Verarschung
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2011
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- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2011, Seiten: 267, Übersetzt: Karolina Fell, Silke Jellinghaus & Katharina Naumann
Gratwanderung
Jetzt steigen sie wieder in den Bücher-Charts – Stieg Larssons Romane um Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander. Der Kinostart der US-Verfilmung des ersten Teils der sogenannten "Millennium-Trilogie" hat das allgemeine Interesse neu entfacht. Wer hätte damals 2005, als Män som hatar kvinnor in Schweden, oder ein Jahr später, als Verblendung in Deutschland veröffentlicht wurde, daran gedacht, dass dieses und die beiden folgenden Bücher die ersten Megaseller des neuen Jahrtausends werden würden.
Stieg Larssons posthume Erfolgsgeschichte ist selbst jetzt sieben Jahre später nicht beendet. Neben den gebundenen Ausgaben,den Taschen- und Hörbüchern, der ersten Verfilmung sind mehrere Biographien über Stieg Larsson erschienen und der Streit um seinen Nachlass sorgte für ausreichend medialen Wirbel. Nun hat sich im letzten Jahr jemand an einer Parodie auf Stieg Larssons Leben und seine Romanen versucht. Die Resonanz war/ist eher bescheiden. Das mag schon vorab daran liegen, dass sich der Rowohlt-Verlag in Anbiederung an die Heyne'schen Worthülsen Verblendung, Verdammnis und Vergebung zu dem derben Titel Verarschung hinreißen ließ. Wer aber möchte schon verarscht werden oder seinen Lieblingsschriftsteller und seine Werke verarscht sehen? "De mortuis nil nisi bene"- sagt doch schon der Lateiner. Autor Lars Arffssons selbst hat sich an den englischen Titel von Verblendung - The Girl with the Dragon Tattoo angelehnt und aus dem Drachen einen Stör gemacht. Eine Fisch geschmückte Lady spielt in Arffssens Parodie zumindest eine bedeutende Rolle.
Um einen Eindruck zu bekommen, was in Lars Arffssens Parodie Sache ist, braucht man eigentlich nur die Pseudo-Biographie des Autors zu lesen - haarsträubender Unsinn. In diesem Tenor geht es dann über 260 Seiten. Vor dem Kauf dieses Buches ist es dringend geraten, die von der Krimi-Couch angebotene Leseprobe anzunehmen. Wem das gefällt, der schere sich nicht um die hier vom Rezensenten vertretene Einschätzung. Humor polarisiert. Es gibt Hunderttausende, die sich über Rita Falks Dorfpolizisten kringeln vor Lachen, aber auch einige, die das für mittlerweile gefährlichen Dummsinn halten.
Lars Arffssens Parodie ist von ganz anderem Kaliber und der Rezensent hätte sie gerne als geglückt bewertet. Neben den Hunderten von Anspielungen auf Stieg Larsson und seine "Millennium"-Trilogie – mal feinsinnig, mal platt – steckt auch eine gute Portion Gesellschaftskritik (Kapitalismus, Konsum- und Sozialverhalten, Markenfetischismus) darin, die leider in der Flut penetranter Kalauer und Zoten untergeht. "Auch wenn man einen schlechten Witz zehnmal wiederholt, wird er nicht besser"- stand irgendwo geschrieben und das trifft's. Ständige Wiederholungen sind ermüdend und enervierend, zumal Krimispannung nicht wirklich aufkommen will. Um was es geht, ist schnell erzählt.
Der unveröffentlichte schwedische Schriftsteller Twig Arssen wird enthauptet aufgefunden. Kurze Zeit später ereilt Twigs Freund, dem Störforscher Ekkrot das gleiche Schicksal. Twigs Vater beauftragt den investigativen Journalisten Mikael Blomberg (ehemals Blomkvist), sich des Falles anzunehmen. Erste Vermutungen gehen in Richtung des berühmten schwedischen Möbelhauses UKEA, denn über dessen möglicherweise "braune" Vergangenheit soll Twig zuletzt recherchiert haben. Doch dann taucht ein Video aus einer Überwachungskamera in Twig Arssens Wohnung auf, das eine allseits bekannte Person in mörderischer Action zeigt: Lizzie Salamander. Nur etwas mit ihrem Tattoo scheint nicht zu stimmen.
Man hätte sich vom Autor einen maßvolleren Umgang mit seinen Ressourcen gewünscht. Ein Zuviel gleichwelcher Substanz tut nicht gut. Hier reiht sich Gag an Gag und manche davon unterschreiten die Grenze des guten Geschmacks. Die Idee, Stieg Larssons "Millennium"-Trilogie aufs Korn zu nehmen, forderte diese nahezu heraus – nicht nur wegen ihrer Berühmtheit, sondern auch wegen ihres unfreiwilligen Humors.
In der Ausführung wandelt Lars Arffsson auf einem schmalen Grat zwischen feinsinnigem Humor und grobschlächtigem Klamauk, wobei letzterer den Gesamteindruck negativ ausfallen lässt.
Also lieber erst probelesen, anstatt spontan kaufen.
Lars Arffsen, Rowohlt
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