Krimi-Hörspiele:
Mediatheken / 43

"24 - 7"

Reinfall statt Einfall

Was hat ein twenty-four-hour-shop mit einem Hörspiel zu tun? Viel, wenn ein Internetfreak auf der Suche nach Scoops, Privates in die Öffentlichkeit zieht. Ein Thema also, das Neugier und Besorgnis weckt. Der Mitautor Martin Ganteföhr hat schon durch seine Mitwirkung beim Hörspiel 39 bewiesen, dass er etwas von mobile devices versteht.

Inhalt

Benjamin Rohde betreibt außerordentlich erfolgreich die Audio-Live-App Scoops. Immer live bei geilen Events dabei. Keine Bilder, nur O-Töne und Benjamins Kommentare. Der finanzielle Einstieg ist ihm leichtgefallen. Seine Mutter ist Hanna Rohde, eine echte Größe in der Medienwelt. Die feiert heute Abend einen runden Geburtstag mit Tausenden von Gästen in einem mondänen Luxushotel. Darüber live zu berichten, will sich Benjamin nicht entgehen lassen. Er erhofft sich aber noch einen weiteren Effekt. Zieht sich seine Mutter aus dem Business zurück und übergibt ihm die Leitung?

Es kommt anders. Benjamin sitzt in U-Haft. Er wird verdächtigt, einen Mordanschlag auf seine Mutter verübt zu haben. Nach einem Zusammenbruch ringt diese im Krankenhaus mit dem Tode. Benjamin streitet alles ab. Überraschend tauchen Mitschnitte aller Gespräche von diesem Wochenende auf. Bringt diese Datenmenge eine Entlastung? Einige Ausschnitte spielt die Journalistin Rike im Netz ab. Rike arbeitet für den Konkurrenzkonzern und ist Crime Reporterin. Verdächtige gibt es nun reichlich.

Das Hörspiel

Der Zweiteiler kommt langsam in Gang. Nach den ersten zwanzig Minuten zeichnet sich vorsichtig eine Handlung ab, die aber erst zum Schluss von Teil 1 Spannung andeutet.   Das Hörspiel umfasst zeitlich gesehen einen Nachmittag und Abend, sowie den nächsten Vormittag. Spielort am Tag ist das Hotel, am nächsten Morgen das Auto von Rike. Es gibt viele O-Töne zu hören, aber ansonsten dauernd die Kommentare von Benjamin oder Rike.

Der Hörer zieht den Hut vor dem Sprechtalent Gerald Diehls als Benjamin, aber Spannung wird dadurch nicht erzeugt. Immerhin ist unüberhörbar, dass Benjamin ´ne fiese Möpp ist. Aber auch alle anderen Mitspieler sind eher Marionetten als Menschen mit Leib und Seele: die Stiefgeschwister, ein intriganter Künstler, ein karrieregeiler Politiker und und…

Ja richtig, das hört sich sehr nach billiger Vorabendserie im Fernsehen an. So viele Klischeefiguren erlebt man selten. In Teil 2 übernimmt die Konkurrentin Rike die Kommentarfunktion und berichtet aus ihrer Perspektive. Der Hörer bekommt einen Eindruck von den Möglichkeiten und Gefahren neuer Medien. Das wird technisch überzeugend inszeniert. Aber auf der Jagd nach Followern werden schon mal Grenzen überschritten.

Eine Schlussredaktion hätte dem Text gutgetan: Ein Krankenwagen hat nun wirklich keinen Kofferraum. Und wer spricht schon heute noch die Bedienung mit „Fräulein“ an? Die von den Toten auferstandene Hanna Rohde macht Rike nach einem Telefongespräch zum neuen CEO von Scoop. Wer denkt sich denn so einen Blödsinn aus? Unglaubwürdige Szenen gibt es reichlich. Aber die entscheidende Schwachstelle des Hörspiels ist, dass es dem Hörer jede Neugier und Freude nimmt. Benjamin und Rike tragen alle Gedanken vor, die eigentlich dem Hörer überlassen sein sollten. Und dauernd wird irgendein Mitschnitt hervorgezaubert, der wieder einen anderen Aspekt einläutet. Trotz vieler gelungener technischer Spielereien ist das Hörspiel todlangweilig. Das Stück will Familiendrama, sicher auch Medienkritik sein. Schade, dass dies alles untergeht. Ein Krimi ist es auf keinen Fall.

