Andreas Winkelmann

Deathbook ist eine Mischung aus Thriller und Horror

05.2014 Andreas Kurth sprach mit seinem Namensvetter Andreas Winkelmann über dessen Thriller Deathbook, über die Gefahren im Internet - und auch über laute Musik beim Schreiben spannender Romane.

Krimi-Couch: Andreas Winkelmann, Deathbook ist bei den Lesern augenscheinlich gut angekommen. Wann hatten Sie zum ersten Mal die Idee, sich selbst als Romanfigur zu inszenieren?

Andreas Winkelmann: Die Idee ist tatsächlich mit dem Deathbook zusammen geboren worden. Ich habe vorher nie darüber nachgedacht, mich mal selber als Protagonisten in eine Geschichte einzubauen, aber als ich das Konzept für Deathbook entwickelt habe, war mir relativ früh klar, dass wir da Realität und Fiktion sehr stark vermischen wollen. Und das kann man natürlich durch die sozialen Netzwerke einerseits gut erreichen, und wenn man noch ein draufsetzen will, habe ich mir gedacht, kann man ja sich selbst zum Protagonisten machen, so dass am Ende dann keiner mehr weiß, was Realität und was Fiktion ist. Ich bekomme auch immer noch Mails von Leserinnen und Lesern, die mich fragen, ob meine Nichte wirklich ums Leben gekommen ist, wieviel davon autobiographisch ist.

Krimi-Couch: Wird das ein einmaliges Experiment bleiben?

Andreas Winkelmann: Ja, ich denke schon. Der Clou, den man damit aufgebracht hat, ich denke das hat vorher noch kein Schriftsteller gemacht, der ist damit jetzt eigentlich aufgebraucht, und ich denke nicht, dass ich das nochmal machen werde.

Manuela Sperling kommt wieder

Krimi-Couch: Manuela Sperling war in Wassermanns Zorn eine der Hauptfiguren, in Deathbook tauchte sie erneut auf. Werden die Leser dieser jungen und sympathischen Polizistin noch häufiger begegnen?

Andreas Winkelmann: Ja, ich verrate schon mal so ein wenig über das Buch, das im Januar 2015 rauskommt. Die Zucht wird es heißen, und da spielt die Manuela Sperling auch wieder eine tragende Rolle. Wir sehen sie also nochmal wieder, ich denke die Person hat noch genügend Entwicklungspotenzial.

Krimi-Couch: In Deathbook werden Videos von realen Tötungen gezeigt, mit der eindeutigen Aufforderung, selbst einen solchen Film zu drehen – das ist schon starker Tobak. Wo verläuft für Sie als Autor die Grenze zwischen Thriller und Horror-Roman?

Andreas Winkelmann: Ich denke, die Grenze ist tatsächlich sehr, sehr fließend. Wenn man mal den Begriff Horror definiert, ist das ja eigentlich nichts weiter als ein ständiges Spannungs- und ein ständiges Angstgefühl. Es müssen ja nicht unbedingt Dämonen, Untote oder Zombies in solchen Geschichten vorkommen. Es reicht ja dieses ständige Spannungsgefühl beim Lesen, und ich würde gerade auch das Deathbook tatsächlich schon als Mischung aus Thriller und Horror-Roman einordnen wollen. Das liegt mir aber auch, das kann man an Büchern wie Hänschen klein und Der Gesang des Scherenschleifers erkennen, ich komme schon von meiner eigenen Lektüre her eher aus der Richtung. Und ich mag es auch, wenn die Grenzen verschwimmen, und man nicht jedes Buch ganz genau in eine Schublade pressen kann – auch wenn Verlage das immer wollen.

Tochter nicht bekehrt

Krimi-Couch: Für Deathbook haben sie offenbar intensiv im Internet recherchiert. Ging das angesichts des Themas auch mal an die Nerven?

