Irrlichter

  • Droemer Knaur
  • Erschienen: Januar 2011
  • 1
  • München: Droemer Knaur, 2011, Seiten: 272, Originalsprache
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Andreas Kurth
20°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2012

Irrlichter sieht allenfalls die Autorin

Alexander Laroche ist Lehrer in Frankfurt. Weil er ohnehin eine Auszeit nehmen möchte, lässt er sich von einem Freund überreden, dessen Mietvertrag für zwei Monate in einer neuen Ferienanlage im kleinen Worpswede zu übernehmen. Am Rande des ehemaligen Künstlerdorfes in der norddeutschen Tiefebene will der Nachfahre hugenottischer Einwanderer entspannen und über seine berufliche Neuorientierung nachdenken. Kurz vor Worpswede kommt es zu einem Zwischenfall, auf Alexanders Auto wird geschossen. In der Ferienanlage zeigt sich, dass der Frankfurter der einzige Gast ist. Zudem soll es kurz zuvor einen Suizid gegeben haben, einer der insolventen Anlagen-Betreiber soll sich erhängt haben. Es handelt sich um einen Freund von Alexander aus alten Band-Zeiten. Als auch der zweite Betreiber, ebenfalls ein alter Bekannter, tot an der Hamme gefunden wird, schlittert Laroche ungewollt in einen Kriminalfall hinein, der ihm noch viele Rätsel aufgeben wird.

"Ein Worpswede-Krimi". Der Untertitel des Romans von Helga Beyersdörfer ist ebenso verheißungsvoll wie der Text auf der Rückseite des Buches. Da ist die Rede von Stimmen, die Alexander Laroche hört, von Lichtern, die er sieht, und von einer Leiche am Baum, die er findet – und die dort nicht hingehört. Das einzige, was irgendwo nicht hingehört, ist dieser Text auf dem Buchrücken, denn mit dem Inhalt des Romans hat das alles nichts zu tun. Der wackere Hugenotte sieht keine Irrlichter, und die Leiche seines alten Kumpels hängt auch schon lange nicht mehr am Baum. Die Erwartungen auf einen Thriller, der sich am Rande des finsteren Teufelsmoors abspielt, werden also nachhaltig enttäuscht.

Naja, und Worpswede? Eigentlich wollte die Autorin dort keine Romanhandlung mehr platzieren. Aber dann hat sie zufällig nochmals in dem kleinen Örtchen Station gemacht - und herausgefunden, dass sich Worpswede gerade neu definiert. Schade nur, dass sich ein Dorf gar nicht neu definieren kann. Allenfalls können sich die Bewohner des Örtchens um so etwas wie eine Neudefinition ihres Dorfes bemühen. Das versprochene Lokalkolorit beschränkt sich dann leider auf ein paar Norddeutsche, die in dem Buch zwangsläufig vorkommen, und die Schilderung weniger örtlicher Begebenheiten. Immerhin lernt der Leser etwas über Heinrich Vogeler, einen der Mitbegründer der einstigen Künstlerkolonie, und sein verkorkstes Leben. Ich-Erzähler Laroche liest nämlich eine Biografie des Malers und schildert den Lesern das Scheitern Vogelers in den Weiten der russischen Steppe. So viel zum Lokalkolorit.

Irrlichter kommt vollständig ohne polizeiliche Ermittler aus, selbst Laroche geriert sich nicht als Hobbydetektiv. Der Ansatz ist nicht schlecht, zumal es sich um eine Mordserie mit dramatischem Hintergrund handelt. Aber so ganz ohne roten Faden, und mit eher zufällig angehäuften Versuchen, etwas Spannung zu erzeugen, wird die Lektüre dann doch eher zur Qual. Das Buch hätte ein solider Krimi werden können, aber so hinterlässt es keinen tieferen Eindruck, ist kaum als Ablenkung für einen Tag zu sehen. Atmosphärische Stimmung, die man nach dem Text auf dem Umschlag erwartet, erzeugt dieser "Worpswede-Krimi" jedenfalls nicht. Was auch immer in Sachen Neudefinition in dem beschaulichen Örtchen am Teufelsmoor passiert, die Autorin sollte in jedem Fall ihren nächsten Roman nicht in Norddeutschland ansiedeln. Und wenn sie Gefallen an Neudefinitionen findet – wie wäre es mit ihrer schriftstellerischen Arbeit, die mal neu definiert wird?

Irrlichter

Helga Beyersdörfer, Droemer Knaur

Irrlichter

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