Die Tätowierung
- btb
- Erschienen: Januar 2002
- 32
- Göteborg: Anamma, 2000, Titel: 'Tatuerad torso', Seiten: 345, Originalsprache
- München: btb, 2002, Seiten: 446, Übersetzt: Holger Wolandt
- München: btb, 2004, Seiten: 446, Übersetzt: Holger Wolandt
- München: btb, 2006, Seiten: 446
- München: btb, 2008, Seiten: 446
Kein Meilenstein der schwedischen Kriminalliteratur
Der Hund einer Spaziergängerin finden in den Felsen am Strand einen schwarzen Sack, in dem sich ein Torso befindet. Mehr als grausam ist, dass auch die Brust und die Eingeweide fehlen. Eine Identifizierung scheint kaum möglich, auch die Todesursache ist nicht klar. Die einzige Spur, die Kommissar Andersson und sein Team verfolgen können, ist die außergewöhnliche Tätowierung, die sich am Körper befindet. Nachfragen bei den örtlichen Tattoo-Studios in Göteborg ergeben, dass man für so eine Tätowierung mehrere Tage benötigt und dass sie höchstwahrscheinlich von einem Meister seines Fachs ausgeführt wurde. Es handelt sich dabei um das japanische Zeichen für Mann, um das sich ein Drache windet. Gleichzeitig erfährt die zuständige Pathologin bei einer Konferenz von einem Kollegen, dass vor zwei Jahren in Kopenhagen eine ähnlich verstümmelte Leiche einer Prostituierten aufgefunden wurde. Und wie es der Zufall will, ergibt die Veröffentlichung über Interpol ebenfalls eine Spur nach Kopenhagen, denn die Zeichnung findet sich auf dem Schild eines Ladens im Rotlicht-Milieu.
Inspektorin Irene Huss fährt nach Dänemark. Da eine frühere Nachbarin sie um Mithilfe gebeten hat, da ihre Tochter Isabell in Kopenhagen angeblich bei einer Modellagentur arbeitet und sich nicht mehr meldet, will sie auch in diesem Fall nachforschen. Bingo, das Mädchen arbeitet bei einem sogenannten Begleit-Service, doch leider kann sie nicht mit ihr sprechen, da sie unterwegs ist. Dafür gibt es einen ersten Erfolg beim Torso. Der Besitzer des Ladens mit dem Drachen-Emblem kann die Leiche höchstwahrscheinlich identifizieren.
Irene Huss erfährt ein paar Tage später, dass die Leiche von Isabell in einem Hotel in Kopenhagen gefunden wurde. Sie weist den gleichen Obduktionsschnitt auf wie der verstümmelte Körper aus den Felsen, einen weiteren Zusammenhang gibt es nicht. Sollte dies eine Warnung für sie sein, sich nicht einzumischen?
1000 Tassen Kaffee und IKEA-Möbel
Am auffälligsten an Helene Turstens Schreibstil ist in der Tat die Detailverliebtheit, etwas, war mir noch bei keinem anderen Autoren in diesem Maße aufgefallen ist. Dass eine Geschichte nicht ohne Speck auf den Rippen auskommt, ist einleuchtend, denn zu einem Roman gehört mehr als eine Aneinanderreihung von Fakten. Aber Helene Tursten übertreibt es meiner Meinung nach mit den Angaben über die vielen getrunkenen Tassen Kaffee eindeutig. Da wird z.B. zudem einer Personenbeschreibung über eine halbe Seite gewidmet, bis zum Goldkettchen am Arm, und diese Figur hat rein gar nichts mit der Handlung zu tun, weder als Opfer oder Zeuge noch als Verdächtiger.
Auch die Übersetzung erscheint mir in manchen Fällen nicht ganz sinnvoll. Da wird ein Name aus dem Handy "radiert", da ist ein Hausbesitzer, in dessen Haus die Mieter "Besitzer" der Wohnungen sind etc. Zu guter letzt sind die Dialoge teilweise platt, z.B. die Aussage über den australischen Weißwein zum Essen: "Gibt es auch in rot" (S. 48). Das erinnert an einen Sketch aus RTL Samstag Nacht, als Wigald Boning über einen Wein aus dem TetraPak philosophiert: "Wein - Marke trinkfertig - gibt es auch in rot." Nun wird Helene Tursten wohl kaum Wigald Boning kennen, aber der Satz ist dennoch lächerlich. Oder wenn Irene Huss ihre Nachbarin fragt: "Hat Janne noch seine Software-Firma? Kannst du mir die Bilder mailen?" (S. 79). Sind nur Leute mit einer Software-Firma in der Lage, Fotos per Mail zu verschicken?
Leichen pflastern ihren Weg
Genug der Negativpunkte. Die Story ist spannend, auch wenn ihr ein paar Seiten weniger (siehe Details) durchaus gut getan hätten. Dass sie sehr blutrünstig ist und auch in diesem Punkt mit vielen Details aufwartet, die nicht jeder so genau wissen möchte, ist für Leser von Helene Tursten vielleicht neu, aber es gibt genug Autoren, die sich darin überbieten. Anders als in ihren vorhergehenden Büchern verzichtet die Autorin darauf, eine Parallelhandlung mit Problemen in der Familie zu entwickeln, was angesichts dessen, dass die beiden Töchter schon dafür herhalten mussten, positiv zu sehen ist.
Irgendetwas hat diese Inspektorin, dass ich trotz der geäußerten Kritik schon zum dritten Mal zu einem Buch von Frau Tursten gegriffen habe. "Die Tätowierung" ist sicherlich kein Meilenstein in Schwedens Kriminalliteratur, aber flott lesbare und leichte Unterhaltung inklusive Serienkiller-Touch.
Helene Tursten, btb
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