Gefährliche Fanggründe
- Goldmann
- Erschienen: Januar 1974
- 0
- München: Goldmann, 1974, Seiten: 156
Hinab zu den Fischen - nicht immer lebendig
Vor der Nordwestküste Schottlands liegen die Inneren Hebriden, Heimat eines rauen Menschenschlags, der sein Auskommen seit jeher im Fisch- und Hummerfang findet. Das Leben auf See ist hart, der Erfolg nie sicher, weshalb viele Fischer alles aus dem Wasser ziehen, was sich in ihre Netze verirrt hat - ein Verhalten, das im Zeitalter quasi industrieller Meeresfischerei nicht mehr geduldet werden kann.
Damit die Populationen schmackhafter Meeresbewohner nicht endgültig zusammenbrechen, lässt die britische Regierung die Fischer überwachen. Schnelle Kreuzer wie die „Marlin“ fahnden nach denen, die sich nicht an Höchstfangmengen und Mindestfischlängen halten wollen. Natürlich hassen die Fischer diese „Schnüffler“, die ihnen gleich vor Ort hohe Geldstrafen aufbrummen, wenn sie Verstöße feststellen.
Trotzdem kommt man normalerweise miteinander aus. Deshalb freut sich die Besatzung der „Marlin“, als der Kreuzer in den Hafen von Port MacFarlane auf der Insel Mull einläuft: Dort signalisiert eine Flagge die bevorstehende Hochzeit einer Insel-Maid mit einem Fischer. Gäste sind willkommen, dürfen mitfeiern und -trinken. Kapitän Shannon kennt den Brautvater gut, stellt aber fest, dass die Hochzeitsstimmung getrübt ist: Bräutigam Roddy und sein Bruder Dan fangen tauchend unter Wasser begehrte Hummer. Die übrigen Fischer beschuldigen sie, unbemerkt ihre Fallen zu plündern.
Der Streit eskaliert, dann zieht man einen der zornigen Männer tot aus dem Hafenwasser. Er könnte im Suff ertrunken sein, aber Shannon und Webb Carrick, sein Erster Offizier, glauben nicht daran, zumal kurz darauf die Steuerung der „Marlin“ sabotiert wird und der Kreuzer auf einem Riff endet …
Vom Unwillen zu teilen
Man glaube nicht, der Kriminalroman schließe relevante Tagesprobleme außerhalb unterhaltsamen Mordes & Totschlags aus! Obwohl es in „Gefährliche Fanggründe“ natürlich darum geht, diversen Lumpen das Handwerk zu legen, könnte dieses Garn ohne seine Hintergrundgeschichte gar nicht gesponnen werden.
Schon in den frühen 1970er Jahren ging es rau auf den Meeren zu. Immer modernere Fangschiffe stellten dem begehrten Fisch erbarmungslos nach. Immer weniger fand sich in den Netzen, was für die Fischer, die von ihrem Fang lebten, das Signal war, ihre Anstrengungen zu verdoppeln. Bald kollabierten die nur scheinbar unerschöpflichen Schwärme. Eine staatliche Kontrolle musste her, bevor es zu spät war. Für besagte Fischer war dies eine rotes Tuch, weil es ihre Erträge noch weiter schmälerte, wenn sie nicht mehr fischen durften, wo und so viel sie wollten.
Dies ist die Welt, in der die Besatzung des Fischereischutzkreuzer „Marlin“ ihren Dienst versieht. Fernab jeglicher Büro-Schreibtische ist dies eine Herausforderung, die den ganzen Mann - das Schiff ist frauenfrei - erfordert. Auf hoher See kommt es zu Verfolgungsjagden und handgreiflichen Auseinandersetzungen, wenn ein verdächtiger Fischer gestellt wird. Es ist ein ewiges Katz-und-Maus-Spiel, denn die Behörde kann nicht überall sein, was die Fischer wissen und ausnutzen. Zumindest an Land herrscht Waffenstillstand. Deshalb sind die Männer der „Marlin“ anwesend, als die schöne Mhari mit ihrem Roddy verheiratet wird.
