Die Pforte des Lichts
- Limes
- Erschienen: Januar 2011
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- Barcelona: Roca, 2009, Titel: 'El anticuario', Seiten: 473, Originalsprache
- München: Limes, 2011, Seiten: 508, Übersetzt: K. Schatzhauser
Ein Potpourri ohne Überzeugungskraft
"Barcelona zwischen Mord und Mystik" - so titelt der Klappentext auf der Rückseite des Buches und steckt damit den Rahmen ab, in dem sich Julian Sanchez´ Debütroman Die Pforte des Lichts inhaltlich bewegt. In der Tat mangelt es nicht an vielversprechenden Themen: Mordfälle, eine Gralssuche, ein historisches Intermezzo, eine Second-Hand Love-Affair, nicht zuletzt eine Hommage an die Stadt Barcelona. Das liest sich recht interessant und unterhaltsam, aber Spannung will nicht so richtig aufkommen. Der bedeutungsschwangere deutsche Titel Die Pforte des Lichts hört sich gewichtig an, aber im spanischen Original heißt es ganz schlicht El Anticuario, was dann eher den Tatsachen entspricht.
Enrique Alonso ist ein erfolgreicher Schriftsteller und lebt in San Sebastian im schönen Baskenland. Gerade hat er die letzten stressigen Zeilen seines neuesten Werkes getippt, sich ein paar Tage Erholung auf seiner Segelyacht gegönnt, da ereilt ihn der Anruf seiner Ex-Frau, dass sein Adoptivvater Artur Aiguader ermordet worden sei. Dieser war ein angesehener Antiquitätenhändler und Antiquar in Barcelona. In einem letzten Brief an seinen Sohn hatte er von einen bedeutenden Fund im Nachlass einer katalanischen Patrizierfamilie geschrieben. Sollte ihm dieser zum Verhängnis geworden sein?
Enrique fliegt nach Barcelona, um das Erbe seines Ziehvaters zu regeln und der dortigen Polizei in der Mordsache Rede und Antwort zu stehen. Natürlich ist er auch ganz neugierig darauf, was sein Vater da so Geheimnisvolles erworben hat. Im Einband eines anderen Buches versteckt, findet Enrique auch das fünfzehn-seitige lateinische Manuskript aus den Anfängen des 15. Jahrhunderts, das mit kommentierenden Randnotizen in Alt-Katalanisch, wohl aus jüngerer Zeit, versehen ist. Trotz seiner nur noch rudimentär vorhandenen Lateinkenntnisse bekommt Enrique eine Ahnung, dass es um einen Gegenstand von großer Bedeutung geht, der zur damaligen Zeit versteckt wurde. Ein Steinmetz, der mit dem Bau der Kathedrale Barcelonas befasst war, hat von den ortsansässigen Juden den sogenannten "Gottesstein" zur vertrauensvollen Aufbewahrung bekommen. Genaueres über den Verbleib des Steins kann Enrique nicht herausbekommen. Auch seine Ex-Frau Bety, immerhin Klassische Philologin, stößt an ihre Grenzen. Erst der exzentrische Altphilologe Manolo Álvarez Pinzón, den die beiden zu Rate ziehen, kann das Rätsel lösen. Der Stein scheint sich in Barcelonas Kathedrale zu befinden.
Während die einen nach dem Stein der Weisen suchen, sucht die Polizei nach Arturs Mörder. Verdächtig sind da erstmal Arturs Kollegen im Antiquitätenhandel. Aber auch ein französischer Schwarzhändler ist ihnen ins Visier geraten, mit dem Artur kurz vor seiner Ermordung einen heftigen Streit um Geld hatte. Von der Bedeutung des geheimnisvollen Manuskripts wissen sie anfangs nichts, darum bleibt ihre Suche lange ergebnislos. Als Enrique dann endlich mit der Wahrheit rausrückt, ist schon ein zweiter Mord geschehen.
Eine Gralssuche war ja mal ein spannendes Sujet, aber mittlerweile kursieren in der Literatur so viele geheimnisvolle Schriftrollen, Papyri und Steintafeln, wird nach allen möglichen Gegenständen der Weisheit, der Macht, des Ewigen Lebens gesucht, dass Die Pforte des Lichts nur ein weiteres Werk unter viel zu vielen ist. Auch wenn der Autor gegen Ende der Geschichte krampfhaft versucht, seinem "Gottestein" eine ganz besondere mystische Ausstrahlung anzudichten, indem er sogar das jüdische Sephirot bemüht, bleibt diese Suche eine der banalsten. Das liegt daran, dass der Autor sich nicht auf die Suche konzentriert, sondern sich gleichzeitig in einem leicht durchschaubaren Kriminalfall versucht, seinen Helden mit einem nachehelichen amourösen Abenteuer verwöhnen, den Pesthauch des Mittelalters verbreiten und dem Leser noch zu einem Sightseeing in Barcelona verhelfen will.
Qualität misst sich nicht in der Menge der Zutaten, sondern in deren Dosierung und Komposition, um den Charakter der namengebenden Hauptzutat zu unterstreichen. Es ist nur verständlich, dass Julian Sanchez gerade bei seinem Debüt nicht auf irgendeine gute Idee verzichten will. Dagegen lässt sich an sich nichts sagen, aber es ist eine Frage der Gewichtung. Wenn die Teilgeschichten gleichberechtigt nebeneinander stehen, wirkt das wie ein disharmonisches Flickwerk. Nimmt man zum Beispiel die Exkursion in die Vergangenheit, die dazu dient aufzuzeigen, wie der "Gottesstein" von jüdischer in spanische Hand gekommen ist, trifft man auf eine kleine eigenständige Geschichte, in der ein Mann versucht, seine Familie vor der Pest zu retten. Sie ist zu kurz, um das Interesse des Lesers zu erregen, aber zu lang, dass sie nicht den Erzählfluss der Haupthandlung störte.
Bei aller Liebesmüh, die in den einzeln Segmenten spürbar ist, leuchtet das Licht der Pforte nur schwach, da es ihr an Spannung gebricht. Man liest sich durch ein Flickwerk, in dem weder der Kriminalfall, noch der historische oder mystische Aspekt überzeugen können. Eine deutliche Festlegung auf einen Haupthandlungsstrang wäre zwingend gewesen. So rutscht Die Pforte des Lichts in die Kategorie: kurzweiliger, aber spannungsarmer Unterhaltungsroman ab und ist weder für Freunde historischer oder phantastischer Romane, noch für Krimi- oder Thrillerfans eine Offenbarung.
Julián Sánchez, Limes
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