Fazit

Vielleicht ist es eine Generationenfrage. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Todlangweilig trotz vieler technischer Raffnissen. Ein Tiefpunkt der ARD-Hörspielkunst.

ARD Audiothek

"Nase um Nase"

Hamm schlägt wieder zu

Der Hammer Radio-Tatort erscheint im Jahr 2024 bereits mit der 19. Folge. Seit 12 Jahren überzeugt das bewährte Team um Autor Dirk Schmidt, Regisseurin Claudia Johanna Leist mit so überragenden Sprechern wie Uwe Ochsenknecht, Matthias Leja, Söhnke Möhring und die immer wichtiger werdende Christine Prayon.

Inhalte

Scholz ist auf Kur und kann (oder soll?) nur per Video-Schalte helfen. Immerhin hat er einen Fall: Eine Rentnerin brät einem Obdachlosen im Vorraum der Bank mächtig mit ihrem Rollator einen über. Der gute Mann hatte nichts getan und sie war nüchtern. Wie kann so etwas passieren?

Da schlägt sich das Hammer Team mit einem ganz anderen Kaliber rum. Auf Wunsch es LKA hat sich Ditters in einen Fight-Club einschleusen lassen, weil der Verdacht auf Schutzgelderpressung besteht. Dort geht es knüppelhart zu, aber die gute Ditters steht ihren Mann und findet Hinweise. Bevor sich die Lage zuspitzt, schaltet Ditters das ungeliebte LKA ein und die wollen den Laden hochnehmen. Ditters wird die Verbindungsfrau und hofft heimlich auf Beförderung. Alle sind guter Dinge, nur Latotzke nicht. Sein Näschen sagt, dass etwas faul ist. Oberfaul. Der Einsatz scheitert kläglich. Es gibt Tote und Verletzte. Immerhin klärt Scholz seinen Fall.

Das Hörspiel

Das Beste kommt zum Schluss. Lenz:“ Es ist überall so“. Ditters: „Überall“. Der Autor Schmidt erzählt nicht nur Kriminalgeschichten, sondern vermittelt dem Hörer immer auch kluge Lebensweisheiten. Der Einsatz scheitert wegen überzogenem Ehrgeiz von Ditters und Eitelkeit des LKA, das Latotzke nicht ernst nimmt. Das LKA hat die Nase etwas hochgehalten. Die Handlung fordert dem Hörer hohe Konzentration ab, um nicht den Faden zu verlieren. Ein Fight-Club mit Schlägertypen, eine mafiöse Pizzeria und der SEK-Einsatz geben eine hörenswerte Tonkulisse ab.

Der belächelte Scholz klärt seinen Fall am Telefon durch Zuhören und Fragen. Die alte Frau ist schuldig, aber was macht man mit ihr?

Zwischendrin gibt es immer wieder diese wunderbaren Szenen, die so gar nichts zur Handlung beitragen. Wie Ditters den Lenz ermuntert im Team zu bleiben („Die Stadt braucht dich“) oder wie Latotzke den unnachahmlichen Sound einer Guzzi beschreibt. Die alte Dame beendet die Befragung durch Scholz, weil ihre Ratesendung beginnt. So ist das Leben. Es klingt auch alles, als sei es direkt aufgenommen und nicht geschauspielert. In dieser Episode klingt eine veränderte Gruppendynamik durch: Scholz ist eher pro forma Vorgesetzter, Ditters ist ehrgeizig, aber kann und will nicht auf das Team verzichten. Selbstredend. Der Krimi-Plot ist mäßig und der Autor bedient manches Klischee, damit die Hörer ihm sein Ohr leihen. 

Fazit

Team Hamm bietet immer eine eigene Spannung in höchster Qualität. Der Fan-Club kann ruhig noch grösser werden. Sie sind deutlich mehr als nur Looser.

Couch-Wertung: 85°

ARD Audiothek

"Krimi-Hörspiele: Mediatheken / Tipps 43" von Malte Stamer, 09.2024
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Fotos: istock.com / tolgart

Dr. Drewnioks
mörderische Schattenseiten

Krimi-Couch Redakteur Dr. Michael Drewniok öffnet sein privates Bücherarchiv, das mittlerweile 11.000 Bände umfasst. Kommen Sie mit auf eine spannende und amüsante kleine Zeitreise, die mit viel nostalgischem Charme, skurrilen und amüsanten Anekdoten aufwartet. Willkommen bei „Dr. Drewnioks mörderische Schattenseiten“.

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