Krimi-Hörspiele:
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"Goldstein"
Teil 3 der Berliner Hörspielreihe nach Volker Kutscher
Der Kriminalautor Volker Kutscher hat in den letzten Jahren eine Reihe erfolgreicher Krimis geschrieben, die alle im Berlin der 1920 und 1930-Jahren spielen. Sie sind so erfolgreich, weil sie eine intensive Milieustudie dieser Zeit und spannende Unterhaltung bieten. Im Mittelpunkt stehen der zugereiste Kölner Kommissar Gereon Rath und seine Freundin Charlotte Ritter, die trotz aller Demütigungen und Benachteiligungen als Juristin in den Polizeidienst möchte.
Die ersten Episoden wurden unter dem Titel „Babylon Berlin“ weltweit erfolgreich in inzwischen zwei Staffeln verfilmt. Auch für das Radio gab es mit „Der nasse Fisch“ (2018) und „Der stumme Tod“ (2020) zwei Hörspieladaptionen. Goldstein ist nun im Juni 2022 die dritte Adaption, produziert vom WDR und anderen. Erneut wurde hier ein Kriminalhörspiel mit viel Liebe, hohem Aufwand und vertrautem Team produziert Diesmal gibt es 4 Folgen von jeweils ca. 50 Minuten
Inhalt
Die blutjungen Gelegenheitsdiebe Benny und Alex lassen sich 1931 im sagenumwobenen, reichen KaDeWe einschließen. Völlig unerwartet taucht die Polente auf und bei einem spannenden Showdown stirbt Benny. Ein Polizist hat den an der Fassade hängenden Benny die Handknochen gebrochen und fiel auf den tiefen Boden. Alex kann fliehen. Wie ein spannender Spielfilm beginnt dieses Hörspiel und erzählt die Geschichte von Alex, deren Hehler auch noch ermordet wird und die zufällig von Charlotte Ritter gefasst wird. Charlotte hat Verständnis für sie und riskiert bei eigenen Ermittlungen innerhalb der Polizei ihren weiteren Werdegang.
Die zweite Geschichte handelt von Gereon Rath, der den langweiligen Auftrag erhält, den nicht verurteilten, aber mutmaßlichen jüdischen Mörder Goldstein zu überwachen, der aus den Vereinigten Staaten einreist. Soll der Profi-Killer nun in Berlin tätig werden? Im Auftrag der mafiösen Ringvereine oder um sie auszuschalten? Es beginnt ein spannendes Katz-und-Maus- Spiel zwischen Rath und Goldstein, der sich immer wieder der Observation entzieht. Die Polizei beginnt vorsichtig mit internen Ermittlungen gegen den Polizisten. Am Fundort einer weiteren Leiche wurden Camel-Zigaretten gefunden, wie Goldstein sie raucht. Oder haben die immer frecher und stärker werdenden Nazi-Kampftruppen einen der eigenen ermordet, weil er schwul war?
Die Inszenierung
Der Aufwand für dieses Hörspiel war immens. Die Sprecherliste ist lang wie selten und alles mit brillanten Sprechern besetzt. Da werden Kölsch, Berlinerisch, Jiddisch und vieles Jargons gesprochen. Auch die Geräuschkulisse ist vielfältig wie selten. Unterweltkneipen, zwielichte Bars, aber auch Pferdegetrappel und Krähen auf der Deponie. Ein Kompliment an die Geräuschemacher. Ein besonderes High-Light sind Musik und Lieder. Viele eigens komponierte Lieder (Couplets) im Stil der Comedian Harmonists, opulente Filmmusik, wie wir sie nur aus Hollywood kennen und einschmeichelnde Begleitungen versetzen den Hörer akustisch in die 30-er Jahre. Wann hört man schon mal ein ganzes Rundfunkorchester?
