Hitzschlag
- Hoffmann & Campe
- Erschienen: Januar 2012
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- Hamburg: Hoffmann & Campe, 2012, Seiten: 432, Originalsprache
So machen Krimis Spaß
Seit einigen Wochen treibt ein brutaler Serienvergewaltiger sein Unwesen in Wiesbaden. Offenbar bestens informiert klettert der von den Medien als "Artist" bezeichnete Täter in die Wohnungen seiner Opfer, vergewaltigt diese und fügt ihnen anschließend schwere Verletzungen zu. Da er keinerlei Spuren hinterlässt tappt die Kripo noch völlig im Dunkeln als sie zu einem weiteren Fall gerufen wird. Irina Portner, eine junge Russin, ist das Opfer, aber dieses Mal liegt der Fall ein wenig anders, denn ihr wurden nach dem Sexualvergehen vergleichsweise geringe Verletzungen beigefügt. Gar nicht ins Bild passt jedoch ihr erschossener Ehemann Jan, denn dies bedeutet eine völlig neue Gewalteskalation beim Vorgehen des "Artisten". Winnie Heller und ihr Chef Hendrik Verhoeven ermitteln in alle Richtungen und befragen – soweit möglich – vor allem die bisherigen Opfer erneut, denn bislang ist völlig schleierhaft, wieso der "Artist" sich ausgerechnet diese Frauen ausgesucht hat. Gemeinsamkeiten scheint es zumindest auf den ersten und zweiten Blick nicht zu geben.
Währenddessen beunruhigt Damian Kender ebenfalls der letzte Übergriff des "Artisten", denn wie er aus der Zeitung erfährt, gab es bei der jüngsten Vergewaltigung erstmals auch einen Mord. Doch diesen kann der "Artist" nicht begangen haben, so viel steht für Damien fest. Schließlich müsste er dies ja am Besten wissen, aber wer hat ihn reingelegt? Wer war der ominöse Anrufer der ihn aufgefordert hat, zu einem bestimmten Zeitpunkt die junge Russin zu vergewaltigen, da andernfalls seine Identität auffliegen würde.
Hitzschlag ist ein Krimi, der fast wie ein klassischer Whodunit daherkommt. Zwar wissen die Leserinnen und Leser von Anfang, wer der gesuchte "Artist" ist, doch stellt sich in erster Linie ja die Frage, wer den Mord an Jan Portner, einen nicht allzu beliebten Sternekoch, veranlasst hat. Nach und nach werden die Opfer des "Artisten" von Heller und Verhoeven befragt, so dass die Handlung nicht unbedingt rasant voran schreitet. Wer dies sucht, der greife zu den üblichen 08/15-Thrillern, die einen wie wild vorantreiben, um dabei mitunter die ein oder andere inhaltliche Schwäche zu kaschieren. Nein, bei Silvia Roth geht es ganz gemächlich zu, in aller Detailverliebtheit steht die Ermittlungsarbeit der Polizei im Vordergrund ihres Plots. Parallel dazu begegnet man immer wieder Damien, der versucht, sich aus der neuen Situation einen Reim zu machen und seinerseits den Mörder zu finden. Schließlich kennt dieser seine Identität und könnte der Polizei nach wie vor den entscheidenden Tipp geben.
"Wie lange könnte eine solche erste Tat her sein?", fragte sie, weil sie eine Antwort auf diese Frage brennend interessierte.
"Schwer zu sagen", brummte Kolmar.
"Ein Jahr, zehn Jahre?" Hinnrichs trommelte entnervt auf seinen Unterlagen herum. "Sagen Sie uns was."
Der Profiler schüttelte den Kopf. "Es wäre absolut unseriös, hierzu eine Prognose abzugeben."
"Ha!", machte Hinnrichs. "Wenn mich nicht alles täuscht, ist genau das Ihr Job!"
Aus den umfangreichen Befragungen ergibt sich nur sehr langsam ein Bild, dessen einzelne Puzzleteile nur mühsam zusammen passen wollen. Trotzdem ist der Schreibstil von Silvia Roth auf seine Art durchaus "treibend", denn irgendwo muss es doch mal den entscheidenden Hinweis geben. Wer also den Mörder vor den Ermittlern enttarnen möchte, darf es gerne versuchen und wird aufgrund einer (leider) recht überschaubaren Auswahl vermutlich sogar Erfolg haben. Gleichwohl wird man das Motiv erst mit Winnie Heller, der Protagonistin dieses Romans, gemeinsam erkennen. Apropos Winnie Heller: Die Figurenzeichnung ist ebenfalls ein wichtiger Punkt für die Autorin und nimmt daher entsprechend viel Platz ein, was sich auch auf einige der Opfer des "Artisten" bezieht. So wird man noch intensiver in die Handlung hineingezogen und kann umso mehr mitfiebern. Dabei ist es durchaus interessant zu erfahren, wie unterschiedlich die einzelnen Frauen mit ihrem Schicksal umgehen. Lediglich die Figur von Verhoeven, Winnies Vorgesetzen, ist etwas zu sehr überzogen. Damien Kender lernen wir ebenfalls näher kennen und erfahren, wie er denkt und vorgeht. Allein sein Motiv hätte etwas deutlicher herausgestellt werden können, aber irgendein Haar in der Suppe … ach ja, wo wir gerade dabei sind: Das Verhoeven gegen Ende des Plots in einer Situation sein Jackett verliert, um es kurz darauf über einen Stuhl zu werfen (hä?) ist recht amüsant zu lesen, zumal wenig später wiederum der "Artist" besagtem Jackett einen Gegenstand entnimmt, der gewisse Einflüsse auf das Finale hat.
Halten wir fest, Hitzschlag ist beste deutsche Krimikost im klassischen Format, bei der die Autorin einige Handlungsstränge geschickt zeitlich versetzt erzählt beziehungsweise auflöst. Großer Krimispaß mit kleinen Schwächen.
Silvia Roth, Hoffmann & Campe
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