Die Sprache des Feuers
- Der Audioverlag
- Erschienen: Januar 2012
- 7
- New York: Knopf, 1999, Titel: 'California fire and life', Seiten: 337, Originalsprache
- Berlin: Der Audioverlag, 2012, Seiten: 6, Übersetzt: Dietmar Wunder
Dead Duck, Bad news, Beat the crimes of which you stand accused - Dance through the fire...
Jack Ward hat das Talent aus den richtigen Gründen das Falsche zu tun. So hat er seinen Job als Brandermittler verloren, seine Freundin und seine Reputation. Immerhin verschafft ihm sein Expertenstatus einen Job als Schadensregulierer bei der "California Fire And Life"-Versicherung. Zwölf Jahre nach dem Rauswurf bei der Polizei stößt er auf die verbrannte Leiche Patricia Vales. Ermittler vor Ort ist der laxe Bentley, genau jener Kollege, der seinerzeit maßgeblich seinen Rauswurf mitverschuldet hat. Offiziell wird so der Unfalltod einer alkoholabhängigen Frau konstatiert, die mit einer brennenden Zigarette im Bett eingeschlafen ist. Der Klassiker. Doch Ward hat bald einen ganz anderen Verdacht: Er vermutet hinter dem Ableben der jungen Mutter ihren Gatten Nicky, den smarten Exilrussen, der sich den American Way Of Life zu Eigen gemacht hat wie kein Zweiter. Zusätzlich motiviert dadurch, dass die Tote die Schwester seiner großen Liebe Letty ist, stochert er in der Asche herum und findet bald Belege für seine These. Nicht nur für den Mord, sondern für eine Intrige, die aus Nicky Vale, dem klammen Geschäftsmann mit tiefriechenden Beziehungen zum organisierten Verbrechen und dem ehemaligen KGB, wieder einen unabhängigen und reichen Mann machen sollen.
Jack mag der fähigste Schadensregulierer bei "California Fire And Life" sein, und auch sein detektivisches Talent ist ausgeprägt. Vielleicht ist er ein bisschen zu überzeugt von sich selbst und dass eine Institution existiert, die für Recht, Moral und Gesetz eintritt. Er will dem auf die Sprünge helfen und das Richtige tun. Dabei merkt er nicht, dass er sich mit Kräften anlegt, die viel weitreichender sind, als er ansatzweise vermutet und zudem aus unerwarteten Richtungen auf ihn einwirken. Der Abstand zwischen Gewinner und Verlierer ist manchmal kürzer als der Lauf eines stupsnasigen Revolvers…
Selten, dass ein deutscher Titel den originalen zwar nicht toppt, aber eine ernsthafte Alternative darstellt. Die Sprache des Feuers wird von Don Winslow sehr genau analysiert. So erfahren wir im ersten Drittel viel über die Entstehung von Bränden, ihre Unterschiede, Einflüsse, Spuren und Auswirkungen. Ein Freudenfest für Pyromanen und Brandbekämpfer, aber eine Herausforderung an den Leser, der sein Feuer nur schätzt, wenn es im Kamin schwelt. Feuer ist die Essenz des Romans, sein Anfang und sein Ende. Jack Wade ist fasziniert davon, ein akribischer Analytiker und genauer Beobachter. Was Brandursachen und –wirkung angeht. Doch was nützt ihm sein Wissen, sein Engagement, seine Integrität, wenn er die Wesen unterschätzt, die Brände verursachen und ihre Folgen bearbeiten.
Der Originaltitel ist nicht umsonst der Name der Versicherung, für die Jack arbeitet. Obwohl "California Fire And Death" passender wäre. Denn der Tod schafft die Voraussetzung für das Wohlergehen der Überlebenden. Dafür werden Beiträge gezahlt. Und nur darum geht es: Um den geregelten Finanzfluss. Die alte Regel, die besagt, wer das Geld hat, hat auch das Recht auf seiner Seite. Jack Wade hat das zwar intuitiv begriffen, aber nie verstanden welche verschlungenen Pfade die Finanzen gehen, um jene zu bereichern, die damit umzugehen wissen. Jack Wade ist zu besessen von seinem Metier und seiner Lauterkeit, um wahrnehmen zu können, dass er ein Spielball ist, eine Flipperkugel, die dahin gefeuert wird, wo ihr Nutzen gerade am Größten ist.
Winslow ist äußerst geschickt darin, Erwartungshaltungen zu erzeugen und wieder zu brechen. Er betrachtet das einzelne Segment, hat aber die größeren Zusammenhänge immer im Auge. Das unterscheidet ihn eklatant von seinem Protagonisten. Den er einführt als hartnäckigen Arbeiter, als Koryphäe auf seinem Gebiet, ein Bonus für jede Gemeinschaft, die der Aufklärung verhaftet ist. Nicht nur von Bränden. Und der sofort auf die Schnauze fällt, wenn er es mit Gegnern zu tun bekommt, die nach Regeln spielen, in denen so sinnlose Worte wie Gewissen, Verantwortung, Moral und Achtung vor den Mitmenschen, nicht vorkommen. So wird der klassische Antiheld, der aufrechte Kämpfer gegen die Windmühlenflügel der Amoralität, der Korruption in den eigenen Reihen, von Beginn an zum Opfer. Ihm gelingt es nicht einmal, die zu schützen, für die er den geliebten Beruf, seine gerichtsrelevante Reputation aufopferte. Eine gewissenlos abgefeuerte Kugel zeigt mehr Wirkung als der verzweifelte Versuch Integrität aufrecht zu erhalten.
Vor dreizehn Jahren ist California Fire And Life im Original erschienen. An der Aktualität hat sich kaum etwas geändert. Das Verbrechen hält immer weiter Einzug in den Alltag, die Grenzen verschwimmen täglich ein bisschen mehr und lediglich ein kurzes Aufflammen von Scham und Gewissen hält sie manchmal sekundenlang am Leben. Schmutzige Deals reißen sie aber fortwährend ein.
Winslow zeigt wie eng der Traum vom Aufstieg eines Selfmademans, mit der Bereitschaft über Leichen und Gesetze hinweg zu gehen, zusammen hängt. Damit ist er dem schwedischen Kollegen Arne Dahl, der mit Gier so unterhaltsam ärgerlich wie kläglich scheiterte, um mehr als ein Jahrzehnt voraus und wesentlich überzeugender. Weil er dort bleibt, wo er sich auskennt. Zwischen Surfbrett und Brandstiftern. Nicht nur den ideellen. Die Sprache des Feuers ist ein spannender, desillusionärer und stilistisch so effektiver wie anschaulicher Roman über die alte Weisheit, dass das Geld die Welt regiert. Mit einem furiosen Showdown.
Einen kleinen Romantizismus erlaubt sich Winslow allerdings: Ganovenehre darf tatsächlich persönliche Geschicke und Seinszustände nachhaltig beeinflussen.
Don Winslow, Der Audioverlag
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