Die Geschichte wird chronologisch in vielen kleinen Szenen erzählt, in denen neben Goldstein Gereon Rath und Charlotte Ritter auftauchen. Die einzelnen Episoden sind nicht unabhängig voneinander. Leider gibt es keinen Rückblick und der Hörer tut gut daran, einen Blick in die Besetzungsliste zu werfen, um nicht den Faden zu verlieren. Einige dieser Szenen vergisst man nicht: Goldstein bei seinem sterbenden Großvater, der noch vor dem Abendessen im Krankenhaus sterben möchte, weil es nicht lohnt, darauf zu warten.
Das Hörspiel
Ohne Frage ist den produzierenden Sendern hier wieder ein Solitär in der Landschaft gelungen. Gerade in Zeiten knapper Rundfunkkassen ist man dankbar für diesen Kunstgenuss.
Dennoch gibt es einige Wermutstropfen.
Die Regie meint es mit allem zu gut und erinnert eher an einen Spielfilm als ein Hörspiel. Die Bösen sprechen wie Böse eben sprechen. Zwischentöne gibt es kaum, lediglich bei Charlotte und Gereon. Wenn es brenzlig wird, werden die Stimmen noch tiefer, die Musik noch lauter. Da bleibt kein Platz, beim Hören seine eigene Inszenierung im Kopf zu entwickeln.
Die Vielzahl der Szenen und Handlungsstränge macht es schwer, dem Stoff inhaltlich zu folgen. Zumal viele Szenen, wenig zur Handlung beitragen. Es ist also eher eine Milieu-Studie als ein Krimi. Der Nachteil bei solchen Krimireihen ist ja, dass man vorher weiß, dass Gereon und Charlotte sich irgendwie retten, weil ja noch 5 Folgen kommen. Es gibt spannende Szenen, aber sie resultieren aus Schwächen des Drehbuchs oder sind einfach unglaubwürdig. Welcher Kriminelle klettert schon bei der Flucht auf einen Gasometer? Charlotte und Gereon verhalten sich häufig für den Hörer widersprüchlich, das erhöht die Spannung. Aber dadurch verlieren die Figuren an Charakter. Bei Serienfiguren möchte man schon wissen, woran man ist.
Fazit
Als hörenswertes Bild der 30-er Jahre ein Hörspielgenuss mit beeindruckender Musik, sattem Sound und einprägsamen Sprechern. Als Krimi eher durchschnittlich.
Couch-Wertung: 75°
Beim WDR mit Besetzungsliste und natürlich in der ARD Audiothek
"Teufel komm raus!"
Teufelsaustreibung im Pfälzer Radio Tatort
Dies ist die zweite Episode des SWR beim Radio Tatort mit den Pfälzern Kommissarinnen Ekkelsberg (Ludwigshafen) und Amina King (Landau). Autorin ist Monika Geier, die auch schon für die Reihe Feminist Gangsta geschrieben hat.
Inhalt
Im Pfälzer Landau meldet eine junge Frau per Notruf den Fund eines Toten in der Therapiepraxis ihrer Mutter. Am Tatort bietet sich ein grauenhaftes Bild. Eine männliche Leiche wurde wie Jesus am Kreuz auf den Fußboden genagelt. Der Tatort ist voller brennender Teelichter, die den schon überhitzten Raum noch mehr aufheizen. Neben dem Toten finden sich ein uraltes Buch und eine Tüte mit Drogen. Eine furchteinflößende Inszenierung. Alles erinnert an einen Ritualmord. Der Tote ist Pan Stern, ein klassischer Psychotherapeut, offen für Neues, aber kein Esoteriker. Ein Mensch, der offenbar bei allen beliebt war. Hauptkommissarin Ekkelsberg bildet ein Soko-Team: Die Ludwigsburger Kollegen sind der systematische, technik-affine Teil. Die Landauer verfügen über Orts-und Personenkenntnisse, agieren aber eher intuitiv. Wer hatte Zugang zu den Räumen? Pan Stern betrieb seine Praxis gemeinsam mit einer Kollegin. Deren Tochter hatte den Toten gefunden. Hatte der Tote was mit der Tochter? Die männliche Sprechstundenhilfe war innerlich auf dem Absprung, er macht sich mit zweifelhafter Ernährungsberatung selbständig. Zugang hatte natürlich die Reinigungskraft. Hat sie ihrem drogenabhängigen Sohn Zutritt verschafft?