Andreas Winkelmann: Ja. Zum einen deshalb, weil ich eine 19-jährige Tochter habe, die natürlich genau in der Zielgruppe ist, an die sich das Deathbook richtet. Und aufgrund meiner ganzen Recherche war das zu Hause auch dauernd ein Thema, die Gefahren, die im Internet lauern, was man besser machen könnte, und wo man lieber die Finger davon lässt. Aber selbst ich habe es nicht geschafft, meine Tochter zu bekehren, vorsichtiger zu sein, und nicht alles Persönliche im Internet zu posten. Und dann denkt man doch intensiver darüber nach, was für Gefahren das birgt – auch für die eigene Familie. Ich selber kann mich ja so verhalten, dass es für mich keine Gefahr birgt. Aber wir sind mittlerweile so tief vernetzt, und die sozialen Netzwerke sind so großer Bestandteil des Lebens geworden, gerade bei den Jugendlichen, dass einfach über die Gefahren hinweg gesehen wird, weil alle das machen, und wenn man es nicht macht ist man nicht mehr dabei. Es ging also schon, ich würde nicht sagen an die Nerven, aber unter die Haut. Und es hat mir viel stärker bewusst gemacht, welchen Gefahren wir uns da aussetzen.

Geschichte hat wahren Kern

Krimi-Couch: Da Sie selbst begeisterter Outdoor-Sportler sind, haben Sie für Höllental sicher entsprechende Recherchen-Reisen in die Alpen unternommen. Das war dann eine ganz andere Form der Recherche?

Andreas Winkelmann: Ja genau. Der Geschichte liegt ein wahrer Kern zugrunde. Ich gehe schon seit vielen Jahren Bergsteigen und ich bin tatsächlich mal selber unterwegs gewesen, so wie es in dem Buch beschrieben ist. Ich war an einem regnerischen Tag im Abstieg, und mir kam eine Gruppe junger Leute entgegen, drei Jungs und ein Mädchen, so wie im Buch beschrieben. Die Jungs wollten auf den Gipfel, und das Mädchen war am Ende seiner Kräfte. Sie baten mich, das Mädchen mit hinunter zu nehmen. Sie wussten überhaupt nichts von mir, haben sich keinen Personalausweis zeigen lassen. In den Bergen hilft man sich eben einfach. Ich habe sie dann mitgenommen, und mich im Abstieg gefragt: Was ist das für ein Risiko? Du könntest alles mit dem Mädchen machen, es würde keiner erfahren. Sie hatte Glück in dem Moment, weil ich kein realer Psychopath bin, aber wenn sie an einen solchen geraten wäre, hätte es eine Geschichte wie im Buch werden können.

Krimi-Couch: Offene Fragen am Ende eines Romans scheinen ihr Faible zu sein. In Deathbook geht es offenbar noch weiter, und in Wassermanns Zorn bleibt das Schicksal eines Protagonisten ungeklärt. Wollen Sie den Lesern damit genug Platz zum Weiterdenken geben?

Andreas Winkelmann: Ich orientiere mich da ein wenig an mir selbst als Leser. Und ich mag es sehr gerne, wenn am Ende eines Buches, wenn ich den Deckel zuklappe, ich nicht auch meine Phantasie zuklappe, sondern dass meine Phantasie auch nach dem Lesen noch weiterarbeitet, dass sie angereichter ist, ich über das Buch nachdenke. Und das lässt sich natürlich ganz gut erreichen, wenn man den Erzählstrang nicht bis auf den Punkt zu Ende erzählt, sondern vielleicht einen kleinen Teil offen lässt, so dass der Leser darüber nachdenken kann und sich fragen kann: Kommt da noch was nach? Sehen wir die Figur vielleicht noch mal wieder? Gibt es einen zweiten Teil? Was ist aus der Person geworden? Ich finde das toll, wenn man am Ende eines Buches noch darüber nachdenken kann. Deathbook habe ich in der Tat so konstruiert, dass es noch möglich wäre, einen zweiten Teil zu machen. Aber das hängt weitgehend vom Verlag ab, weil das Projekt als Multi-Media-Projekt sehr teuer war.

Krimi-Couch: Ihre Bücher erscheinen bei zwei Verlagen. Hat das inhaltliche Gründe? Oder hat sich das einfach so ergeben?

