Grabräuber gesucht
- Otherworld Verlag
- Erschienen: Januar 2009
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- Cincinnati/Ohio: Mundania Press, 2003, Titel: 'Graverobbers Wanted (No Experience Necessary)', Seiten: 188, Originalsprache
- Kalsdorf bei Graz: Otherworld Verlag, 2009, Seiten: 256, Übersetzt: Michael Krug
- Köln: Bastei Lübbe, 2012, Seiten: 270, Übersetzt: Michael Krug
Lachen, weinen, Pechvögel ausbeinen
Andrew Mayhem versucht sich als Privatdetektiv. Eine Lizenz besitzt er nicht und hat kaum Ahnung von seinem Traumjob, weshalb es immer wieder zu unerwarteten Zwischenfällen und hässlichen Zusammenstößen mit observierten Ehebrechern kommt. Chambers, eine Kleinstadt im US-Staat Florida, ist zudem kein einträgliches Pflaster für Detektive. Mayhem hat genug Zeit, seine beiden Kinder zu hüten, während Gattin Helen als Krankenschwester den Lebensunterhalt der Familie sichert.
Um endlich den Versager- und Schmarotzerstatus abzuschütteln, nimmt Mayhem einen bizarren und eindeutig illegalen Auftrag an: Klientin Jennifer Ashcroft bietet ihm 20.000 Dollar, um ihren in der Wildnis begrabenen Ehemann Michael auszubuddeln. Er wurde dummerweise mit einem Schlüssel bestattet, den sie dringend benötigt. Mayhem stellt lieber keine Fragen, sondern macht sich mit seinem widerwilligen Assistenten und Busenfreund Roger an die Arbeit.
Der Job nimmt ein spektakuläres Ende: Michael schießt aus dem Sarg auf die Grabschänder und stirbt anschließend an einem Herzschlag. Ein unsichtbarer Dritter schlägt Mayhem zusammen, schießt Roger zwei Pfeile in den Leib und zerstückelt Jennifer. Mayhem schickt er Videos, auf denen Menschen grausam gefoltert und getötet werden. Der Detektiv soll ihn suchen und finden. Weigert er sich oder informiert er die Polizei, werden fünf weitere Menschen sterben.
Mayhems Ermittlungen führen ihn zur obskuren Firma "Makabre Freuden", der Michael Ashcroft als Geschäftsführer vorstand. Wie Mayhem herausfindet, werden hier nicht nur Horrorfilmchen gedreht. Einer der Mitarbeiter muss der Killer sein, doch leider kommt ihm Mayhem zu spät auf die Schliche und sorgt durch sein notorisches Ungeschick für eine dramatische Zuspitzung des Falls …
Horror & Humor als bedingt erfolgreiche Mischung
Man nehme einen simplen Krimi-Plot und polstere ihn durch möglichst schwarzen Humor sowie makabre Splatter-Effekte auf: So funktioniert Grabräuber gesucht – oder auch nicht, denn noch mehr als üblich obliegt dem Leser die Entscheidung, ob ihm gefällt, was Jeff Strand da versucht. Der Autor hat sich auf ein gefährlich schmales Brett gewagt, denn man sollte sein schriftstellerisches Handwerk sehr gut beherrschen, um angesichts der genannten Mischung nicht ins Rutschen zu geraten. Strand hat nur phasenweise Erfolg und schliddert vor allem im großen Finale gefährlich ins Abseits, als er – plötzlich gar nicht mehr komisch – den Detektiv und den Killer um das Leben zweier Kinder schachern lässt, die in einer infamen Todesfalle stecken.
Generell passt ein Plot, der sich um Snuff-Filme dreht, bei denen Menschen vor laufender Kamera ermordet werden, nicht zum leichten Grundton dieses Romans. Der Humor konterkariert nicht das Grauen, sondern hinterlässt in solchen Passagen einen schlechten Nachgeschmack.
Ein Roman wie Grabräuber gesucht stellt nicht nur den Leser, sondern auch die moderne Buchindustrie vor ein Problem. Wie vermarkte ich einen Roman, der nicht in eine bestimmte Schublade passt? Hier wird der komödiantische Faktor in den Vordergrund gestellt. Allerdings ist Strand nicht so geistreich wie er meint. Oder hat die Übersetzung dem ursprünglich grandiosen Witz den Garaus gemacht. Da sich die deutsche Fassung sehr flüssig liest, dürfte wohl die erste Vermutung ins Schwarze treffen.
