Ritualmord

  • Piper
  • Erschienen: Januar 1986
  • 1
  • London: Constable, 1982, Titel: 'Ritual murder', Seiten: 237, Originalsprache
  • München; Zürich: Piper, 1986, Seiten: 266, Übersetzt: Christine Mrowietz
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Jörg Kijanski
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2012

Ausgezeichnet mit dem Silver Dagger, aber etwas angestaubt

Als der junge Chorsänger Arthur Cossey in der Kathedrale von Angelby ermordet aufgefunden wird, ahnt Kriminalinspektor Ben Jurnet, dass dieser Mord nicht ohne gesellschaftliche Folgen bleiben wird. Die Begleitumstände seines Todes ähneln auf frappierende Weise dem Fall von Little Saint Ulf, einem Jungen, der im Jahr 1144 ermordet und später zum Kind-Heiligen ernannt wurde. Die Heiligsprechung verdankte er dabei dem Umstand, dass für seinen Tod die Juden verantwortlich gemacht wurden. In der Folge starben zahlreiche jüdische Bewohner der Stadt, da es zu einer regelrechten Hetzjagd auf diese kam. Nun, rund 840 Jahre später, befürchtet Inspektor Jurnet eine Wiederholung der Ereignisse, denn rassistisch angehauchte Gruppierungen wie die Vereinigten Engländer oder der Patriotenbund zögern nicht lange, um aus dem Mord an Cossey Kapital zu schlagen. Prompt kommt es zu einer Demonstration vor dem Dom in deren Folge zahlreiche Menschen verletzt werden. Die Zeit drängt, doch handfeste Ermittlungsergebnisse bleiben aus. Zu viele Menschen hatten Zugang zu der Kathedrale und wie sich bald herausstellt, war Arthur Cossey nicht nur ein begnadeter Chorsänger, sondern ein ebenso unbeliebter Einzelgänger, der mit recht unrühmlichen Methoden größere Einnahmen generierte…

Sylvia T. Haymons Roman "Ritualmord" aus dem Jahr 1982 erhielt den renommierten Silver Dagger und ist durchaus lesenswert. Allerdings wirkt der Plot nach rund 30 Jahren verständlicherweise ein bisschen angestaubt. Der Rezension lag die dritte Auflage der deutschen Ausgabe aus dem Jahr 1990 zugrunde, deren Übersetzung Christine Mrowietz übernahm. Vielleicht liegt es auch hieran. Wie kann Jurnets Vorgesetzter als "Kommissar" und Jurnet als Kriminalinspektor bezeichnet werden? Bei einem Roman der in England spielt darf man wohl die dortigen Dienstgrade erwarten. Dass an einer Stelle sogar das Wort "Pfennig" (statt Pence) steht ist geschenkt. Überzeugen kann der Plot mit seiner Figurenzeichnung. Diese ist mehr als ordentlich und der Spannungsbogen bleibt bis zum Schluss konstant hoch, wenngleich die Auflösung ein wenig überrascht (nicht unbedingt im positiven Sinn). Atmosphärisch enttäuscht der Roman hingegen, da man hier mehr "british style" erwartet hätte. Schlechtes Wetter, Pubs und so weiter – alles Fehlanzeige. Auch die Stadt Angelby (angelehnt an das Vorbild Norwich) bleibt seltsam blass, allein die Beschreibung der Kathedrale und des Domviertels ist ansprechend detailliert. Zudem ist der historische Bezug interessant, doch die angedeuteten radikalen Organisationen wie Vereinigte Engländer und Patriotenbund werden ebenfalls recht oberflächlich beschrieben. Dafür gibt es zahlreiche Verdächtige, so dass man munter rätseln darf, wer den Chorknaben aus welchem Motiv denn nun um die Ecke beziehungsweise ins Grab beförderte.

Wer klassisch angelegte Romane im Stil von Agatha Christie, P. D. James oder auch eines Georges Simenon (Maigret) mag, darf sich an diesem "Klassiker" der 1980er Jahre gerne versuchen. Richtig überzeugend ist "Ritualmord" heutzutage nicht mehr.

Ritualmord

Sylvia T. Haymon, Piper

Ritualmord

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