Die Brüderschaft des Meeres
Stets präsent ist das Meer, das jederzeit ein Fischerboot oder die „Marlin“ verschlingen kann. Niemand vergisst es, was sich in den uralten Ritualen widerspiegelt, in denen sich ‚heidnische‘ Elemente und derbes Christentum mischen:
„Der Ortspfarrer benutzte die Gelegenheit, denen unter seinen Schafen, die nur bei Hochzeiten und ähnlichen Anlässen in der Kirche zu sehen waren, ausgiebig die Leviten zu lesen. Zwischendurch wurden Mhari … und Roddy … als Mann und Frau zusammengegeben, und schließlich heulte die Orgel ein letztes Mal auf … dann setzte sich beim Klang von Dudelsäcken alles in Richtung auf das Gasthaus in Bewegung.“ (S.56)
Dieses Zitat kündet auch von trockenem Humor, der einhergeht mit einer formalen Ökonomie, die inzwischen ausgestorben zu sein scheint. Es geht hoch her in Port MacFarlene und auf den lokalen Inseln, aber nach 160 Seiten sind gleich zwei Kriminalfälle gelöst. Hier ruht kein Autor auf recherchierten Fakten, die er auspresst bis zum letzten Info-Fitzel. Stattdessen erzählt Knox eine Geschichte: zügig, zielorientiert und ohne jenen Schmalzbuckel, der heutzutage als tragisches Privatschicksal jeder Hauptperson aufgeladen wird. Knox zeichnet seine Figuren mit raschen, klaren Strichen. Sollte ihnen etwas zu schaffen machen, das nicht mit dem aktuellen Fall zu tun hat, lassen sie uns Leser damit dankenswerterweise in Ruhe!
Zwischen Einleitung und dramatischem Finale zieht Knox alle Register. Er kennt sich im gewählten Milieu aus und kann daraus für die erdachte Geschichte Kapital schlagen. Obwohl knapp im Wort, bleibt stets Raum für Beschreibungen, die die Schönheit und Gefahr der See gleichermaßen plastisch heraufbeschwören.
Raue See, raue Sitten, raue Kerle
Das Meer ist keine Heimat für Zauderer oder Träumer. Weder Fische noch Hummer springen von allein aus dem Wasser. Man muss hart arbeiten und dabei immer ein Auge auf Wetter und Wogen, Strudel und Klippen haben. Die Bürokratie und die Abhängigkeit von Großeinkäufern, die den Fischern die Preise praktisch diktieren, verjagen den Rest eventueller Seefahrerromantik.
Längst hat die moderne Welt auch die fernen Hebriden erreicht. Immobilienhändler durchstreifen die Inseln auf der Suche nach potenziellen Bauplätzen für feudale Landsitze, die zivilisationsmüde Manager aus der Stadt hier errichten wollen. Sie winken mit Geld, weshalb nun seit Generationen in Familienbesitz befindlicher Grund verkauft wird, was die Gemeinschaft zusätzlich schwächt.
Das Gesetz hat es schwer auf der Insel Mull. Die ‚normale‘ Polizei benötigt Stunden, bis sie vor Ort erscheint. Dort legt man ohnehin Wert darauf die Dinge selbst zu regeln, wobei Fäuste, Flaschen und Knüppel bewährte Instrumente darstellen. Selbst die Männer der „Marlin“ müssen sich in Acht nehmen. Zum großen Ärger des Kapitäns gelingt es sogar, das Schiff lahmzulegen. Glücklicherweise sind seine Leute ebenfalls aus hartem Holz geschnitzt. Vor allem Webb Carrick wagt sich immer wieder (und buchstäblich) in die Schusslinie. Dabei kann er sich auf seinen Bootsmann „Clapper“ Bell verlassen, der den in jedem ‚richtigen‘ Garn auftauchenden Seebären verkörpert, d. h. baumlang ist, alle unter den Tisch säuft, trotzdem bei jeder Prügelei dabei und auch sonst mit allen Wassern gewaschen ist.
Fazit
Band 8 der Serie um die Einsätze des Fischereikreuzers „Marlin“ verlegt das Krimi-Geschehen an und auf das Meer. Ein sauber verdrillter Doppel-Plot wird durch klar gezeichnete Figuren und den knappen, eleganten Stil bis zur Auflösung getragen: Dieser ‚Routine-Krimi‘ von gestern lässt viele moderne Autoren schlecht dastehen.
Bill Knox, Goldmann
Deine Meinung zu »Gefährliche Fanggründe«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!