Humor ist … komplex
Strand liegt im Prinzip richtig: Sein keinesfalls durch Originalität glänzendes Kriminalstück benötigt dringend ein wenig Pep. Erzählt wird nicht nur die allseits bekannte Geschichte vom ebenso irren wie genialen Killer, der ständig Rätselraten spielen will und trotzdem die Zeit findet, abenteuerliche Mordpläne in die Tat umzusetzen - erzählt wird außerdem sehr schlicht.
Über den Plot sollte man lieber nicht nachdenken, was Strand deshalb durch eingeschobene Skurrilitäten die manchmal besser – Michael Ashcrofts kurzfristige "Auferstehung" hat auf jeden Fall eine einprägsame Wirkung! –, manchmal schlechter und – immerhin selten – gar nicht gelungen sind.
Vor allem misslingt Strand die Schaffung einer Hauptfigur, die als Führer durch diese Welt der konstruierten Seltsamkeiten taugt. Schon der Name ist kein Wink, sondern ein Hieb mit dem sprichwörtlichen Zaunpfahl: "Mayhem" bedeutetet Chaos, und das ist es, was unser Held entweder verbreitet oder in das er gerät. Leider kann sich Strand nicht entscheiden: Ist Mayhem das bevorzugte Opfer der Tücke des Objekts, oder steckt in ihm doch ein Kämpfer, der zum Vorschein kommt, wenn es richtig ernst wird? Doch wie erklärt sich dann, dass dieser Kämpfer immer wieder verschwindet und dem Trottel Platz macht?
Chaot mit Familienanhang
Mayhem zur Seite steht Kumpel Roger, der ebenfalls nicht durch Alltagstauglichkeit glänzen kann. Für einen zweiten Kampf-Trottel besteht in dieser Geschichte ohnehin kein Bedarf, weshalb Strand Roger durch einen Pfeilschuss so außer Gefecht setzt, dass er anschließend vor allem dann auftritt, wenn Mayhem seine Kinder irgendwo zwischenlagern muss.
Denn er ist ein Privatdetektiv mit Familie, die er in seine Arbeit einbezieht. Offenbar soll es witzig wirken, dass Mayhem beispielsweise zur Observation eines Friedhofes mit zwei altklugen, naseweisen Gören vorfährt. Daheim lauert selbstverständlich eine liebevolle aber strenge Gattin, die einerseits mit kurzem Geduldsfaden und andererseits unerklärlich nachsichtig Mayhems Eskapaden registriert. Auch für sie hat Strand keine Verwendung über diese Witzfunktion hinaus, weshalb er sie bald durch einen Beinbruch aus der Handlung nimmt.
Aller Anfang ist schwer
Grabräuber gesucht zeigt Jeff Strand in der Frühzeit seiner Schriftsteller-Laufbahn. Die zur Sprache gebrachten Unbeholfenheiten mögen ihre Erklärung in dieser Tatsache finden. Zumindest im englischsprachigen Raum hat Strand in den vergangenen Jahren eine Produktivität an den Tag gelegt, die auf Publikumserfolg deuten lässt. Die Andrew-Mayhem-Serie setzt er weiterhin fort.
Auf dem deutschen Buchmarkt ist ein erster Landeversuch anscheinend gescheitert. Nur die ersten beiden Romane erschienen; ein dritter Band wurde angekündigt; er hatte schon einen Titel (Sarg zu verkaufen – Nur einmal benutzt), wurde aber aus dem Verlagsprogramm gestrichen. Wie es scheint, sind den Lesern die erwähnten Schwächen ebenfalls ungünstig aufgefallen.
Nun geht Jeff Strand in Deutschland in die zweite Runde. Vom Verkaufserfolg wird es abhängen, ob die Reihe dieses Mal über die volle Distanz Veröffentlichung findet. Schwächen lassen sich überwinden, und die unterhaltsamen Stellen in Grabräuber gesucht sind zu zahlreich, um Zufall zu sein: Strand kann schreiben. Hier muss er noch lernen, dies ökonomisch einzusetzen und dem Gag nicht die Story zu opfern. Womöglich ist ihm dies inzwischen gelungen.Jeff Strand, Otherworld Verlag
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