Andreas Winkelmann: Ich war ja zunächst bei Randomhouse, bei Goldmann, da ist dann nicht alles zu meiner Zufriedenheit gelaufen. Es hat dann zwischendurch ein Angebot von Rowohlt gegeben, und das war zu einem Zeitpunkt, wo ich mit Goldmann ein klein wenig im Clinch lag, und deswegen bin ich dann gewechselt. Es gab also keine inhaltlichen Gründen, sondern hatte einen persönlichen Hintergrund. Zweite Schiene ist in Planung

Krimi-Couch: Ihre Thriller bewegen sich – wie bereits erläutert - durchaus an der Grenze zum Horror-Roman, Sie selbst sind nach eigenen Angaben ein ausgemachter Fan von Stephen King. Kommt nach Deathbook jetzt der erste eigene reine Horror-Roman?

Andreas Winkelmann: Die nächsten beiden Bücher sind im Prinzip schon fertig, das für 2015 ist praktisch schon im Druck. Das ist ein Thriller, und der Nachfolger dann auch, aber es laufen im Moment Gespräche darüber, noch eine zweite Schiene zu entwickeln. Ich habe einen ziemlich hohen Output, der Wunderlich-Verlag bringt ein Buch mit mir pro Jahr raus, im Hardcover. Das reicht mir selber aber nicht, ich kann mehr schreiben. Und deswegen überlegen wir, eine zweite Schiene zu eröffnen, und das wäre dann aber auch wirklich eine Horror-Schiene.

Krimi-Couch: Als 14-Jähriger haben Sie erste Schreibversuche bei lauter Musik gemacht. Ist das immer noch die bevorzugte Arbeitsweise? Oder wie hat man sich einen typischen Tag im Arbeitszimmer von Andreas Winkelmann vorzustellen?

Andreas Winkelmann: Ja, die Arbeitsweise ist tatsächlich immer noch so, dass wenn ich eine Rohfassung schreibe, also in der ersten Version bin, dann schreibe ich tatsächlich zu lauter Musik, und dann suche ich die Musik immer nach den emotionalen Lagen aus, die ich für den Text brauche. Wenn es etwas ruhigeres ist, habe ich ruhige Musik laufen, wenn es etwas gruseliges ist, dann habe ich die Musik entsprechend laut. Der normale Arbeitstag bei mir sieht so aus, dass ich morgens um 8 Uhr vor dem PC sitze und loslege. Und ich schreibe so lange, bis die kreativen Batterien einmal leer sind. Und dann mache ich erstmal etwas anderes, gehe vielleicht mit dem Hund raus, mache etwas im Garten oder gehe zum Sport, bevor ich mich abends nochmal wieder hinsetze und erneut schreibe. Ich komme im Schnitt auf sechs bis acht Stunden am Tag, die ich schreibend verbringe. Nicht immer unbedingt kreativ, sondern vieles davon ist auch überarbeiten, korrigieren, Texte lesen. Das reine kreative Schreiben, wo ich neuen Text zu Papier bringe, das sind drei bis vier Stunden pro Tag.

Krimi-Couch: Wann wird es das nächste Werk von Andreas Winkelmann zu kaufen geben? Und mögen Sie unseren Lesern schon etwas darüber verraten?

Andreas Winkelmann: Das nächste Buch kommt Ende Januar 2015 raus. Thematisch beschäftigt sich dieser Roman, der Die Zucht heißt, mit einerseits dem Menschenhandel, und andererseits mit dem illegalen Tierhandel. Wie man das beides unter einen Hut bekommt, und dann einen Thriller daraus macht, ist natürlich die große Frage. Ich habe eine Möglichkeit gefunden, und habe mich beim Schreiben mal wieder gefragt, warum vor mir noch kein Psychopath oder Gangster auf die Idee gekommen ist, das so zu verquicken, wie ich es da gemacht habe. Ich denke, es ist eine ganz spannende Geschichte geworden, mit einem ganz ungewöhnlichen Thema – und Manuela Sperling begegnet uns auch mal wieder.

Krimi-Couch: Vielen Dank für das Interview!

Für das Interview trafen sich Redakteur Andreas Kurth und der Autor im Mai 2014 in einem Straßencafé auf halber Strecke zwischen ihren Wohnorten.

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