Welche Motive stecken hinter dem Mord? Handelte der Tote mit antiquarischen Büchern? Eine Videoaufnahme deutet darauf hin, daß Stern sich bei seiner Reinigungskraft auf eine Art Teufelsaustreibung eingelassen hat. Die Ermittlungen laufen lange ins Leere. Bis sich die junge Amina King auf ihre Intuition verlässt.
Feminist Gangsta
Als männlicher Autor muss man vorsichtig sein, das Thema Frau im Krimi aufzugreifen. Im Hörspiel kommen starke Frauencharakter zum Zug. Ekkelsberg ist als Chefin resolut und immer schnell entschlossen. Die junge Amina King muss sich noch von ihrem ehemaligen Chef lösen und gegen männliche Neider durchsetzen. Es klingt auch immer eine spirituelle Ader bei ihr durch. Dem folgt der Hörer gerne. Aber was soll es heißen, wenn Amina schlecht gelaunt zu ihrer Mutter sagt: „Ich habe seit zwei Jahren keinen Sex mehr gehabt!“ Inhaltlich trägt dieser Satz nicht zur Handlung bei. Meint sie wirklich Sex oder lediglich Sex mit Männern? Sind Frauen, die keinen Sex haben, schlecht gelaunt? Hier kommt der Hörer doch ins Stutzen über die Haltung der Autorin.
Die Inszenierung
Das Hörspiel packt den Hörer mit abwechslungsreichen Szenen und Spielorten. Jede Figur ist als Charakter zu erkennen und hat ihr eigenes Profil, da bleiben Konflikte, die auch ins Persönliche gehen, nicht aus. Die Themenvielfalt kann den Hörer aber auch erschlagen: Junge Frau gegen alte weiße Männer, Teufelsaustreibung und Exorzismus, Großstadt gegen Kleinstadt, Obdachlosigkeit, Drogenabhängigkeit, Ernährungsmythen, Steuerhinterziehung und und. Dementsprechend irrlichtert der Polizeiapparat bei der Verfolgung verschiedenster Spuren und Motive. Die Stärke der Autorin sind eindeutig die Dialoge, die auch die tollen Sprecher ausreichend in Szene setzen. Amina King führt einen inneren Monolog mit ihrem früheren Kommissar, der nur durch die Hintergrundmusik als solcher zu erkennen ist. Sehr viel Psycho für eine ehrgeizige, bodenständige Kommissaranwärterin.
Im Grunde genommen ist das Hörspiel eine völlig abstruse Story im Grenzbereich verschiedener Genres, deren Ende weder klar noch spannend ist. Daran ändern auch eine Reihe leicht ironischer Szenen nichts. Die Spusi muss sich einen groben Schnitzer erlauben, damit die Handlung in Fahrt kommt: Der Hammer mit dem der Tote ans Parkett genagelt wurde, ist noch während der Ermittlung verschwunden.
Fazit
Ein gewagter Schritt in die Esoterik-Szene, ein wenig Fantasy, ganz wenig Krimi, viel Region, die den Krimi dann doch wieder cosy macht. Wem so etwas gefällt, wird zufrieden sein. Alle anderen schütteln den Kopf, wie ein so schwaches Hörspiel in die renommierte Radio-Tatort-Reihe gelangt.
Couch-Wertung: 60°
Wie immer in der ARD Audiothek
"Krimi-Hörspiele: Mediatheken / Tipps 14" von Malte Stamer, 09.2022
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Fotos: istock.com / tolgart
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