicht sprechen und sich auch sonst nicht verständlich machen. Lediglich ein leichtes Augenblinzeln geht noch. Aber wie verschafft sich eine derart hilflose Person Feinde? Eine gute Frage, denn eines Tages wird sie in ihrem Bett erdrosselt aufgefunden. Da der für Shipcott zuständige Police Constable Jonas Holly keinerlei Erfahrungen mit Mordfällen hat, rückt ein Ermittlungsteam vom Morddezernat aus Taunton an. Detective Chief Inspector John Marvel kann jedoch mit Landeiern wie Holly nichts anfangen, was er diesem schnell deutlich macht. Statt den ortskundigen Holly einzubeziehen, wird dieser mit überflüssigen Tätigkeiten aus den Ermittlungen heraus gedrängt. Da die Dorfbewohner von jeher gegenüber Fremden einen gewissen Argwohn frönen, erhalten Marvel und seine Kollegen kaum verwertbare Hinweise und so nehmen sie zunächst Peter Priddy, den Sohn der Ermordeten, als Hauptverdächtigen in die Zange. Dadurch verlieren sie wertvolle Zeit, denn wie Holly später von Priddy erfährt, hat dieser für die Tatzeit ein Alibi. Acht Tage vergehen ergebnislos bis Holly eine weitere Leicht entdeckt. Die geistig verwirrte Yvonne Marsh liegt in einem Bach nahe dem Haus von Margaret Priddy. Holly glaubt sie womöglich wiederbeleben zu können, doch dabei zerstört er den Tatort bis zur Unkenntlichkeit. Marvel verfällt derweil in sein altes Verhaltensmuster und verdächtigt den Sohn von Mrs. Marsh als Täter. Während die Ermittlungen weiterhin ergebnislos dahin plätschern verschlechtert sich die Wetterlage zunehmend, so dass Shipcott fast völlig von der Außenwelt abgeschnitten wird. Als es zu weiteren Morden kommt wird offensichtlich, dass der Mörder ein Einheimischer sein muss…
Belinda Bauer hat mit Der Beschützer einen weiteren, durchweg lesenswerten Krimi der Marke "very british" geschrieben. Wie schon beim Debüt verzichtet sie auf jegliche Action, setzt vielmehr auf ihre Figurenzeichnung. Dabei stehen drei Figuren im Fokus. Jonas Holly, der eifrige, aber mitunter völlig überforderte Dorfpolizist, versucht zu helfen, wird aber insbesondere von Marvel ausgebremst. So versucht er auf nächtlichen Streifzügen zur Lösung des Falles beizutragen, da er sich hier ungestört bewegen kann. Dabei sollte er sich eigentlich um seine schwer kranke Frau Lucy kümmern, die unter fortgeschrittener Multiple Sklerose leidet. Diese verbringt ihren Alltag meist vor dem Fernseher mit alten Horrorfilmen, um sich so von ihrer Krankheit abzulenken. Doch längst ist ihr klar, dass sie sich ihrem Ende nähert und für ihren Mann eine Belastung darstellt. Als Dritter im Bunde glänzt DCI Marvel als ganz besonderes Ekelpaket. Nicht nur, dass er die Ermittlungen ohne erkennbares Konzept leitet, neigt er zudem zu cholerischen Anfällen, bei denen er grundlos andere Menschen schikaniert. Wie sich immer deutlicher herauskristallisiert geht es Marvel - wenngleich wohl unbewusst - nur darum, von seiner eigenen Unzulänglichkeit, die in einer Krankheit begründet ist, abzulenken.
Neben den drei menschlichen Protagonisten steht natürlich das kleine Shipcott im Mittelpunkt, das sich in den letzten Jahren nur unwesentlich verändert hat. Die Leser/innen des Debütromans finden zwar nur wenige Parallelen zu diesem, allerdings gibt es ein Wiedersehen mit Steven Lamb, der Hauptfigur aus Das Grab im Moor. Die Charakterzeichnungen sind Belinda Bauer erneut gut gelungen, wenngleich bei all den privaten Einblicken die Story etliche Längen aufweist. Wer einen "ruhigen" Plot lesen möchte, darf erneut zugreifen und sich über eine alles andere als alltägliche Auflösung freuen. Allerdings ist genau dies der Punkt, der bei der Bewertung des Romans die Waagschale nach oben oder unten gleiten lässt. Kleinere Hinweise auf den Täter gibt es, allerdings stehen die Chancen gut, diese erst nach Ende der Lektüre zu realisieren. In minimaler Abwandlung des eingangs erwähnten Zitats von Val McDermid lässt sich abschließend festhalten: "Belinda Bauer ist ein aufregendes Talent."
Belinda Bauer, Manhattan
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